15.08.1996

Unter den neutestamentlichen Namen kommen Abraham und Isaak, Moses und Aaron, David und die Namen der Propheten nicht vor (mit zwei Ausnahmen: Zacharias ist Sacharja, und Simon Petrus wird einmal als Barjona, Sohn des Jonas, bezeichnet). Die am häufigsten vorkommenden Namen sind: Simon und Judas, Jakobus und Johannes, Joseph; auffällig sind der jüdische Gebrauch griechischer (und römischer) Namen: Andreas, Philippus, Alexander (Petrus, Paulus, Rufus). Bei den Frauen ist Maria fast ein Standard-Name, dazu Elisabeth, Hannah, Martha, Salome, Susanna.
Unterstellt nicht dieses falsche Adorno-Zitat von Habermas „Eingedenken der gequälten Natur“, daß Adorno nur mit dem Negativen sich befaßt habe (nur mit der gequälten Natur, nicht mit der anderen Natur, was immer das sein mag)? Wer der Natur-Kritik glaubt enthoben zu sein, verdrängt die Wahrnehmung des Schreckens und verliert die Fähigkeit zur Kritik des Bestehen.
Ist nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos ein Hinweis darauf, was mit dem einen Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel sein wird als über 99 Gerechte, gemeint ist? Die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos ist die Ursprungsgeschichte des steinernen Herzens, das am Ende durch ein fleischernes ersetzt wird. Steckt nicht hinter dieser Ersetzung des steinernen durch ein fleischernes Herz ein politisches und ein sprachlogisches Problem zugleich (und sind nicht die zentralen politischen Probleme zugleich auch sprachlogische Probleme)?
Der Symbolbegriff schließt den affirmativen Gebrauch aus; es gibt keine ein für allemal gültigen Zuordnungen der Symbole zu ihren Bedeutungen. Das Symbol ist ein Reflexionsmedium, das gegen die verdinglichende Gewalt des Urteils sich richtet, diese Gewalt gegenstandslos macht. Es ist der Vorschein der Erfüllung des Worts, die nicht mehr nur im Medium der Sprache sich vollzieht.
Beziehen sich nicht die drei Verdrängungsakte, die die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis als ihr Schatten begleiten:
– die Verdrängung der Sinnlichkeit (die in den Objekten keinen Halt mehr findet),
– die Verdrängung der Kritik (deren Subjektivierung zur bloßen Meinung) und am Ende
– die Verdrängung der Schuld (die zu einem pathologischen Gefühl wird, von dem das aufgeklärte Subjekt sich freizumachen hat -hierher gehört der ungeheure Verdrängungsakt, der nach dem Krieg die Schrecken des Faschismus durch Objektivierung der Erfahrung entzogen hat),
auf die drei theologischen Themen, die am Angesicht, am Feuer und am Namen sich entzünden? Ist nicht das Angesicht der Schlüssel zur sinnlichen Erfahrung, das Feuer das Symbol der Beziehung der Kritik zur Idee der Wahrheit, und ist es nicht der Name, der die Fähigkeit der Erinnerung und Reflexion der Schuld begründet? Schuld wird zu einem pathologischen Gefühl, wenn der Name (wie der Gottesname in der Trinitätslehre) zu Schall und Rauch wird.
Verhalten sich nicht Angesicht und Name wie Nähe und Ferne, und sind nicht beide durch das Feuer auf einander bezogen? Ist nicht der Name das unendlich Ferne, das Gesicht das unendlich Nahe, bezeichnen sie nicht die beiden Grenzen der räumlichen Unendlichkeit (die des unendlich Großen und des unendlich Kleinen), die durch die Orthogonalität auf einander bezogen sind?
Wenn das Angesicht und der Name etwas mit der Form des Raumes zu tun haben, dann hat die Reflexion und Kritik der Form des Raumes etwas mit der Heiligung des Gottesnamens zu tun: mit der Idee des Leuchtens Seines Angesichts.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Plancksche Strahlungsformel rühren gemeinsam an das im Orthogonalitäts-Problem verborgene Problem des Feuers.
Die Sinnfrage (die John L. Berger zufolge die Grundfrage der Religion ist) leugnet die Auferstehung. Wer nach dem Sinn von Sein fragt, ontologisiert den Habitus des „neutralen Zuschauers“, der weder neutral noch bloß Zuschauer ist, er ontologisiert den Habitus des Herrenblicks (den heute das Fernsehen kultiviert); er leugnet die moralische Gemeinschaft mit der Welt und zerstört das moralische Selbstverständnis der Menschen. Wer nach dem Sinn von Sein fragt, möchte die Last der moralischen Pflichten, die darin gründet, daß das Sein keinen von ihrem moralischen Verständnis (von der Sensibilität, von der Fähigkeit zur Wahrnehmung des Leidens) unabhängigen Sinn hat, loswerden. Das Bedürfnis nach Sinn ist eine Konsequenz aus dem objektivierenden Verständnis des Seins.
Die Frage nach dem Sinn von Sein ist antisemitisch (eine Ursprungsgestalt des eliminatorischen Antisemitismus im Sinne Daniel Goldhagens).
Gibt es außer dem Blut des Abel und dem Leiden der Israeliten im Sklavenhaus Ägypten noch andere Dinge, die „zu Gott, zum Himmel schreien“? Ist der Schrei die Ursprungsgestalt des Gottesnamens?
Der Hinweis, daß es nicht nur die eine, allen gemeinsame Welt (die eine Projektion unseres menschlichen, am Selbsterhaltungsprinzip geschulten Verstandes ist), sondern verschiedene, nach Gattungen getrennte Welten gibt, daß zu jeder Nation, zu jeder Sprache, zu jedem Beruf, insbesondere aber zu jeder Tiergattung (und diese Zuordnung ist die exemplarische) eine eigene Welt gehört, ist nicht metaphorisch, sondern in der Logik des Weltbegriffs selber begründet.
Vgl. hierzu:
– Kants Definition der Begriffe Natur und Welt sowie Hegels Begründung für seinen Satz, daß die Natur den Begriff nicht halten könne, weil es dann nämlich keine verschiedenen Gattungen und Arten der Tiere geben dürfe: zur einen Welt gibt es nur ein Tier;
– aber auch die Geschichte der Benennung der Tiere durch Adam, an die die kantische Definition des Weltbegriffs rührt, und das apokalyptische Symbol des Tieres, das in Hegels Bemerkung über die logische Beziehung von Tier und Welt sich entschlüsselt: das Symbol des Tieres ist ein sprachlogisches Symbol;
– und schließlich die Geschichte der Tieropfer, die ihr apokalyptisches telos im Opfer des Tieres und des falschen Propheten finden wird.
Hat das Tier aus dem Meere etwas mit der griechischen (der prädogmatischen), das Tier vom Lande etwas mit der lateinischen (der postdogmatischen) Sprache zu tun?
Wie hängt das Feuer mit dem Dingbegriff, und wie hängen beide mit der Geschichte der Instrumentalisierung zusammen?


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