12.12.92

„Die Götterwelt fungiert als eine völkerrechtliche Instanz, die auf die Einhaltung der Verträge achtet.“ (Assmann, S. 256)
Vertragsbruch als Urmodell der Sünde. (ebd.)
In welchem Zusammenhang stehen im Christentum Kanonbildung und Dogmatisierungsprozeß?
„Das Problem ist für die Wissenschaft das, was die „Mythomotorik“ für die Gesellschaft im Ganzen ist. Das Problem enthält ein Moment dynamischer Beunruhigung. Die Wahrheit ist einerseits problematisch, andererseits wenigstens theoretisch lösbar geworden.“ (S. 288)
Im Kontext des „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ gibt es den anderen, an die Pharisäer gerichteten Satz, wonach sie durch Wissen schuldig werden. Dieser Satz, der auf den Rat hinausläuft, dumm zu bleiben, denn „Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß“, ist böse. Hier liegt der Grund der Verdrängungsmechanismen, der Verdummungsautomatik, die ihre schlimme Wirksamkeit dann entfaltet hat. Hier werden die Dummen heiliggesprochen.
Die systematische Stelle des Naturbegriffs im Stern der Erlösung macht deutlich, welchen Bann er begründet, und daß er nur durch Umkehr, in der der Bann sich löst, auf die Idee der Wahrheit zu beziehen ist.
„Gehet hin in alle Welt“, dieser Auftrag ist nicht nur geographisch, sondern auch begrifflich zu verstehen. Er bezieht sich auch auf die Apperzeption und vollständige Durchdringung der weltkonstituierenden Philosophie.
Staub, Schmutz und Abfall sind Kategorien der Xenophobie. (Hat der Name der Hebräer etwas mit dem Fluch über Adam und die Schlange, mit dem Staub, zum dem Adam wird und den die Schlange frißt, zu tun? Wird nicht die Erinnerung an das „Staub bist du, und zu Staub wirst du wieder werden“ zur Selbstbezeichnung? Als Hebräer aber sind sie Nahrung der Schlange. Ist in diesem Licht nicht die Schlange des Moses, ihr Kampf mit den Schlangen der Zauberer des Pharao, die erhöhte Schlange, zu sehen? Wann wurde die Schlange aus dem Tempel entfernt? – Wird im Christentum der Benennende und Fressende: Ägypten, die Philister, auch Holofernes ins hebräische Subjekt mit hereingenommen; ist das der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge vorübergehen; und drückt sich das im Kreuzestod, dem ambivalentesten Symbol des Christentums, für das das „Ein Gehenkter ist ein Fluch Gottes“ – 5 Mos 2123, Gal 313 – weiterhin gilt, aus? – Vgl. auch Hebr 1126, 122, 1313)
Der Weltbegriff macht die Schande (das Aufdecken der Blöße) allgemein, das Christentum macht sie reflexionsfähig: es relativiert die Schande, die Schmach, befreit die Menschen von ihrer Gewalt (das Kreuz ist Grund der Ästhetik, aber selbst kein ästhetisches Objekt; Beziehung der Schande zur Sexualmoral): Schande wird reflexionsfähig durch Übernahme der Sünde der Welt.
Hat der Name des Petrus etwas mit den drei Leugnungen zu tun, mit dem „Von allen Seiten von außen“ und der Hilflosigkeit dagegen, (Genesis der Verdinglichung, Versteinerung)?
Gethsemane, und nicht die Todesangst, wäre der Anfang einer christlichen Theologie, die dem mit dem Stern der Erlösung gesetzten Anspruchsniveau genügt.
Vorweihnachtliche Unzufriedenheit: omna animal post coitum triste.
Der Begriff unterscheidet sich vom Namen wie das Zeitlose vom Ewigen. Das Zeitlose gilt zu aller Zeit, das Ewige besteht zu keiner Zeit, außer „Heute, wenn ihr meine Stimme hört“. Das Zeitlose ist bis zur Strangulierung verstrickt in die Zeit, nur das Ewige bringt die Luft zum Atmen.
Das jesuanische „Die Blinden sehend machen“ sollte nicht verwechselt werden mit dem „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“. Gegenstand der erlösten Erkenntnis ist nicht die Nacktheit, sondern das Angesicht.
Es gibt eine Vergöttlichung Jesu, die ihn gleichsam stillstellt, unschädlich macht. Sie hat mehr mit dem Binden zu tun als mit dem, was in seinem Munde Bekenntnis hieß.
Gehört es mit zum Providentiellen in der deutschen Sprache, daß in ihr der Name der Taube an den der Taubheit anklingt (mit der Konnotation des Doven)?
Mit scheint, die Abtreibungsdiskussion hängt strukturell mit der Xenophobie zusammen. Innerkirchlich implodiert in der Abtreibungsdiskussion die Sexualmoral, Folge ihrer unaufgeklärten Beziehung zum theologischen Weltbegriff und seiner Verflochtenheit in die reale Geschichte (Zusammenhang mit der unaufgearbeiteten Frauenfeindschaft und dem Zölibatsproblem und mit den drei ungelösten Vergangenheitsproblemen: Antisemitismus, Ketzer- und Hexenverfolgung).
Lippen und Zunge, Phallus und Vagina: Weshalb heißt das Lippenbekenntnis Lippenbekenntnis?
Ist nicht heute die Nutzung der Welt als Exkulpationsmaschine die Wand, die uns von Auschwitz trennt, und der Grund der Unfähigkeit, Auschwitz und seine gegenwärtigen Metastasen wirklich wahrzunehmen?
Zu Metz am 11.12.: Die Verwechslung der Empfindlichkeit mit der Sensibilität beharrt auf der unzivilisierten Verletzbarkeit, während die Sensibilität ihrer selbst auch nach Verletzungen noch mächtig bleibt. Die Sensibilität unterscheidet sich von der Empfindlichkeit durch ihr parakletisches Element.
Errettung der vergangenen Zukunft: Siehe hierzu das Gleichnis vom armen Lazarus, der den Reichen darauf hinweist: deine Brüder haben Moses und die Propheten; an die sollen sie sich halten.


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