Nach dem Sohar sind Tohu und Bohu der Abgrund (mit der Finsternis darüber) und die Wasser (über denen der Geist Gottes brütet).
Die Kirche ist das steinerne Herz der Welt; aber garantiert dieses steinerne Herz, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen? Vgl. Ranke-Graves: Hebräische Mythologie, S. 52f.
Adorno hat einmal festgestellt, daß Philosophie heute deshalb von den Studenten nicht mehr verstanden werde, weil sie aus jedem Satz nur noch heraushören, wofür oder wogegen er sei. Ich glaube, das drückt aufs genaueste aus, was das Bild vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen im Zusammenhang mit dem Sündenfall bezeichnet.
Der gordische Knoten war der Knoten, mit dem das Joch an die Deichsel des Ochsenkarrens gebunden war. Was ist das Joch, und was ist die Deichsel?
Man kommt der Sache näher, wenn man die transzendentale Logik, den transzendentalen Apparat insgesamt, als eine Gottesfurcht-Vermeidungs-Maschine begreift. Zentrale Bedeutung bei dem Versuch, das zu reflektieren, hat der Weltbegriff.
Die Idee der Schöpfung ist eine apokalyptische Idee. Das transzendentale Subjekt muß sich über den unendlichen, tantalischen Prozeß an das unerreichbare Ende der Zeit setzen, um die Vergangenheit als Totalität und sich als Subjekt (d.h. die Welt als Deckel auf der toten, vergangenen Natur) konstituieren zu können. Das Instrument, mit dessen Hilfe das allein gelingt, ist die Mathematisierung des Raumes (die Reversibilität der Richtungen und die Orthogonalität ihrer Beziehungen); das impliziert die Vernichtung der Schöpfungsidee und hat die Konstituierung des Objekt- und Materiebegriffs zur Folge (das „Staub bist du, und zu Staub wirst du wieder werden“, zu dem gleichen Staub, den die Schlange frißt, von dem sie sich nährt: das Objekt steht in einer – durch das Ende der Zeit vermittelten – orthogonalen Beziehung zum Begriff; Orthogonalität als Kern der Urteilstheorie, Zentrum der Ontologie und der Orthodoxie, Grund der „verandernden Kraft des Seins“). Vorbild dieser ebenso verhängnisvollen wie skandalösen Erkenntnisbegründung ist die Dogmatisierung des Bekenntnisses (und ihres Kerns: die Entfaltung der Trinitätslehre, der Christologie und der Opfertheologie), die Begründung der Orthodoxie. Ist Petrus der Stein, der hier zu Staub zermahlen wird?
Die Lauretanische Litanei wäre mal wieder neu zusammenzustellen. Erhalten bleiben würde allein Maria Magdalena (die „Büßerin“), alle anderen, vom Sanctus Karl (Marx) über Sanctus Sigmund (Freud) und Sanctus Albert (Einstein) zu den Sancti Martyres Franz (Kafka und Rosenzweig) und vom Sanctus Walter (Benjamin) zu den Sancti Max et Teddy (Horkheimer und Adorno) kämen neu hinzu.
Wenn Nietzsche die jüdische und christliche Religion als Sklavenreligion denunziert, so hat er damit einen realen Sachverhalt sehr präzise beschrieben: die zentrale Bedeutung des Knecht-Gottes-Motivs. Aber dieses Knechtsein ist der Grund der Freiheit, dessen, was Autonomie bloß meint, nicht erreicht. Nicht zufällig läßt die Denunziation als Sklavenreligion keinen anderen Ausweg als den in die Lehre von der Ewigen Wiederkehr des Gleichen und in den Willen zur Macht. Beide zementieren den Deckel, mit dem die Vergangenheit endgültig verschlossen wird.
Die Ängste, die die ersten Meldungen über die Greuel des Judenmords nach dem Krieg in Teilen der katholischen Bevölkerung ausgelöst haben, und die sich in Sätzen wie: „Das wird sich einmal rächen“ ausdrückte, scheinen sich heute im Zustand der katholischen Theologie in Deutschland, in der Verwirrung, der Konfliktunfähigkeit und den nicht mehr auflösbaren Problemen, zu erfüllen.
Enthalten nicht die bei Neonazis so „beliebten“ Gräber- und Friedhofschändungen eine andere Bestätigung des franziskanischen Satzes „Unus daimon plus scit quam tu“? Schon im NT waren es die Dämonen, die ihn als erste erkannten.
Das Problem des Lachens hängt mit dem des Bekenntnisses, und beide mit dem Realgrund der Dämonenlehre zusammen.
Jedes Urteil partizipiert am Weltgericht: Das Sein ist der Inbegriff dieser Partizipation (Antizipation des Endes der Zeit, das das Prädikat, den Begriff, vom Objekt trennt). Die Begriffe Welt und Natur konstituieren sich zusammen mit dem des Wissens („nur Vergangenes wird gewußt“), und alle drei sind Abkömmlinge der Schicksalsidee.
Das Sein, die Kopula im Urteil, trennt und verbindet Begriff und Gegenstand ähnlich wie die Orthogonalität die Dimensionen des Raumes, seine Beziehung zur Zeit und die Beziehung beider zur Materie. Auch die Begriffe Welt und Natur stehen in einer Art Orthogonalitätsbeziehung (wie Raum und Zeit). Erst die Naturwissenschaft, dieses System von Orthogonalitätsbedingungen (zu denen vorab das Inertialsystem und die Erhaltungssätze gehören), hat die Ontologie begründet. (Welche grammatische Funktion haben die Hilfszeitverben Sein, Werden und Haben, und welche Beziehung zu Raum und Zeit drückt sich ihnen aus?)
Das Dogma vom Bann des Inertialsystems befreien: Das tollere (qui tollit) kann im Hinblick auf die peccata mundi als Hinwegnahme verstanden werden, wenn es futurisch, nicht als Bezeichnung einer schon abgeschlossenen Handlung, verstanden wird. Das Gleiche gilt für die Opfertheologie: Mit dem futurischen Sinn ist das Nachfolgegebot in beide mit hereinzunehmen. Unter dieser Voraussetzung wird auch die Mysterientheologie Odo Casels sinnvoll und verständlich, wenn sie nicht als Mysterium der Wiederholung einer vergangenen Handlung, sondern als Mysterium einer noch nicht abgeschlossenen, noch nicht vollendeten Handlung verstanden wird. Und das „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ kann nur unter Einschluß des Nachfolgegebots richtig verstanden werden, nicht als folgenlose Erinnerung. Denn daran kann kein Zweifel sein: Diese Welt ist nicht so, daß man auch nur mit dem geringsten Schein von Recht von ihr sagen könnte, die Schuld sei bereits von ihr hinweggenommen. Aber ohne die Hinwegnahme der Sünde der Welt ist auch die Erlösung der Menschen nicht denkbar. Darin liegt die unermeßliche Bedeutung des Täufersatzes (sowie der Gethsemanegeschichte und des Satzes „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“).
14.10.92
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