01.05.90

„Indem also die äußere Wirklichkeit im Mythos nach der Art der inneren (psychischen) Wirklichkeit angeschaut wird, bietet die mythische Erzählung nicht nur eine Beschreibung der äußeren Naturvorgänge, sondern figuriert zugleich als Darstellung der psychischen Wirklichkeit.“ (E.D. SdB II, S. 88f) Diese unvermittelte Antithese von „äußerer“ und „psychischer“ Wirklichkeit setzt die Naturwissenschaft unkritisiert voraus und ist der Grund für den Rückfall in den Mythos. – Vgl. auch S. 92: „… der Phallus des Gottes selbst … coitus sempiternus …“ – Hat der Urknall der modernen Physik nicht doch etwas mit dem hieros gamos (oder die subjektiven Anschauungsformen Raum und Zeit im Sinne einer Begründungszusammenhangs mit Fruchtbarkeit, Fortpflanzung, Sexualität) zu tun?

Der Begriff des Bösen im Titel des Drewermannschen Werkes scheint bewußt unklar, mehrdeutig gehalten zu sein. Eindeutig und bestimmt wäre er nur durch die Vorgabe der zeitgenössischen Manifestation des Bösen geworden.

Insbesondere bleibt offen, ob das Böse

– selbst als Person oder

– als Eigenschaft (oder Wesen) einer Person oder

– als Charakterisierung von Handlungen oder handlungsdeterminierenden Institutionen

gemeint ist. Der Begriff des Bösen (wenn man das Problem seiner Personifikation – das Problem des Teufels – einmal offenläßt: aber war nicht gerade die Personifikation des Bösen auch einmal ein Schutz vor der personenbezogenen Anwendung des Begriffs?) scheint theologisch nur in handlungsbezogenem Kontext sinnvoll verwendet werden zu dürfen. Begründen läßt sich dieser Satz im Rahmen einer parakletischen Erkenntnistheorie, durch die Notwendigkeit des Verzichts auf richtendes Denken. Umgekehrt lassen sich alle Fehler des Drewermannschen Konstrukts genau hieraus ableiten (zu fragen wäre, ob die Personifikation des Bösen nicht auch ein Zugeständnis an die gleiche Zwangslogik des Richtens gewesen ist, die dann auch vor der Gottesidee nicht halt gemacht hat).


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