14.06.90

Der „Blut und Boden“-Mythos gewann seine Verführungs- und vor allem seine Bindungskraft aus der Verletzung des Inzest-Tabus (der bodenständigen, fremdenfeindlichen Symbiose mit der „Mutter Erde“ galt schon die Anwesenheit „fremden Blutes“ als „Blutschande“): Wer ihn akzeptierte, war Komplize der Urschuld und verloren. Durch die Enthistorisierung des biblischen Sündenfalls zur ubiquitären „j Urgeschichte“ und durch die Einbindung in den psa Mythos wird auch D’s Theologieverständnis in die Nähe des Inzestsyndroms gerückt (den er dann projektiv und stellvertretend in seinem Klerikalismus-Buch kritisiert). Die „falsche Zärtlichkeit“ (vgl. Hegels „falsche Zärtlichkeit für die Welt“), die jede moralische Forderung wegen des darin enthaltenen Schuldvorwurfs abweist, erinnert an die verwöhnende Fürsorge der Mutter, die dem Kind mit der Verantwortung für sich selbst auch die Erfahrungsmöglichkeit und die Freiheit vorenthält. D.’s Freiheit bleibt im Bann des autoritären Denkens (Kriege wird es immer geben; no pity for the poor, außer für die arme Seele, die man selber ist, denn lt. D. ist die wirkliche Armut nicht die materielle, sondern die seelische).

D.’s Problem ist, daß er – aufgrund seiner psa Erfahrung -imgrunde weiß, daß eine Befreiung ohne Verarbeitung der Schuld nicht möglich ist, die Verarbeitung der Schuld heute (nach Auschwitz) jedoch die Verarbeitung der gesamten Natur- und Menschheitsgeschichte (der gesamten Vergangenheit) mit einschließt, das aber ohne wirklich freies (kritikfähiges) Verhalten zur Gegenwart, zu den realen politischen und ökonomischen Mächten nicht möglich ist (der „Mut“ zur Kritik der mythischen Mächte ist dafür nur ein ebenso schlechter wie verhängnisvoller Ersatz).

Kannibalismus und „Eucharistie“? (Erst wenn die Beziehung zum Kannibalismus geklärt ist, …)


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