01.10.1996

Das Prinzip der Schuldumkehr (und somit ihre Beziehung zum Schuldbekenntnis) bindet die Bekenntnislogik an die Logik der Verurteilung und ans Feindbild. Die Bekenntnislogik ist das Produkt der Instrumentalisierung des Symbolums. Drückt die Differenz des Bekenntnisses zum Symbolum nicht in der des confiteri zum homologein sich aus? Und ist nicht der Kontext der confessio (ihre passive, auf den Blick und das Urteil der Andern bezogene Beziehung zur Sündenvergebung, zur Rechtfertigung) ein anderer als der des homologein (der aufs Handeln: auf die aktive Nachfolge, verweist)? Die confessio trennt die Sündenvergebung vom Sündenvergeben (das Gericht von der Barmherzigkeit), sie transformiert so das homologein in ein theologisches Inertialsystem (sie subsumiert das Bekenntnis unters Gesetz der Instrumentalisierung).
Die Trinitätslehre ist – insbesondere in ihrer lateinischen Fassung – ein logisches Konstrukt. Es ist nicht unerheblich, daß die bedeutendsten lateinischen Theologen (von Tertullian bis Augustinus) Rhetoren waren, die die Logik, indem sie sie wie eine Ingenieurswissenschaft betrieben (als Mittel für subjektive Zwecke), zu einem Instrument der gesellschaftlichen Naturbeherrschung gemacht haben. Hier ist der instrumentalisierende Grundzug in die Theologie hereingekommen, der seitdem nicht mehr aus ihr herauszubringen ist. Ist nicht das Modell der trinitas der Raum mit seinen drei Dimensionen (und das der Orthodoxie die Orthogonalität)? Die Trinitätslehre ist das embryonale Modell der universalen Verdinglichung (der Verhärtung des Herzens).
Rind und Esel: Im Strafrecht verfolgt der Staat seine Konkurrenten: die Anmaßung des „Verbrechers“, von einem Recht Gebrauch zu machen, das nur ihm, dem Staat, zusteht. Deshalb kennt das Strafrecht keine Versöhnung und keine Wiedergutmachung, aber auch keine Umkehr, sondern nur die Strafe: die Befriedigung des Rachetriebs. Das Strafrecht wird, wenn es das Element seiner Humanisierung (die Domestizierung des Rachetriebs) endgültig verwirft, zu einer projektiven Verfolgungsmaschine (die dann im deutschen Judenmord gegen das Strafrecht, aus dem sie hervorgegangen ist, sich verselbständigt hat), eine Maschine, mit deren Hilfe der Staat sein eigenes Verbrechen (das Verbrechen seines Bestehens) an anderen verfolgt, um so sich selbst zu exkulpieren. Ist nicht das Bekenntnis zum Staat, Grund und einziger Inhalt des Nationalismus, das verstockte Bekenntnis zu diesem Verbrechen (und ist nicht die Schuldumkehr, in der das Bekenntnis sich konstituiert, der Grund der Verhärtung des Herzens)?
Hängt die consubstantialitas mit der homousia auf ähnliche Weise zusammen wie die confessio mit dem homologein?
Ist nicht die confessio eine passivische Perfektbildung (abgeleitet aus dem Verb confiteri, confessus sum), und ist nicht der lateinische Substanzbegriff ein Produkt (das gegenständliche Pendant) der confessio? Das Substantiv ist das Produkt der logischen Verknüpfung beider.
Wie kommt es, daß fast alle grammatischen Bezeichnungen (wie Substantiv, Akkusativ, Nominativ etc.) auf -iv(um) enden; drückt sich darin nicht schon ihre Beziehung zur Ursprungsgeschichte des Trägheitsbegriffs, des Inertialsystems, aus? – Verweist das -ivum nicht auch auf einen Eingriff, auf eine gegenständliche, formende Tätigkeit: auf eine apriorische Sprachlogik, eine Herrschaftslogik der Sprache? Ist diese Sprachlogik nicht die Embryonalform der transzendentalen Logik (und ihr Subjekt die des transzendentalen Subjekts)?
Vor dem Erscheinen des Tiers aus dem Wasser wird der Drache (der „Ankläger unserer Brüder“) vom Himmel auf die Erde geworfen. „Darum frohlockt, ihr Himmel, und die ihr darin wohnt! Wehe der Erde und dem Meer! denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen …“ Auf die Erde herabgeworfen, verfolgt der Drache das Weib, das den Knaben geboren hat, und das in die Wüste flieht, „fern vom Angesicht der Schlange“. Es steckt eine ungeheure Dramatik in den Kapiteln 12/13 der Johannes-Offenbarung: Der Drache übergibt dem Tier seine Kraft, seinen Thron und große Macht … Der Drache und das Tier werden angebetet; dann macht das Tier vom Lande ein Bild des ersten Tieres, das große Zeichen tut, sogar Feuer vom Himmel auf die Erde herabfallen läßt, es verleiht dem Bild Lebensgeist, sodaß das Bild sogar redet und bewirkt, daß alle, die das Bild nicht anbeten, getötet werden.
Worauf bezieht sich das Bild von dem vom Himmel auf die Erde geschleuderten Drachen, hängt es mit dem Wort aus dem Johannes-Evangelium zusammen: „Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden …“ (Joh 1231, vgl. auch 1430 und 1611, sowie Lk 1018). Und hat diese Geschichte nicht etwas mit der Ursprungsgeschichte des „transzendentalen Subjekts“, der Konstruktion des Bewußtseins und dem Ursprung der Philosophie (in denen die Ursprungsgeschichte des Staates sich spiegelt) zu tun?
Erinnert nicht die Trennung von Information und Feuilleton in den Medien (die auf die sachliche von Politik/Ökonomie und „Kultur“ zurückweist) an die Unterscheidung des Tiers aus dem Meere vom Tier vom Lande?
Die kantische Antomienlehre enthält die Ansätze einer Kritik der Logik, sie eröffnet einen Blick in den Abgrund der Logik, den Hegel durch die erneute Einbindung in die Logik (durch Einbindung der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik) zu schließen versucht hat.


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