04.03.91

Zum Begriff der Natur: Heute sind die Sünden des Unterlassens, des Zuschauens und Nichtstuns schlimmer als die des Tuns: sie ermächtigen das subjektlose und bewußtlose Handeln des blinden Naturlaufs, der allemal in die Katastrophe führt. Dieses Nichthandeln bedarf der Rechtfertigung; das Anwachsen der Rechtfertigungslehren ist darin begründet; diese müssen dann abgesichert werden durchs Bekenntnis, das nichts ändert, nur folgenlos (und scheinhaft) exkulpiert.
Die Fundamentalontologie ist der letzte Versuch, die theoretische Vernunft, das kontemplative (zuschauende) Verhältnis zu den Dingen (die Grundlage des wissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs) vor den Konsequenzen der kantischen Vernunftkritik zu retten: eben damit verfällt sie dem Gesetz der sich selbst entfremdeten Erscheinung, der irreversiblen Trennung vom An sich, des Andersseins (vgl. Rosenzweigs Bemerkung über die verandernde Kraft des Seins). Herausoperiert wird die moralische Geiselhaft: die Gottesfurcht (zur Unkenntlichkeit verkürzt in Begriffen wie „Geworfenheit“, „In-der-Welt-Sein“, „Geschichtlichkeit“). Notwendig ist heute, wenn Philosophie überhaupt noch zu retten ist, die Kritik des Theoriebegriffs, letztlich der kantischen subjektiven Formen der Anschauung und ihrer realen Vorläufer und Äquivalente: des Tauschprinzips und des Bekenntnisses (dreifache Leugnung), am Ende der Leugnung des Opfers (durch seine Instrumentalisierung und Vergegenständlichung in den Begriffen des Sakraments, des Objekts und der Ware). Es gibt keinen Ausweg außer in der Nachfolge.
Intimfeind Heidegger: Heidegger-Kritik als Erforschung des projektiven Anteils an dieser Feindschaft (Konsequenz aus dem Gebot der Feindesliebe).
Der Ursprung der Gemeinheit im Verwaltungsdenken: Wenn Asyl-Bearbeitungsstellen Antragsteller in eines der ehemaligen DDR-Länder schicken, obwohl sie genau wissen müßten, welche Folgen das für die Situation in den neuen Bundesländern und für die Asyl-Bewerber selbst haben wird, so leitet sich das her aus dem Ressortdenken, dem Verwaltungsprinzip der Zuständigkeit: aus einer strukturbedingten (nicht persönlichen) Dummheit der Sachbearbeiter. Nur: diese Dummheit ist gewollt; sie wird in der Ausbildung der Sachbearbeiter eingeübt und durch Verwaltungsvorschriften, durch die Struktur der Verwaltungsorganisation und die Regeln des Verwaltungshandelns stabilisiert; Abweichungen werden durch externe und interne Prüfungsorgane verfolgt und durch Sanktionen unterbunden. Honoriert wird hier (wie in jeder, auch der kirchlichen Verwaltung) die grundsätzliche Verletzung des Nachfolge-Gebots.


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