Physik und Sündenfall: Die Erkenntnis des Guten und Bösen gründet im Primat des Prädikats gegenüber dem Subjekt; sie markiert die Genesis der Logik und des Begriffs, der dann, indem er sich auf sich selbst bezieht, als Subjekt sich konstituiert, das Objekt namenlos macht, es für die mathematische Gestalt der Erkenntnis, die sich rein im prädikativen Bereich bewegt, freigibt. Ableitung der instrumentalisierenden Gewalt der objektivierenden Erkenntnis (des Zusammenhangs von Objektivation und Instrumentaliserung und seines Ursprungs in der Idolatrie). In der Instrumentalisierung drückt sich die Trennung von Gutem und Bösem aus, die dann durch Verallgemeinerung (durch die Ablösung von der Beziehung auf „mich“ und die Herstellung der Beziehung zum Allgemeinen, letztlich zum Staat) zur reinen Form der Instrumentalisierung wird.
Hat die Geschichte mit dem „dreimal wirst du mich verleugnen“ mit der Beziehung von Bekenntnis und Raum zu tun?
– Zuerst wird Petrus direkt (von vorn) angesprochen,
– dann wird über ihn (zu seiner Seite) gesprochen,
– schließlich dringen die Umstehenden auf ihn ein (von allen Seiten), hier kommt es zur Selbstverfluchung (Steigerung der Identifikation mit dem Aggressor).
Wer ist die Magd, und wer sind die Umstehenden?
Konzept (Thesen):
– Gott hat Himmel und Erde und nicht die Welt erschaffen.
– Die Welt ist ein Teil des historischen Prozesses, an ihn gebunden und nicht von ihm zu trennen (sie konstitutiert sich als Welt im historischen Prozeß, unter nachvollziehbaren Bedingungen, zu denen auch das „Subjekt“ gehört). Der Begriff der Welt hat außerhalb dieses Prozesses keine Bedeutung.
– Der Begriff der Welt zieht dann als zweiten Begriff den der Natur nach sich; beide, Welt und Natur, sind Totalitätsbegriffe, die in bestimmbaren logischen Beziehungen zueinander stehen und deren Anwendung bestimmten logischen Gesetzen unterworfen ist.
– Grundlage ist der Prozeßbegriff, und zwar sowohl im historischen („Fortschritt“), als auch im juridischen Sinne, im Sinne eines Rechtsverfahrens.
– In diesem Rechtsverfahren bezeichnet der Weltbegriff die Momente der Anklage und des Urteils, die Natur das Objekt des Verfahrens (der Anklage und des Urteils). Anmerkung: in der neueren Kirchengeschichte scheint der Protestantismus die Seite der Welt zu repräsentieren (vgl. die Rechtfertigungslehre, das „pecca fortiter“, die Lehre von der Obrigkeit und den zwei Reichen), der Katholizismus die der Natur (Dogmenverständnis, Sakramentenlehre, die Formen der Schuldverarbeitung, mit der Folge heute, daß der übermächtige Exkulpationstrieb die Identifikation mit dem Aggressor fast unausweichlich macht, zu den kirchlichen Bindemitteln gehört).
Klingt in dem „und viel Vieh“ im letzten Satz des Buches Jona der Name des Behemot an?
Es gibt im historischen Objektivierungsprozeß ein Nebenprodukt, aus dem sich zwangsläufig der Antisemitismus ergibt. Wer vom Taumelkelch des Herrendenkens getrunken hat, kommt zu einem Begriff des Absoluten, in dem kein Glied nicht trunken ist.
Der Gedanke an die Nachwelt, die unser Handeln rechtfertigt oder verurteilt, an die „Geschichte“ als letzte Instanz: das Bewußtsein, daß politsche Taten „historisch“ sind, ist der Antike fremd. Wenn ein neuer Pharao die Denkmäler und Inschriften seines Vorgängers zerstört, dann ist das ein magischer Akt: er will nicht die Erinnerung beseitigen, sondern die gegenwärtige, auch nach dem Tod noch weiterlebende Gewalt eines Rivalen. Und wer sich selbst und seinen Taten ein Denkmal setzt, will überleben, nicht in der Erinnerung der Nachwelt „gerechtfertigt“ sein. Die höhere Warte dessen, der bloß überlebt, ist eine Erfindung des säkularisierten Christentums.
13.11.91
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