Die Offenbarung verhält sich zur Philosophie wie das Licht zur Physik (zu den Naturwissenschaften).
Ist nicht das Verhältnis der Religion zum Reich Gottes eher nach dem Paradigma der dritten Leugnung als nach dem von Götzendienst und Prophetie zu bestimmen?
Der Name Jesu ist der Name des Gottesreichs (und der Name des Tieres der Name dieser Welt: der Name eines Menschen).
Joh 1916: Bezieht sich das „sie“ (Pilatus lieferte Jesus an sie aus …) hier auf die Juden? Aber 1923 sind es dann doch „die Soldaten“.
Die Griechen, die nach Joh 1220 nach Jerusalem hinaufzogen, um am Fest teilzunehmen, wenden sich an Philippus (aus Bethsaida in Galiläe), und Philippus geht und sagt es dem Andreas. Es sind die beiden Jünger mit griechischem Namen, an die sich die Griechen wenden.
Wenn Leonhard Ragaz das ho airon in Joh 129 gelegentlich auch mit „wegnehmen“ übersetzt, ist das dann nicht nur eine Unsicherheit, auch ein Stück unverkennbarer Naivität, die heute, 50 Jahre nach der Katatstrophe, nicht mehr erlaubt ist?
Bei Jesus steht das „den Kelch trinken“ in einer verborgenen Beziehung zur Klugheit der Schlangen, die nur dann nicht zur Trunkenheit führt, wenn sie die Arglosigkeit der Tauben mit einschließt. Den Kelch bis zur Neige trinken: bis in den Kern der Trunkenheit hinein, aber in voller Nüchternheit: ohne ihr zu verfallen. Darin steckt das Konzept der christlichen Beziehung zur Geschichte der Säkularisation, zum Weltbegriff.
Zum Trinken des Kelchs gehört das „Seid nüchtern und wachsam“; aber die Apostel in Getsemane konnten nicht eine Stunde mit ihm wachen. (Gibt es nicht eine Besessenheit, die nur durch Wachen und Beten zu beherrschen ist?)
Wie wäre es mit der Idee einer Sozialgeschichte der Sprache: Zum Rosenzweigschen Hinweis, daß das Äquivalent der Technik in der alten Welt die Rhetorik gewesen sei, wäre ergänzend an die Grammatik zu erinnern. Tragen die Grammatiken der klassischen Sprachen des Altertums (Hebräisch, Griechisch, Latein) nicht alle die Züge eines technischen Konstrukts? Und steht das technologische Element in diesen Sprachen nicht im Zusammenhang mit dem Ursprung und der Entfaltung des Staats, der Konstituierung des Weltbegriffs, der Geschichte der politischen Organisation der Ökonomie? Rückt damit nicht das Problem der Grammatik in den Vordergrund, zusammen mit dem Problem des Ursprungs der Schrift und des Geldes? Genügt nicht nur die Buchstabenschrift dem Erfordernis der Anwendung auf verschiedene Sprachen (den Erfordernissen des beginnenden Handels – der Entfaltung des Tauschprinzips, der aus Verhältnissen der Schuldknechtschaft und aus der Geschichte des Opfers sich entwickelt hat)?
Wie hängen Ich und dich zusammen (sie unterscheiden sich nur durch das deiktische d-, machen aber damit das Subjekt zum Objekt in seiner allgemeinen Form: als Akkusativ)? Gründet das Ich nicht im Ach?
Wie die Lateiner Römer (und diese Nachfahren der Trojaner) und die Griechen Hellenen waren (die „Griechen“ in Joh 1220 sind Hellenen), so waren die Hebräer Israeliten (die von Aramäern, d.h. Syrern abstammen): Die Namen der Sprachen differieren von den Namen der Völker, die keine Ursprungsnamen sind. Warum nennen wir Mizrajim Ägypten?
Sind die Sterne des Himmels der Sand am Meer der oberen Wasser?
Die Tage des Schöpfungsberichts sind keine Kalendertage, sondern Tage in einer Welt, die sich auf das Heute bezieht (wie das Licht auf das Leben und das Angesicht). Dazu gehört die Nacht, die auf das Krähen des Hahnes wartet.
Sind nicht die Dornen und Disteln die Erben des Baumes der Erkenntnis?
Gibt es überhaupt die Mathematik; ist nicht die Mathematik in sich selbst gespalten? Arithmetik und Geometrie lassen sich nicht restlos in einander überführen und gleichnamig machen. Wäre nicht dieser Bruch zu reflektieren, der mitten durch die Mathematik geht (der Bruch zwischen dem Kontinuum und dem Diskreten: Begriff und Objekt, Modell der Subsumtion)? Ist die Mathematik das tohu wa bohu?
Das Ich denke begleitet in der Tat nur unsere Vorstellungen, nicht die benennende Kraft der Sprache, in der sich vielmehr „unsere Vorstellungen“ auflösen (deshalb zerstört das Zuschauen die Sprache).
Die Vergegenständlichung Gottes, m.a.W. die Religion, ist die Sünde der Welt. Im Angesicht Gottes verbrennt die Welt, eröffnet sich die Vergangenheit wie im Jüngsten Gericht.
Welche Prophetinnen gibt es: Mirjam, Debora, Hulda, dann die Prophetin Anna und die vier Töchter des Philippus? Wie ist es mit der Frau, die Jesus gesalbt hat, und mit Maria aus Magdala?
Ist nicht die Abtreibungsdebatte eine Stellvertreter-Debatte zum Zwecke der Verdrängung und Ablenkung: der Versuch, den messianischen Wehen zu entgehen?
Der Säkularisatonsprozeß hat nicht nur Herrschaft entzaubert, sondern den Zauber, die Religion, der Herrschaftskritik unterworfen. Die Säkularisation aller theologischen Gehalte bedeutet nicht ihre Preisgabe, nicht ihre Leugnung, sondern umgekehrt ihre Befreiung aus ihrer falschen Verschmelzung mit der Symbolik und Metaphorik der Herrschaft, aus ihrer herrschaftsgeschichtlichen Symbiose.
Beschreiben nicht die beiden Verbote gegen das Essen von Götzenopferfleisch und gegen Hurerei aufs genaueste den Charakter des Kapitalismus?
Ragaz, 4, S. 421: Hier erscheint ein merkwürdig paranoisches Element (die offene Seite seiner Schutzlosigkeit), wenn er vom „Heer der Bazillen“ spricht.
03.12.93
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