15.05.93

Katechismus, Ziffer 157: „Der Glaube ist gewiß, gewisser als jede menschliche Erkenntnis, denn er gründet auf dem Wort Gottes, das nicht lügen kann.“ So offen operiert der Katechismus mit Zirkelschlüssen, nachdem er gerade (Ziffer 156) dargetan hat, daß der „Beweggrund, zu glauben, … nicht darin (liege), daß die geoffenbarten Wahrheiten im Lichte unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend erscheinen. Wir glauben wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann.“ Worauf beruht die „Gewißheit des Glaubens“, insbesondere die, daß die „Autorität“, in der er gründet, die „des offenbarenden Gottes selbst“ ist?
Der Spagat zwischen Fundamentalismus und Wissenschaftsgläubigkeit wäre wohl nicht auszuhalten, wenn es nicht geheime Verbindungslinien zwischen den Prämissen beider gäbe. Vgl. Ziffer 159 zu Glaube und Wissenschaft.
Aber muß sich dieser Katechismus nicht auch dem Wort stellen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Das gilt insbesondere auch für die merkwürdige Trinitätsspekulation (während die Nachfolge im ganzen Katechismus nicht vorkommt: wird sie durch das Trinitätskonstrukt ersetzt?). Insbesondere hier, in der Trinitätsspekulation, hat man das Gefühl, daß die Autoren sich selber Trost und Mut zusprechen (im Dunkeln pfeifen). War die Trinitätslehre der Preis für die Instrumentalisierung der Religion (im Kontext dieser Tr. ist eine Theologie im Angesicht Gottes undenkbar)? Und hängt sie nicht insofern mit dem Weltbegriff zusammen, als sie die Erinnerungsarbeit nicht nur verweigert, sondern den Schein erzeugt, sie sei unnnötig, überflüssig. Diese Tr. ist der Deckel auf der Vergangenheit, das eigentliche Herrschaftsmittel. Was ist das für eine „Seligkeit Gottes in sich selber“, wenn ihr jegliche Sensibilität für das, was außer ihm geschieht, fehlt, wenn ihr der Zustand der Welt schlicht gleichgültig ist? Konsequenterweise wird die „Auflehnung gegen das Übel in der Welt“ zu den Ursachen des Vergessens, der Verkennung, ja der ausdrücklichen Zurückweisung der „innigsten und lebenskräftigsten Verbindung mit Gott“ gezählt, Ziffer 29: War Hiob Atheist? Und ist der hier zugrundegelegte Begriff des seligen Lebens nicht die genaueste Beschreibung des Autismus, die dann das Wort, die Sprache, weil sie für sie gegenstandslos geworden sind, leugnet (in logischer Konsequenz einer Theologie hinter dem Rücken Gottes, in der die Sprache durch die Sexualität, die Zunge durch den Phallus, ersetzt wird)? So hat die Kirche Gott, die Welt und uns alle zum Schweigen gebracht.
Ziffer 314: Die Ästhetisierung des Bösen (das „Drama des Bösen und der Sünde“) ist eine notwendige Folge der Instrumentalisierung des Opfers (und des Ursprungs der Religion, der mit der Instrumentalisierung des Opfers zusammenfällt): der Unfähigkeit, dem realen Grauen standzuhalten. So wird „die Ermordung des Sohnes Gottes“ (wo ist die biblische Grundlage dieses antisemitischen Begriffs?) zum „schlimmsten moralischen Übel, das je begangen wurde“ (Ziffer 312). Das steht 50 Jahre nach Auschwitz, und im gleichen Jahr, in dem katholische Kroaten, muslimische Bosnier und orthodoxe Serben sich gegenseitig umbringen, im Katechismus der Katholischen Kirche!
Die vergegenständlichte Trinititätslehre ist ein Produkt der Ausblendung und Verdrängung der Nachfolge und der Umkehr (der Austreibung der Nächstenliebe und der Gottesfurcht). Aber bisher konnte der Schaden der Theologie (der Dornen, des Unkrauts und des steinigen Grundes) noch durch die humanisierende Kraft der Texte der Schrift eingedämmt werden.
Dieser Katechismus handelt nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.
Die Perversion der kirchlichen Theologie liegt darin, daß sie die Trinitätslehre, anstatt sie als Ausdruck des Schmerzes zu begreifen, in einen Ausdruck der Befreiung und des seligen Lebens umgelogen hat. Hier liegt der Grund des pathologisch guten Gewissens und der Gemeinheitsautomatik, die den Faschismus in Europa ermöglicht haben. Die Idee des seligen Lebens Gottes in sich selber ist der Zucker, mit dem das Opfer der Vernunft versüßt wird.
Die Trinitätslehre ist das kreisende Flammenschwert, mit dem der Cherub den Eingang des Paradieses bewacht.
Die Trinitätslehre ist die vergegenständlichte und so verdrängte Umkehr (die Vorstellung vom seligen Leben Gottes in sich selber das dem Bilderverbot unterliegende Bild dieser Umkehr, eigentlich ein Bild der Vergewaltigung, der Einheit von Trunkenheit, Gewalt und Desensibilisierung).
Wie hängen Trinititätslehre und die kopernikanische Wende mit einander zusammen (zum Begriff der Umkehr)?
Woher kommt es, daß Katholiken Biertrinker und Fleischesser sind?
Das „Wenn die Welt euch haßt“ ist über die Identifikation mit dem Aggressor: über die affirmative Rezeption des Weltbegriffs (das Trinken des Kelches) am Ende zum Selbsthaß, zum Grund der Selbstverfluchung, geworden.
Klingt nicht in der Selbstverfluchung Petri das Motiv der Sünde wider den Heiligen Geist an? Dagegen steht nur das „und er ging hinaus und weinte bitterlich“ und der Satz, daß „die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen“.
Die Autoren des Katechismus sprechen über die Schrift wie Vertreter des Wiener Kreises über die Kunst.
Wenn die Autoren des Katechismus die Sprache des AT als Bildersprache denunzieren, so gehört das mit zum Zusammenhang der Neutralisierung der Sprache, zum Kontext des kirchlichen Autismus (ihrer „Dialog“-Unfähigkeit).
Aber „Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt“ (Jes 5511).
Sind nicht Empfindlichkeiten generell pathologische Symptome?
Wenn die Trinitätslehre der Inhalt, ja die Erfüllung der göttlichen Offenbarung, und darin die Erlösung beschlossen wäre, dürfte sie nicht die paranoischen Folgen haben, die sie offensichtlich hat.
Ist nicht der Begriff einer „ewigen Ordnung der göttlichen Personen“ eine contradictio in adjecto: gleichsam ein Stück Isolationshaft?
Der Interpretation der Trinitätslehre im Katechismus widersprechen doch sehr deutlich Stellen wie die vom „Sitzen zur Rechten des Vaters“, über die johanneischen Texte zum Parakleten, zum Heiligen Geist, bis hin zu den Dingen, die nach den Worten Jesu dem Vater vorbehalten sind.
Ist nicht die Trinitätslehre Produkt der Inertialisierung der Theologie, der Subsumtion der Theologie unters Inertialsystem (der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, Bedingung der Objektivierung). Die Trinitätslehre ist ein Stück Bekehrungstheologie, aber damit das Gegenteil einer Theologie der Umkehr (des Namens und des Angesichts). Es bleibt beim autoritären Gehorsam, die Ohren bleiben geschlossen.
Die Kirche hat den Kelch getrunken, von dem Jesus in Getsemane gehofft hat, er möge an ihm vorübergehen. Aber das Kreuz hat sie nicht auf sich genommen.
Die Trinitätslehre, wenn sie einmal begriffen wird, wird sich als der Gegenstand der Todesangst Jesu in Getsemane erweisen.
Der hakeldama, das „Blut, das vom Acker zu mir schreit“ und das auf die erde geschüttete Blut beim Opfer (zusammen mit dem Verbot, Blut zu trinken): welcher Zusammanhang mit der Eucharistie?
Ist die Kirche nicht eher das ägyptische Sklavenhaus als Babel (das Sklavenhaus der schechina)? Vgl. die Beziehung von Theologia und Oikonomia bei den Kirchenvätern (Ziffer 236), auch „Heilsökonomie“.
Gliederung der Kritik des Katechismus:
– Sünden der Welt (Übernahme, nicht Hinwegnahme; Begriff der Welt),
– theologischer Ursprung der Naturwissenschaft (Verweltlichung der Welt), Naturwissenschaften als „Kloß im Hals der Theologie“, -Kritik der Trinitätslehre (Folge der Rezeption des Weltbegriffs, Ursprung der Bekenntnislogik, entstellter Inbegriff der Umkehr), die dreifache Leugnung und der Hahn,
– Das Lachen und die Austreibung der Dämonen, Weinen und Erinnerungsarbeit als Trauerarbeit (Kreuzestod kein Gegenstand der Empörung),
– Getsemane und der Kelch (Todesangst und Weltbegriff), die Trinitätslehre und das kreisende Flammenschwert,
– Philosophie und Prophetie, die Barbaren und die Hebräer (Natur und Materie), Name und Begriff.
War die Dogmatisierung der homousia ein Werk des Heiligen Geistes, und Konstantin sein Instrument? Oder gehört sie zu jenen Ärgernissen, von denen es heißt, sie müssen kommen, aber wehe denen, durch die sie kommen.
In der Tat die Verweltlichung der Welt christlichen Ursprungs.
Die nach Rosenzweig nicht unerhebliche Frage, ob Künstler selig werden können, wäre endlich auch auf Theologen anzuwenden. ist nicht die Theologie – nach der Kunst – zur letzten Bastion des Mythos geworden? Und sind nicht die Bekenntnislogik, die Trinitätslehre und die Opfertheologie durch die Anpassung an die Welt erzwungene Machinationen zur Abwehr und Verhinderung der Umkehr?
Ist nicht der verdinglichte Zeugungsbegriff in der Trinitätslehre eine Ersatzbildung für den verlorenen Begriff der Erkenntnis, und das „Hervorgehen“ (des Heiligen Geistes) ein Produkt der Neutralisierung der messianischen Wehen?
Das positivistische Dogmenverständnis, der Preis für die Rezeption der Philosophie, erzeugt durch das hierzu erforderliche Bindemittel der Bekenntnislogik eine hochexplosive Mischung.
Die Trinitätslehre als Theologendroge (Theologie als Theologie für Theologen).
Der Begriff der Kontingenz, den Theologen gerne nutzen, ist ein metaphysischer Totschlagebegriff. Er dispensiert von Differenzierung und Reflexion.
Was hat es eigentlich mit den „Fleischtöpfen Ägyptens“ auf sich?


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