12.11.87

Welche Last bürden wir der Nachwelt (unseren Kindern) auf, wenn wir weiterhin ein Welt- und Selbstverständnis aufrechterhalten, dessen letzter Zweck die Selbstentlastung ist, die zwanghafte Selbstrechtfertigung und Selbstfreisprechung, die auch die Religion in ihren Dienst nimmt, sie ebenso blasphemisch wie selbst- und weltzerstörerisch instrumentalisiert. Diese Folge der unaufgeklärten Aufklärung (und zugleich des nicht aufgearbeiteten Faschismus) ist möglicherweise die auf Dauer verhängnisvollste, da sie vom Ursprung und von der Konstruktion her gegen kritische Reflexion immun ist und nur durch blinde Eskalation (den „Fortschritt“) funktionsfähig erhalten werden kann. Die Geschichte des „Wenn alles in Scherben fällt“ ist noch nicht zu Ende; im Gegenteil: sie scheint jetzt erst wirklich umfassend sich und ihr immanent vorgegebenes Ziel zu begründen. Der Faschismus war wirklich nur eine Generalprobe, und nichts war harmlos an ihm.

(20.12.87) Der gleiche Mechanismus von Abwehr und Verdrängung wirkt offensichtlich (als zwanghafte Wiederholung des Elternverhaltens) mit bei denen, die sich von der bürgerlichen Welt absetzen, ohne eine Alternative zu haben; nur daß hier die Folgen, da sie nach innen schlagen, für die Betroffenen schlimmer sind. Sie sind die eigentlichen Opfer der zweiten Schuld, die sie nicht durchschauen.


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