15.12.1996

Verhalten sich nicht das Sklavenhaus und der Eisenschmelzofen wie Raum und Hohlraum?
Heldenverehrung ist säkularisierte Opfertheologie. Gibt es nicht eine Beziehung des Begriffs „Verrat der eigenen Geschichte“ zur postfaschistischen Heldenverehrung, über die nachträglich der Krieg, der nicht zu rechtfertigen war, noch gerechtfertigt werden sollte? Der „Heldentod“ – so wird suggeriert – kann doch nicht umsonst gewesen sein!
Wer glaubt, sein Verhältnis zur Außenwelt über die Feindbildlogik klären zu können, gleicht sich damit eben dieser durchs Feindbild determinierten Außenwelt an. Der Betonwelt entsprechen die Hardliner.
Verzeihen kann ich nur, was mir angetan wurde, nicht, was andern angetan worden ist. Darin gründet die Differenz zwischen Verstehen und Verzeihen. Der Sündenfall der Kirche war es, als sie (über das mißverstandene Wort vom Binden und Lösen) sich zum Stellvertreter aller Opfer erklärte, diese damit ihres Rechts auf Vergebung beraubte (sie zu enteignen und auszubeuten). So hat sie der Staatsgewalt (die den freigesetzten objektlosen Rachetrieb sich aneignete und rechtsstaatlich kanalisierte) den Weg freigemacht. – „Und die letzten Dinge werden ärger sein als die ersten.“
Unsre Beziehung zur Vergangenheit ist durchsetzt von Verurteilungsmechanismen, deren eigentliche Aufgabe darin zu bestehen scheint, die Vergangenheit den Bedürfnissen der Gegenwart anzupassen, damit aber die Selbstreflexion, die ohne Erinnerung (ohne die Reflexion der Fremdheit des Vergangenen) nicht möglich ist, zu unterbinden. Deshalb rückt uns heute die „Sünde Adams“ auf den Leib.
Ist nicht die Ezechiel-Stelle über Noah, Daniel und Hiob ein Hinweis auf die Konstellation, in der insbesondere die Bücher Daniel und Hiob (die später sind als die Prophetie Ezechiels) überhaupt erst verständlich werden? Hängt die Konstellation dieser drei Namen nicht mit dem Problem der Geschichte der Völkerwelt zusammen, die mit der Völkertafel nach der Sintflut beginnt und in Gestalten wie Nebukadnezar und Hiob endet?
Der „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ ist der Zeugungsakt, über den der innere Schweinehund sich fortpflanzt. Der Name des „Schweinehunds“ gehört zur Feindbildlogik (das Schwein wälzt sich im Schmutz, der Hund kopuliert öffentlich). Im Namen des Schweinehunds vermischen sich Vorstellungen aus den sexuellen und politischen Tabubereichen mit solchen der Arbeitsmoral (der Pflichtvergessenheit, der Trägheit).
Tritt nicht die Armbanduhr (die einem sagt, ob man hungrig oder müde ist) an die Stelle der Selbstregulierung des vegetativen Systems? Über die Zeit sind wir in den Apparat, der uns beherrscht und unterhält, eingebunden.


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