Gegen die Frankfurter Schule: Das Privileg des Opfers ist nicht übertragbar. Übertragbar ist (insbesondere in der Philosophie) nur die Schuld der Väter. Die Tradition auf dem eigenen Rücken weiterbefördern heißt auch: alles tun, daß man die eigene Schuld nicht auf die Nachfahren abwälzt: daß man ausbricht aus dem Kontinuum der Schuld der Väter.
Väter wollen den Erben, Mütter den Messias, den Erlöser. Väter wollen, daß die Hoffnung nicht untergeht, Mütter, daß sie sich erfüllt. Alles andere ist Ausdruck der objektiven Verzweiflung, deren Verkörperung die Welt ist.
Aus der Schuld der Väter heraustreten heißt, aus dem Schuldzusammenhang des Erbens heraustreten. Nicht der letzte Erbe, sondern der Erstgeborene (der erst als letzter kommt) ist Prototyp des Messias.
Jakob hat zwar das Erstgeburtsrecht und mit ihm den Segen seines Vaters Isaak bekommen, aber nicht das Erbe (das Linsengericht war nur der Preis für das Erstgeburtsrecht).
Das Erbe perpetuiert mit der Eigentumsordnung die Welt. Diese Eigentumsordnung (und in ihr das Erbe) ist das Modell der Natur, die die Menschen „überlebt“ (des sinnlosen Kreisens der Planeten).
Der Sohn ist der Erbe: daher die Namen des Gottes- und Menschensohnes? Vgl. auch das Gleichnis vom Besitzer des Weinbergs (Mt 1138, Mk 127, Luk 2014, auch 1213), sowie
– Röm 413 (der Welt Erbe),
– Gal 47 (wenn aber Sohn, so auch Erbe),
– Hebr 12 (der Sohn als Erbe aller Dinge) und 117 (durch ihn verurteilte er die Welt und wurde Erbe der Gerechtigkeit).
Vaterland und Muttersprache unterscheiden sich wie Erbschaft und Erlösung.
Der Spruch „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“ ist in der Tat ein Nazispruch.
Hängt das Wort Erben etymologisch mit der Personalpronomen der dritten Person sing. masc. zusammen: dem Er? Wird man nicht durchs Erbe zu einem Er, zu einem Stammhalter (Aufhebung des dialogischen Prinzips)?
Gibt es auch etymologische Beziehungen, die die These begründen könnten, daß das lateinische esse sich im deutschen Essen fortsetzt, das griechische einai, on, im deutschen ein (engl. a bzw. one, lat. unum)? Verweist der Zusammenhang von esse und Essen auf die ontologische Bedeutung der Eucharistie? Gibt es eine Beziehung zwischen dem englischen to be und dem deutschen Präfix be- (vgl. auch become = werden)? Das würde bedeuten, daß im Präfix be-, insbesondere im Wort Bekenntnis, die Reflexion auf das Sein als Angelpunkt der Urteilsform enthalten ist (das Schuldbekenntnis als Antizipation des Urteils; im Bekenntnis macht sich das bekennende Subjekt zum Objekt des Urteilsspruchs: im Glaubensbekenntnis in der Erwartung des Freispruchs, der Rechtfertigung).
Verweist die Differenz zwischen dem englischen to be und dem deutschen Sein nicht auf die fundamentalontologische Differenz von Vorhandenem und Zuhandenem (Grund der Differenz von Natur und Welt)? Müßte man nicht zwischen einem (deutschen) Weltbegriff, einem (französischen) Wissensbegriff und einem (englischen) Naturbegriff der Ontologie unterscheiden? Diese Unterscheidung hängt zusammen mit der zwischen dem besitzergreifenden Prädikat und dem besessenen Objekt. Die Natur ist die von der Welt besessene Schöpfung.
Ist das Bekenntnis (in dem sich das Subjekt zum Objekt seines verdinglichten Glaubens macht) eine Gestalt der Besessenheit, und ist es nicht das Signum des einen unreinen Geistes, der in die Wüste geht? Die Ontologie ist der unreine Geist in der Wüste, im Begriff, mit den sieben unreinen Geistern zurückzukehren.
Steckt im Präfix er- (Erkennen, Erleben) auch das Personalpronomen der dritten Person sing. masc.? Aber bedeutet das nicht auch, daß die patriarchalische Struktur der Sprache bis in ihren Grund zurückreicht? Das Präfix er- hat auch die Bedeutung des „durch und durch“, Ausdruck der Affizierung des Subjekts (im Urteil) durch das Verb vom Grunde her bis ins Innerste hinein. (Hängen esse und Essen mit der dritten Person sing. neutr. zusammen? Gibt es nicht überhaupt eine merkwürdige innere Beziehung des Masculinum und Neutrum, ähnlich der Beziehung der zwei Seiten eines Blattes?)
Der Begriff ist Ausdruck der Besessenheit des Objekts durchs Prädikat. Die Theologie wird erst dann wahr, wenn sie auf die verdinglichende Gewalt der Objektbeziehung verzichtet: in der Auflösung jener Gestalt des Wissens, zu der auch der Begriff des Objekts gehört, d.h. wenn sie reines Wort wird. So tief reicht der Satz aus der Apokalypse, daß das Vergangene (als Inbegriff aller Gegenstände des Wissens) nicht mehr sein wird. Die Theologie wird erst wahr mit der Auferstehung der Toten. Im Objektbegriff (in dem von der Welt besessenen Naturbegriff) verkörpern sich die „Sünden der Welt“, und der Objektbegriff und das System, in dem er gründet, sind der Deckel auf den Gräbern. Natur selber ist der Inbegriff der Besessenheit.
Im Kontext des Weltbegriffs ist die Lehre von der Auferstehung der Toten nicht zu halten; beide verhalten sich wie Feuer und Wasser: Es ist Zeit, daß der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt.
Der Weltbegriff ist vorbedeutet im Bilde der Sintflut; deshalb beginnt die Philosophie mit dem Satz: Alles ist Wasser. Und deshalb war es der Wunsch der unreinen Geister, in die Schweineherde zu fahren, die dann sich ins Meer stürzte.
Der Jordan ist der Fluß, der vom Meer zum Meer fließt: vom Galiläischen Meer zum Toten Meer. Am Jordan hat Johannes getauft (und mit der Aufforderung zur Buße: zur Umkehr, vor dem Schicksal Sodoms gewarnt); das Wirken Jesu fand im Bereich des Galiläischen Meeres und auf ihm statt. Kommt auch das Tote Meer im NT vor (oder nur im AT im Zusammenhang mit der Geschichte von Sodom)?
Das Tote Meer ist das Salzmeer: vos estis sal terrae. Wozu braucht die Erde das Salz? Und was bedeutet der Hinweis „Wenn aber das Salz schal wird“?
Mt 1624: Das Auf-sich-Nehmen des Kreuzes im Nachfolgegebot wird durch das gleiche Verb bezeichnet wie das Auf-sich-nehmen der Sünden der Welt in Joh 129. Und Mt 1626: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele“; die ganze Welt ist to kosmos holon, die Sünden der Welt sind täs hamartias tou kosmou.
Das Auf-sich-Nehmen der Sünden der Welt begründet beides: das Sündenvergeben und die Austreibung der Dämonen (der unreinen Geister).
07.11.92
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