10.7.1995

Die Bekenntnislogik
– ist ein Produkt der Vergesellschaftung von Herrschaft,
– sie instrumentalisiert die Religion, macht sie zur Religion für andere,
– sie verhindert damit apriori die Gotteserkenntnis.
Die Bekenntnislogik und der Weltbegriff begründen sich wechselseitig, zu ihren Ursprungsbedingungen gehören die Unfähigkeit zur Herrschaftskritik und eine rigide Sexualmoral, die die Stelle einnimmt, die die Herrschaftskritik zuvor geräumt hat (Produkt der Umkehrung des Schuldbekenntnisses). Die Bekenntnislogik ist der Kern eines jeden Fundamentalismus.
Die Bekenntnislogik entspringt in der Umkehrung des Schuldbekenntnisses (im Rechtfertigungszwang, in der Apologetik), einem Verfahren der Instrumentalisierung, sie begründet, indem sie das Schuldbekenntnis instrumentalisiert, es reversibel und so technisch beherrschbar macht, das Schuldverschubsystem: An die Stelle des wirklichen Adressaten der Barmherzigkeit oder der Versöhnung: des Armen, des Fremden, des Geschädigten, des Opfers, des „Schuldigers“, tritt eine kollektive Instanz, die Kirche, die Nation, eine Partei, ein Verein.
Die Bekenntnislogik erzeugt (durch Umkehrung der Logik des Schuldbekenntnisses) ihren eigenen Inhalt: Das christliche Dogma (die Opfertheologie, die Christologie und die durch beide definierte Trinitätslehre) ist ihr konsequentester Ausdruck, gleichsam der apriorische Inhalt ihrer transzendentalen Logik.
Das Christentum hat die Bekenntnislogik weder erfunden, noch hervorgebracht; es war ihr erstes, allerdings zugleich auch paradigmatisches Opfer.
Das Substantiv (Grab des gekreuzigten, gestorbenen und begrabenen „Wortes“, Repräsentant der Geschichte des Opfers und Realsymbol der Schuldknechtschaft in der Sprache) oder die Schrift als Spiegel der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen (vgl. Grammatologie, S. 208).
Wenn der Name der heilige Ort ist, dann ist das Substantiv der Greuel am heiligen Ort. (Haben männlich und weiblich etwas mit Begriff und Namen zu tun?)
Hat der „hebräische Sklave“ im Dt und bei Jer etwas mit der „hebräischen Schrift“ zu tun?
Die Dornen und Disteln symbolisieren zusammen mit dem „Gesetz der Profangeschichte“ die Logik der indoeuropäischen Sprachen, der Herrschaftssprache. (Haben nicht auch die Nahrungsgebote einen sprachlogischen Sinn?)
Sprachlogisch begründet die creatio mundi ex nihilo das Gewaltmonopol des Staates, seine „Allmacht“ (die jüdische Religion ist nicht „monotheistisch“, der Monotheismus ist der Erbe der Idolatrie mit universalem Anspruch).
Das Zugrundeliegende ist das Unterworfene (das Objekt der heideggerschen Geworfenheit), es ist reines Substrat von Herrschaft (der Gekreuzigte).
Bieten, beten, bitten: Verbot und Gebot leiten sich her vom Verbieten und Gebieten. Drückt nicht in den Präfixen ein Gestus sich auch?
– Das Präfix ge- bezeichnet den Gestus des Gewährens, des Schenkens;
– be- drückt das Handeln der Welt am Objekt aus: seine Veranderung, seine Verweltlichung;
– ver- ist der Gestus der Vernichtung, der Annihilierung (der „Reinigung“ im Sinne der chemischen Reinigung, der Herstellung von Laborbedingungen, oder auch ihrer gesellschaftlichen Entsprechung: der Subsumtion unter die Verwaltung);
– er-, wie in Erscheinung, Erzeugung, der Gestus des Hervorrufens;
– zer- annihiliert nicht nur, sondern zerstört, zernichtet, zerlegt: es beschreibt das Töten als Produktion von Materie (paradigmatisch ist die Ersetzung des Geistes durchs Gehirn in der herrschenden Sprache, Verkörperungen des zer- sind Institutionen wie Anatomie, Schlachthaus, Konzentrationslager).
Hat nicht die kopernikanische Wende das „prasselnde Feuer“ entzündet, in dem nach dem 2. Petrus-Brief (310) am Ende die Himmel vergehen werden (ist die kantische Philosophie der brennende, die Hegelsche der ausgebrannte Dornbusch)?
Zum Begriff der Blasphemie: Mit den Scheiterhaufen hat das Christentum (als Agent der Welt) den brennenden Dornbusch in eigene Regie übernommen.


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