Zwischen der Prophetie und der Apokalypse, dem Taumelbecher und dem Unzuchtsbecher, liegt die Trennung von Natur und Welt, die logische Gewalt des Urteils, die ödipale Polarisierung der Geschlechter: liegt die griechische Sprache.
Vor dem Ankläger gibt es Geheimnisse (Dinge, die man verbergen möchte), und der Ankläger hat Geheimnisse zu verteidigen (deshalb heißt in Deutschland der Ankläger Staatsanwalt). Korrespondiert nicht der Begriff der Tiefe dem des Geheimnisses, beziehen sich nicht beide auf das, was unten ist, ist die Tiefe die Finsternis über dem Abgrund?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Bastionen der Welt in dem im Prozeß der fortschreitenden Naturbeherrschung unterworfenen und besetzten Feindesland Natur.
Im Griechischen lautet der mit „Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“ übersetzte Satz im Jakobusbrief (213): katakauchatai eleos kriseos (katakauchaomai – tue groß, brüste mich; eleos – Mitleid, Erbarmen; krisis – Gericht, Richten; Urteil). Ist die Erinnerung an den Triumph in der Übersetzung des griechischen Textes der Sache eigentlich angemessen?
Mein ist die Rache, spricht der Herr: Ist Seine Rache nicht die Barmherzigkeit, die den Tätern (wie den Ägyptern das Opfer, das die Israeliten dem Herrn in der Wüste bringen wollten) ein Greuel ist?
Es gibt Weisheit und Einsicht, aber zum Denken gibt es im Hebräischen keine Entsprechung. Das Denken (die Sache und der Begriff) entspringt gemeinsam mit dem Natur- und dem Weltbegriff. Das Denken ist ein Reflex der Herrschaftsorganisation des Staates, an der es sich spiegelt und sich den Kopf einrennt (die Mathematik ist die dunkle Sprache und das verstockte Herz, die harte Stirn und das harte Angesicht – Ez 37ff).
Der Begriff ist über der Sache und außerhalb der Sprache; er unterdrückt die Dinge und beutet sie aus, indem er sich die Sprache zum Feind macht, während der Name in der Sache und in der Sprache zugleich ist.
Das erste Kapitel von Jessica Benjamin beschreibt eine Sphäre, in der Sprache, Sache und Gemeinschaft noch ungetrennt und eins sind. Dann springt sie gleich über ins Erwachsenendasein; die ganze Geschichte der Vergesellschaftung, der Initiationsriten, zu der heute insbesondere die Schulerfahrung der Kinder gehört, bleibt unreflektiert.
Psychologie liefert keine Handlungsanweisungen, sondern Reflexionshilfen; wer von ihr Rezepte erwartet, den richtet sie.
„Des vielen Büchermachens ist kein Ende …“ (Koh 1212 – vgl. auch Kafkas Landarzt: Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt, es ist nicht wieder gutzumachen): Habermas und Drewermann sind Beispiele dafür, daß der Umfang von Büchern auch ein Maß für die Rechtfertigungszwänge sein kann, denen sie ihre Existenz verdanken.
10.1.1997
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