14.06.91

Zur Struktur des „Falls“ (des/der casus): Die Physik ist nicht einfach die Wahrheit, sondern ein Aggregatzustand der Erkenntnis, der dem der Theologie genau entgegengesetzt ist: Sie kennt von den Deklinationen (den casus) nur noch den Akkusativ (und erst die dazugehörige Erkenntnistheorie den Genitiv, der hier im übrigen indifferent ist gegenüber der Unterscheidung von genitivus subjectivus und objectivus: Grund der Differenz von Genesis und Geltung und der Reflexionsbegriffe; vgl. auch den gen. criminis: Der Genitiv ist Ausdruck einer Schuld- oder Herrschaftsbeziehung, die dann im Akkusativ sowohl vergegenständlicht, verdinglicht, als auch verdrängt wird; der Dativ ist Ausdruck einer Zuwendung, der Gnade: Restitution des Subjekts). Hierauf bezieht sich das „emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae“.
Grammatisch verwandelt das Sein – darin liegt seine „verandernde Kraft“ – jedes Handeln in ein Geschehen, verleiht ihm den Schein der Subjekt- und Schuldlosigkeit, begründet aber eben so den Schuldzusammenhang (begründet die insbesondere in der Verwaltung so beliebten -träger wie z.B. Verantwortungsträger; Grundlage des Personbegriffs: Namensträger; ähnlich ist die Materie „Träger“ ihrer Eigenschaften (Substanz und Akzidenz): Folge der Beziehungen der Dimensionen im Raum, der Beziehung von Orthogonalität und Reversibilität). Das Sein ist der Grund der Verwandlung des Prädikats in den Begriff und der Tod des Verbums (et verbum caro factum est).
Der wirkliche Name, ist nicht der Name, den man hat, sondern der, der – wie in der Kafkaschen Erzählung – sich erst bildet. Vergeblich, wenn nicht verhängnisvoll, ist der Versuch „sich einen Namen zu machen“ (wie Nimrod; er war ein großer Jäger vor dem Herrn und Begründer der großen Stadt).
Die Physik ist nicht die Sünde wider den Heiligen Geist, aber die bis heute stärkste Absicherung der Verführung dazu.
Hat das Fronleichnamsfest nicht etwas von einem barbarischen Triumphzug?
Zum Begriff der Gottesfurcht: Wir alle haben die ganze Gesellschaft als verinnerlichte Kontroll- und Zensurinstanz im Kopf. Daran müssen wir uns abarbeiten, um an den Punkt herzukommen, an dem wir in der Gottesfurcht, im Angesicht Gottes, uns wiederfinden. Das ist der einzige Punkt, von dem aus wir diese verinnerlichte Kontrollinstanz zu kritisieren und zu durchschauen in der Lage sind. Auf dieser Basis läßt sich die Adornosche Philosophie als der bis heute genaueste Ausdruck der Gottesfurcht begreifen.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie