07.11.91

Das Prädix „be-“ drückt Herrschaft aus: das Bekenntnis ist Herrschaft übers Erkennen (vgl. lehren/belehren, deuten/bedeuten u.a.). Vermittelt ist die Herrschaft über den Personenbezug: das „be-“ zieht einen Adressaten nach sich (im Dativ ist der Adressat der Herrschende, im Akkusativ der Adressierende: hier, in der Umkehrbeziehung Dativ/Akkusativ, läuft die Herrschaftsbeziehung über eine vermittelnde Tätigkeit, in der genitivischen Umkehrbeziehung – gen. objektivus/subjektivus – geht es um eine direkte, unvermittelte Herrschaftsbeziehung). Dieser Zusammenhang ist der Grund dafür, daß es ein Bekenntnis ohne Opfertheologie und ohne Trinitätslehre nicht gibt. Ist das Produkt des Bekenntnisses das Bekannte (das Tote, Vergangene, auch dann wenn es die Wahrheit selber ist, die als Dogma gekreuzigt, gestorben und begraben ist und auf ihre Auferstehung wartet)?
Rosenzweigs Trennung von „Ja“, „Nein“ und „Und“ gemahnt daran, daß die Sprache mit der Subsumtion unters Identitätsprinzip zerstört wird. Aber diese Zerstörungskraft ist in der Sprache selbst durch den Seinsbegriff (die „verandernde Kraft des Seins“) präsent (nach K. Heinrich ist das Sein der „wortlose Rest“ der Sprache).
Das Sein ist nicht nur der Generator des transzendentalen Subjekts (des idealistischen Scheins), es bezeichnet genau den blinden Fleck in der Sprache, der sie (wie die kantische Form der äußeren Anschauung die Wahrnehmung) von sich selbst ausschließt und gegen sich selbst abschirmt, und der auch dann nicht zu reden beginnt, wenn man – wie Heidegger – ihn beschwörend anstarrt und seinen Mangel – den fehlenden Gegenstands- und Inhaltsbezug – als besonderen Vorzug anpreist (das Sein ist der Geburtsfehler der Philosophie; es gehört zu einer Sprache, die die Barbaren ausschließt, während die reflexive Hereinnahme der Fremden – der „Hebräer“: der „Fremden im Lande“ – das Sein ausschließt: wodurch unterscheidet sich die hebräische Sprache von der kanaanäischen? Vermutung: durch die Kraft der Identifikation mit den Fremden?).
Das Problem der Terrorismus-Bekämpfung (insbesondere der Verfahren gegen die raf, gegen Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung“) liegt darin, daß das Objekt einerseits als Feind deklariert wird, andererseits aber die Verfahren im Rahmen des Rechts (durch Urteil und Strafe) abgewickelt werden sollen. Die Feinddefinition müßte eigentlich (wie im Weltanschauungskrieg gegen das „bolschewistische Russland“ oder in der „Endlösung der Judenfrage“) auf Krieg und Vernichtung hinauslaufen; dieser Weg ist aber durch die Systematik und Logik des Rechts versperrt. So stehen die damit befaßten Institutionen – von GBA und BKA bis zu zuständigen Strafsenaten und den Vollzugseinrichtungen („Hochsicherheitstrakt“) vor der unlösbaren Aufgabe, ihre Ziele mit Mitteln zu erreichen, die eigentlich nicht dafür gedacht und geeignet sind. Zugrunde liegt die heute immer deutlicher hervortretende Problematik der Bekenntnislogik: dazu gehören u.a. der Feind und der Verräter; und nur für letztere (z.B. für Sympathisanten) ist das Instrument des Strafrechts geeignet, nicht jedoch für den „inneren“ oder „äußeren Feind“. So war denn auch die Anpassung des Strafrechts an diese Problemlage nicht ohne substantielle Eingriffe in die Grundsätze eines fairen Verfahrens und in die Rechte der angeklagten und verfolgten „Feinde“ möglich. Es gehört zur Signatur des Zeitalters, daß beide nicht mehr sich trennen lassen (der in Rußland bekämpfte äußere Feind war zugleich Repräsentant des inneren: des Kommunismus und der Juden; und der im Inneren bekämpfte Terrorismus ist Repräsentant der Außenwelt (der Dritten Welt in jeder Version), von der man sich in der Substanz bedroht weiß aufgrund der nicht mehr zu verdrängenden Schuldbeziehungen (Zusammenhang mit der Gemeinheitsautomatik?).
Der Gebrauch des Feindbegriffs im Rechtsverfahren ist der klassische Befangenheitsfall; dagegen sollten die Unschuldsvermutung und das Verbot der Vorverurteilung schützen, die hier (wie im alten Inquisitionsverfahren, aus dem die Instrumentarien stammen) generell außer Kraft gesetzt sind.
Der Feind ist das apriorische Objekt der Wut, ohne die es die Komplizenschaft des Bekenntnisses nicht gibt: die Furcht vor dem Verrat des Betrugs, der List, die in jenem Bekenntnis steckt. Deshalb gibt es das Gebot der Feindesliebe: als Chance, dieses Dunkle im eigenen Innern aufzuarbeiten.
Der Himmel, der sich wie eine Buchrolle aufrollt: ist das nicht ein Hinweis sowohl auf den Ursprung der Schrift, als auch auf ein Konstruktionselement der Astronomie (den Zusammenhang von Schrift und Astronomie)?


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