8.5.1994

Die theologische Tradition hat Joh 129 durch die Pluralisierung der Sünde der Welt neutralisiert; durch das Verb „Hinwegnehmen“ hat sie das Wort des Täufers zu einem Instrument der Projektion und des Schuldverschubsystems gemacht; so ist es zum Prinzip der Selbstzerstörung und zur Quelle der Greuel der Verwüstung geworden.
Berufung im Mutterschoß (bei Jesaias und Jeremias, auch in der Jesus-Geschichte): Ist das die Berufung aus der Gebärmutter, aus der Barmherzigkeit. Macht der Barmherzige sich zum Mutterschoß Gottes, und hängt das zusammen mit dem „in Schmerzen wirst du gebären“ und dem Begriff der messianischen Wehen? „Abgewichen sind die Gottlosen vom Mutterschoße an, es irren vom Mutterleibe an die Lügenredner.“ (Ps 584)
Ist die „Rechte Gottes“ seine Gebärmutter (der Ort der Barmherzigkeit)? Beziehen sich hierauf (auf den zur Rechten sitzenden Sohn) die messianischen Wehen?
Es ist die Barmherzigkeit, die die Prophetie auf die Aktualität verweist, und unbarmherzig geworden ist die Philosophie durch den Begriff, durch dessen Beziehung zur Zeit, die in der Löschung der Aktualität durch die Beziehung zum tode ti gründet.
Karl Thieme, der darauf hingewiesen hat, daß Hitler nicht der Antichrist gewesen sei, wohl aber die Generalprobe, war der einzige, der in den 50er Jahren eine Umfrage einer katholischen Monatszeitschrift (Wort und Wahrheit) zum Thema „Heiligung der Welt“ mit dem Hinweis auf die Gegenstandslosigkeit dieses Worts beantwortet hat: Es gibt nur die Heiligung des Gottesnamens, aber keine „Heiligung der Welt“. In der jüdischen Tradition war das Motiv der Heiligung des Gottesnamens mit der Idee des Martyriums, der Zeugenschaft, verbunden: der Zeugenschaft eher für die göttliche Barmherzigkeit als für das Gericht, und wenn für das göttliche Gericht, dann für ein Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht und seine in der Regel christlichen Repräsentanten.
Ist dieses Zeugnis nicht das Zeugnis, mit dem der Vater und der Sohn sich wechselseitig bezeugen?
Kritik der Metzgertheologie: Die Erlösungsbedeutung des Bluts, die Reinigung der Seele im Blut des Erlösers, darf nicht biologistisch verstanden werden, sie gründet vielmehr im Kontext der Nachfolge, im Kontext der Idee der Blutzeugenschaft, des Martyriums (in unserm Anteil an den messianischen Wehen). Dagegen gründet die Metzgertheologie in dem Theologumenon, daß Jesus die Welt entsühnt habe (mit dem zugehörigen Erfüllungskonstrukt: daß in ihm die Prophetie sich erfüllt), in dem gleichen Zeitverständnis, das auch dem Inertialsystem zugrunde liegt und durch den Begriff einer absoluten Vergangenheit die Exkulpation an die Welt delegiert: den Weltbegriff als Grund des Begriffs und des gesamten Objektivationsprozesses konstituiert. Die Opfertheologie wird in der gleichen Bewegung magisiert, in der die Prophetie (oder die Idee einer Theologie im Angesicht Gottes) durch Historisierung neutralisiert wird.
Nur wenn ich den Weltbegriff zur Grundlage mache, kann ich die Vergangenheit zum Steinbruch für meine Phantasiekonstruktionen machen, kann ich mir eine religiöse Kuschelecke in einer Welt, die ich doch nicht ändern kann, einrichten.
Der Name des Menschensohns enthält auf einen doppelten Hinweis:
– Er bezeichnet den Sohn Adams, den, der die Sünde Adams als sein Erbteil auf sich nimmt; und
– er ist antitotemistisch: am Anfang der Ahnenreihe steht kein Tier, kein Behemoth und kein Leviathan, sondern der Mensch.


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