Rechtfertigung ist Reklame: Wunsch nach Anerkennung, Verteidigung gegen potentielle Ankläger. Der Begriff stammt aus der apologetischen Tradition der christlichen Theologie, und er bezeichnet einen Knotenpunkt in der Geschichte der Dogmenentwicklung (den Punkt, an dem die Kraft der Häresienbildung verbraucht war), und darüber hinaus in der Geschichte des Objektivationsprozesses. Jenen Knotenpunkt, an dem der Weltbegriff als Inbegriff aller Prädikate auch das Objekt ergreift, die Welt sich zum System zusammenschließt, das Urteil die apriorische Beziehung aufs „Objekt“ in sich aufnimmt.
Steckt im Begriff der Rechtfertigung nicht auch die Orthogonalität und das Fertigmachen (das Prinzip der Verweltlichung)? Hängen Recht (rechtwinklig, rechtgläubig), Richtung, richtig mit der richtenden Gewalt zusammen (Orthogonalität und Verdinglichung)?
Die Geschichte der Häresien hängt insoweit mit der Geschichte der drei Verleugnungen zusammen, als in den Häresien die eigene Leugnung projektiv verurteilt und so stabilisiert wurde. In der Geschichte der Auseinandersetzung mit den Häresien, in der Geschichte der Ausbildung des Dogmas, ist der Inhalt des Dogmas in zunehmendem Maße derealisiert worden. Über die Mechanismen von Verschiebung und Projektion ist das verdeckt worden, worauf die Häresien in der Kirche, gegen die sie gerichtet waren, hinwiesen, wurde das dem Wahrheitsbegriff immanente Moment der Versöhnung zum Bekenntnis-Konsens kommunikationstheoretisch umgefälscht, ist die Religion zu einem Traum geworden, aber nicht zu einem prophetischen, sondern zu einem Alptraum.
Bei der Trennung von Sein und Wert wurde vergessen, daß dieser Seinsbegriff durch den Wertbegriff vermittelt ist. Die Unterscheidung von Gebrauchswert und Tauschwert steht selber noch unter dem Systemzwang des Tauschprinzips. Und wenn Marx den Gebrauchswert zu etwas unreflektiert Positivem macht, das von der negativen und entfremdenden Gewalt des Tauschprinzips sich abhebt, so verkennt und vergißt er die gesamte barbarische Vorgeschichte dieser Trennung: die Vorgeschichte der Trennung und wechselseitigen Vermittlung von Objektivation und Instrumentalisierung. Auch die Arbeiter haben für die Unternehmer einen Gebrauchswert.
Die Unfähigkeit, unsere Eltern zu ehren, die Desiderate unserer Auseinandersetzungen mit ihnen, drücken sich in den Dunkelheiten unserer physis, unseres Körpers aus.
„Die Dichtung ist im Verhältnis zur Prophetie, was das Götzenbild im Verhältnis zur Wahrheit ist.“ (Derrida, Edmond Jabes und die Frage nach dem Buch, in: Die Schrift …, S. 105)
„Der Bruch der Tafeln bezeichnet zunächst den Bruch in Gott als dem Bruch in der Geschichte.“ (S. 106)
„Die Traditionalität ist aber nicht die Orthodoxie.“ (S. 115)
„… für Jabes ist das Buch nicht in der Welt, sondern die Welt ist im Buch.“ (S. 117) Heute geht die Genealogie nicht mehr durchs Geschlecht, sondern durchs Buch (Bedeutung der Trinitätslehre).
Zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Die Minkowskische „Raum-Zeit“ bestimmt u.a. die Beziehung des Raumes zur Zeit (und zur Materie) neu. Nicht mehr der Raum ist die Form der Gleichzeitigkeit, sondern der durch das -(ct)2 in eine veränderte Beziehung zur Zeit gerückte Raum. Das Zentrum oder der Ursprungspunkt dieses Systems ist nicht mehr der räumliche Punkt, sondern dessen imaginäre Beziehung zu dem von ihm ausgehenden „Lichtkegel“. Die „Geometrie“ dieses Mediums der Gleichzeitigkeit wäre noch zu entwickeln (genauer: sie liegt vor, wäre nur als „Geometrie“, als Struktur eines orthogonalen Systems, neu zu bestimmen). Damit hängt es jedenfalls zusammen, daß es innerhalb präzise bestimmbarer Grenzen einen präzise bestimmbaren raumzeitlichen Punkt (die gleichzeitige Bestimmung von Ort und Impuls) nicht mehr gibt (die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation gehört zu den Orthogonalitätsbedingungen dieses Systems). Hinweise:
– Inertialsystem = System von Äquivalenzbeziehungen;
– Problem der selbstreferenziellen Beziehung der Lichtgeschwindigkeit zum Inertialsystem;
– Mikrophysik = Reflexion der Unschärfen der Randbedingungen des Systems im System;
– Beziehung von kinetischer Wärmetheorie und Elektrodynamik: Interpretation des Planckschen Strahlungsgesetzes;
– Orthogonalität und selbstreferentieller Bezug.
02.02.92
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