13.08.92

Wie hängt der „Schrecken vor euch auf alle(n) Tiere der Erde“ (Gen 92f: nach der Sintflut, im Zusammenhang mit dem Noah-Bund und dem zweiten Nahrungsgebot) mit
– der Erschaffung und dem Segen (Gen 124ff) sowie
– der Namensgebung durch Adam, dem Herrschaftsauftrag und dem ersten Nahrungsgebot (Gen 219f)
zusammen? – Zusammenhang mit der christlichen Eucharistie (Ver-innerlichung des Schreckens)?
Drückt sich in dem Zusammenhang des „Schreckens auf allen Tieren“ mit der Namengebung ein sprachliches Moment aus (Terror als Grund und Teil der Kommunikation; Ausdruck des Schreckens als Grund der Benennbarkeit)?
Der Andere und der Fremde: Der Andere ist das Nicht-Ich, das Objekt, bleibt auf das individuelle Ich bezogen (Asymmetrie von Ich und Du); der Fremde ist fremd für uns, der Angehörige einer fremden Nation, Religion, Rasse, eines fremden Kollektivs („Stämme, Sprachen, Völker und Nationen“). Für das Autonomie-Konzept ist das Problem des Fremden (wie auch der Grund des Antisemitismus) bloß irrational, Folge der Identifikation mit einem Kollektiv, der Heteronomie. Nur: Auch das Autonomie-Konzept ist an eine Gemeinschaftsvorstellung gebunden, an die der Zivilisierten (nur daß hier die Kollektivität durch den Weltbegriff gesichert wird, nicht mehr ins Bewußtsein fällt), wobei die Nichtzugehörigkeit zu diesem Kollektiv als Rückständigkeit und als moralisch-zivilisatorischer Defekt erfahren wird. Unter der Hand werden die Nichtzivilisierten (die Wilden, Barbaren, Muslime, Juden u.ä.) zu den Fremden, auf die der Zivilisierte glaubt, nicht mehr mit Xenophobie reagieren zu müssen, weil er autonom, vernünftig ist; und er glaubt, in diesen Fremden nur deren Unvernunft zu verurteilen, jene Verhaltensweisen, die ihn von der Gemeinschaft der Vernünftigen ausschließen. Aber steckt in diesem Vernunftbegriff nicht schon jene Gewalt als Fundament mit drin, die die Erhaltung der Realität (der nur mit Gewalt aufrecht zu erhaltenden kollektiven Eigentums- und Machtverhältnisse) garantiert, in deren Anerkennung die Vernunft besteht? Und ist nicht der Arme gleichsam vom Grunde her schon unvernünftig, weil seine Interessen in dieser Realität nicht aufgehoben und gewahrt sind? Die herrschende Vernunft der Zivilisierten ist die Vernunft der Herrschaft (und des Gewaltapparats), die die Nichtzivilisierten (ebenso wie die Kinder und in weitem Maße auch immer noch die Frauen) materiell von der Zivilisationsgemeinschaft der Vernünftigen, Erwachsenen ausschließt (und die Forderung nach Aufhebung des Ausschlusses als Materialismus denunziert).
Fremdheit ist ein sprachlicher, Anderssein ein mathematisch-begrifflicher Sachverhalt (setzt die Subjekt-Objekt-Beziehung voraus). Die Differenz zwischen dem Fremden und dem Anderen ist der Schlüssel für die Erkenntnis der Differenz zwischen Sprache und Mathematik, Name und Begriff.
Die Fremdheit (der Ursprung der verschiedenen Sprachen) entspringt beim Turmbau zu Babel (zusammen mit der Idolatrie), die Subjekt-Objekt-Beziehung im Sündenfall.
Das Votum für die Armen und die Fremden definiert die Prophetie, macht sie zur Urform der Herrschaftskritik, während die Philosophie beide stigmatisiert, indem sie die durch den Weltbegriff begründete Verdrängung des Problems zur Geschäftsgrundlage hat.
Der Fremde (der Hebräer) war einmal der Sklave, der Söldner, der Kleinviehnomade.
Die Theologie wird heute verdrängt, weil ihr Anblick unerträglich wäre; hierzu leisten die Kirchen Amtshilfe. Ihr Problem ist nur, daß diese „Amtshilfe“ im Rahmen der „orthodoxen“ Tradition nicht mehr zu leisten, daß die Anpassung an die „ideologiefreie“ Welt (Paradigma: Naturwissenschaften) die Lehre selber angreift und vernichtet.


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