13.01.91

Zentrale Stellung des Weltbegriffs: Judentum vorweltliche, Islam Welt-Religion, Christentum weltkritische Religion. Die Geschichte der Häresien hängt mit der Geschichte des Weltbegriffs zusammen; der Ursprung der Häresien ist ableitbar aus dem Geburtsfehler des Selbstverständnisses der Orthodoxie, die seit je die Schöpfung mit der Welt verwechselte; hieraus zogen die Häresien seit der Gnosis logisch die richtigen, aber sachlich falschen Konsequenzen. Die Orthodoxie hat seit je die Symptome (die Häresien) unterdrückt anstatt sie (dem Gebot der Nachfolge und der Feindesliebe gehorchend) zum Anlaß zu nehmen, die Schuld der Welt auf sich zu nehmen und die Ursachen der Häresien im eigenen Innern zu suchen. Der projektive Anteil im Kampf gegen die Häresien und in der Geschichte der Ketzerfolgung ist immer verdrängt worden, er lag im blinden Fleck der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit. Die Warnung: „parvus error in principio magnus est in fine“ fiel ins Leere. Mit der Reformation (und Gegenreformation) war die Kraft der Häresienbildung deshalb erschöpft, weil angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung und der korrespondierenden Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung der Wechsel einzulösen war, den die Kirchen im (konstantinischen) Pakt mit der weltlichen Herrschaft (und die Theologie mit der dogmengeschichtlichen Rezeption des philosophischen Weltbegriffs) unterschrieben hatten. Das theologische Herrendenken war selber Ursprung des weltlichen, gegen das die bis dahin verwandten Mittel (der Inquisition, des Banns und der physischen Verfolgung) dann sich als ohnmächtig erwiesen und nichts mehr ausrichteten.
Birgt der Golfkonflikt nicht ein weit größeres Risiko als z.Z absehbar:
– Religionskrieg, der durch die mögliche Anwendung der militärischen Mittel (ABC-Waffen) die Brutalität und die Folgen des letzten „Weltanschauungskrieges“ übertrifft (das Erbe Reagans: Harmaggedon-Phantasien; Auswirkungen auf Israel, Gefahr des arabisch-islamischen Nationalismus)?
– Weiteres Unrecht im Schatten dieses Konflikts (Litauen – Komplizenschaft der Weltmächte: hat es vielleicht sogar Vor-Absprachen zwischen UdSSR und USA gegeben – Preis für freie Hand im Irak)?
– Wirtschaftliche Folgen: Läßt sich die Dominanz der westlichen Industrienationen halten? Sind weitere Grundstoff-Boykotts und Liefereinschränkungen der sogenannten Dritten Welt mit entsprechenden Folgen auf den „Wohlstand“ im Westen auszuschließen (mit absehbaren politischen Folgen im Innern der westlichen Staaten wie auch im zerfallenden Ostblock aufgrund der schwindenden wirtschaftlichen Möglichkeiten)?
– Weitere politische Folgen: nach dem Zerfall des Ostblocks jetzt Zerfall der moralischen und politischen Hegemonie der USA? Neue politische Rolle der EG (mit dem nach der „Einigung“ gewachsenen und infolge der nationalistischen Welle nicht mehr kontrollierbaren Einfluß der BRD)?
– Vorbereitet u.a. durch den Bau der Startbahn West in Frankfurt?


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