Die Vorstellung des unendlichen Raumes macht das Chronologie-Problem unlösbar und die Schuld unaufhebbar (die Nachfolge im Sinne von Joh 129 unmöglich). Mit seiner Vergöttlichung wurde Jesus erschlagen. Hängt der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs nicht damit zusammen, daß das Kreuz zu einem affirmativen Symbol geworden ist, und ist nicht das Kreuz selbst das Symbol der Welt? Dann aber wäre Joh 129 nur eine andere Fassung des Nachfolgegebots und im wesentlichen nicht davon unterschieden. Das Kreuz auf sich Nehmen und das die Sünden der Welt auf sich Nehmen ist eins.
Erläutern sich Joh 129 und das „ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe, darum seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ nicht gegenseitig?
Drückt nicht im Titel Herrenbruder ein Stück Kritik an der Herrschaftsmetaphorik im Dogma von der Göttlichkeit Jesu sich aus? Waren die Verfasser des Jakobus- und des Judasbriefes Brüder des Herrn? Welche Bewandnis hat es überhaupt mit den Herrenbrüdern, die (als Herrenbrüder) erst nach Ostern zu den Jesus-Jüngern kommen?
Wenn man im Satz Wittgensteins „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ den Fall mit Sündenfall übersetzt, dann kommt man dem nahe, was in Joh 129 mit „Sünden der Welt“ bezeichnet wird.
In der verhängnisvollen deutschen Staatsmetaphysik steckt finsterstes Hegelsches Erbe: Hier wird der Staat zum Subjekt gemacht und das Subjektlose, der Gemeinheitskern, das durch Umkehr zu humanisierende, verdrängt. Das wird nirgend deutlicher als in der sehr deutschen Institution des Staatsanwalts (auch in der des „Kanzlers“?).
Ist nicht der Ausländerhaß ein nach außen gewendeter, projektiv instrumentalisierter Selbsthaß, der seine Wurzeln insbesondere in der deutschen Staatsmetaphysik hat?
Was hat es zu bedeuten, wenn nach dem Aufdecken der Blöße des Vaters durch Ham nicht er selbst, sondern sein Sohn Kanaan zur Knechtschaft verdammt wird?
Zum Taumelbecher und zur Trunkenheit:
– Hegel zufolge ist im Absoluten kein Glied nicht trunken;
– diese „Trunkenheit“ ist ein zwangsläufiges Zivilisationssyndrom, nur durch Verdrängung (unter Mithilfe realer Trunkenheit) zu ertragen;
– sie erlaubt und erzwingt es, erinnerungslos zu leben; dazu ist der Alkohol als Zivilisationsdroge unentbehrlich;
– deshalb ist Trunkenheit zugleich gewaltfördernd und schuldmindernd.
Hängt es hiermit zusammen, wenn im Josephs-Roman der Mundschenk des Pharao wieder in seine Rechte eingesetzt wird (dem Pharao den Becher reicht), der Oberbäcker hingegen gehängt wird (nachdem die Vögel des Himmels das Gebäck im Korb für den Pharao fressen)?
Drückt nicht in der Anerkennung der Trunkenheit als Strafmilderungsgrund auch ein Stück deutscher Staatsmetaphysik sich aus?
Ist nicht die Natur das Sklavenhaus, und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der Beginn des Exodus? Und liegt nicht der Ursprung des Weltbegriffs im Turmbau zu Babel? Die babylonische Gefangenschaft ist etwas anderes als das Sklavenhaus in Ägypten.
Ist nicht die Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele eigentlich die Vorstellung der Unsterblichkeit der Schuld? Und bezeichnet der Begriff der Seele nicht das Trägheitsmoment im Subjekt, mit dem Gefühl als Schwerkraft?
Zum Problem der Wand siehe
– Sauls Attentate auf David (1 Sam 1811, 198 und 2025),
– Hiskijas Reue (2 Kön 202, Jes 382) und
– die Schrift an der Wand: das „Mene mene tekel u-parsin“ bei Daniel (55ff).
Ursprung des Begriffs „Sodomie“: geht es hier um den realen Verkehr mit Tieren oder um den unzüchtigen Verkehr mit dem Behemoth, dem apokalyptischen Tier, und sind in dieser Version nicht die die Nazis und ihre Erben die wirklichen Sodomiten (die, die das Antlitz des Hundes tragen)?
Ist es nicht das steinerne Herz, das das Antlitz zum Antlitz des Hundes macht, Und fällt nicht der Ursprung des Antlitzes des Hundes in die Geschichte des Weltbegriffs (Babylon stand unterm Symbol des Hundes, Ägypten unter dem der Katze)?
Was war das Schilfmeer? Nach Reclams Bibellexikon
– der Golf von Akaba, der Nordostarm des Roten Meeres (1 Kön 926, Jer 4921), andere Versionen in
– Ex 1019: der Golf von Suez,
– 1320: bei den Bitterseen, nördlich des heutigen Suez, und
– 142.9: am Sirbonischen See, nordwestlich von den Bitterseen.
Der Verblendungszusammenhang, der das Ganze der Erscheinungen und mit ihm die Begriffe Natur und Welt überhaupt erst konstituiert, gründet in den subjektiven Formen der Anschauung. Die transzendentale Logik, wenn man sie affirmativ und nicht als Grundlage der Erkenntniskritik begreift, bezeichnet den Grund und den Inbegriff des Herrendenkens.
Die Buße ist das Umdenken im Banne des Herrendenkens: die Umkehr als Erscheinung.
Sakramente waren beim Augustinus noch das Symbolum und das Herrengebet (das Kreuzzeichen, das Salz, die Exorzismen, die Anhauchungen, das Bußgewand, die Kopfneigungen, das Ausziehen der Schuhe und die übrigen Riten des Katechumenats und der Kompetentenzeit, die Osteroktav, die Handauflegung, die Rekonziliation, das große Fasten, die geistlichen Gesänge etc.), aber auch die Taufe, die Buße, „die Feier des Leibes und Blutes des Herrn“ und die „Ölsalbung“ (van der Meer, S. 296): eigentlich die ganze symbolische Selbstdarstellung des Christentums in der unerlösten Welt; erst im Mittelalter kristallisierte sich (zusammen mit den innerkirchlichen Reformen: Zölibat, Einführung der Ohrenbeichte u.a.) die Siebenzahl der Sakramente heraus: Taufe und Firmung, Buße und Eucharistie, Priesterweihe und Ehe und schließlich die Krankenölung. Interessant wäre eine Geschichte der Sakramente (im Kontext einer Geschichte der Liturgie), in der insbesondere ihre Beziehung zur Geschichte der Herrschaft und des Weltbegriffs, zur Geschichte von Staat, Recht und Philosophie, herauszuarbeiten wäre (Basis und Medium der Islamisierung der Kirche und der Theologie, Kern des kirchlichen Erlösungsbegriffs: Nutzung der exkulpierenden Kraft der theologisierten Philosophie, Ursprung der naturwissenschaftlichen Aufklärung). Aber nach Abschluß der Vergesellschaftung und Verinnerlichung von Herrschaft: erweisen sich jetzt nicht die sieben Sa-kramente als die sieben Siegel der Apokalypse (neue Theologie der Sakramente)?
Nicht die Philosophie als Magd der Theologie, sondern die Theologie als Magd der Philsophie, als Instrument der Absicherung ihrer zivilisationsbegründenden Kraft, war das Organisationsprinzip der Orthodoxie und der Kirchenbildung seit den Ursprüngen des kirchlichen Christentums.
11.02.93
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