Wenn die Attribute Gottes Attribute des Handelns und nicht des Seins sind, liegt dann nicht die „entsühnende“ Kraft des „Opfers“ in der Identifikation mit einem Gott, der seinen Sohn straft, um die Welt zu entsühnen? Wird hier nicht der eigene Sado-Masochismus durch Vergöttlichung legitimiert? Die Opfertheologie enthält in der Tat eine Schuldgefühle-Neutralisierungs-Automatik; aber deren Resultat ist nicht identisch mit der Befreiung von Schuld. Ist das nicht ein Teil der gleichen Desensibilisierung, der die gesamte Natur durch die Naturwissenschaften unterworfen wurde, durchs Inertialsystem. So verweist der Ursprung des Inertialsystems auf die Geschichte der Opfertheologie.
Der Heilige Geist: Das ist das Leuchten Seines Angesichts; und dieses Licht wird das Antlitz der Erde erneuern.
Persönlichkeit in der Verwaltung: Wer „persönlich“ angesprochen wird, wird als einer angesprochen, der am Mana der Macht teilhat. In der Regel werden Chefs „persönlich“ angesprochen; „Mitarbeiter“, die „persönlich“ angesprochen werden, setzen sich dem Verdacht aus, bestechlich zu sein.
Hat nicht die Einführung des Personbegriffs der Theologie eine Wendung gegeben, durch die sie insgesamt ins Maskuline verhext worden ist. Das drückt bei Tertullian in der Vorstellung sich aus, daß Frauen, wenn sie in den Himmel kommen, dort zu Männern werden. Zum Personbegriff gehört der Bekenntnisbegriff: Confessor aber ist ein dem männlichen Heiligen vorbehaltenes Attribut. Diese Verhexung betrifft insbesondere die Lehre vom Heiligen Geist, dessen Personalisierung die Neutralisierung der prophetischen Tradition zwangsläufig nach sich gezogen hat. Nur so konnte der Heilige Geist zum Garanten kirchlicher Machtansprüche werden. Die Vorstellung, daß der Geist am Ende die Erde erfüllen wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken, ist im Kontext der verdinglichten Trinitätslehre nicht mehr nachvollziehbar. Und das „Emitte spiritum tuum, et renovabis faciem terrae“ ist gegenstandslos geworden, ebenso wie die Vorstellung, daß in dem Neuen Bund keiner den andern mehr belehren wird, weil alle Gott erkennen. Die Personalisierung des Heiligen Geistes ist ein Reflex des steinernen Herzens.
Ist nicht die ecclesia triumphans eine Zwangsvorstellung, ein Produkt wirrer theologischer Machtphantasien?
Gehört nicht auch zur Ursprungsgeschichte des Neutrums und zur Geschichte der Vergegenständlichung der Zeit der Ursprung des reflexiven Moments (der reflexiven Formen der Konjugation) in der Sprache? Zu den Manifestationen der Reflexion gehört das apologetische Moment, die Rechtfertigung, das Bewußtsein des Selbst, auch der Personbegriff, der Ursprung des Objektbegriffs, in dem die Reflexion sich vergegenständlicht. (Gehören in diesen Zusammenhang im Griechischen der Aorist und das Medium?) Dieses reflexive Moment ist der sprachliche Grund der Verräumlichung der Dinge (der Sprachgrund des Inertialsystems), es hat mit der Neutralisierung der Kraft des Namens die Sprache insgesamt verhext. Die reflexiven Strukturen im Bereich der Verben sind die Grundlage der Begriffsbildung und ein Reflex der Herrschaftsgeschichte. Man begreift die hebräische Sprache und Grammatik erst dann, wenn man ihre Differenz zum Griechischen (zu den indoeuropäischen Sprachen) begreift. Das Subjekt dieser Grammatik ist nicht die Einzelperson (das Subjekt der Psalmen ist nicht die historische Person David, sondern Israel); die Bildung theophorer Personennamen in der israelischen Geschichte hängt damit zusammen (und der blasphemische Charakter des „Ich bin’s“).
Die reflexiven Formen der Sprache lassen sich vom projektiven Begriff der Erkenntnis (vom Vorrang des Sehens und von der Konstituierung des Wissens) nicht trennen, sie vergegenständlichen die Natur und begründen die Welt (während Gott die Erde gründet und den Himmel aufspannt). Die Sprachlogik des Hebräischen ist dagegen eine Logik des Hörens (und dessen Subjekt ist Israel: Höre Israel).
Wie verhält sich das reflexive zum symbolische Denken?
Wenn die Vision mit dem Traum verglichen wird, so darf die Differenz nicht vergessen werden: Die Vision ist ein Taggesicht, der Traum ein Nachtgesicht. Es ist nicht unwichtig zu unterscheiden, wer Visionen und wer Träume hat. Der Prophet hat ein Gesicht, Träume haben die Herrscher. Wie zeigt sich die Beziehung von Gesicht und Traum in der Apokalypse? Und was hat es zu bedeuten, wenn im NT über Träume Weisungen erteilt werden (an Joseph und Petrus)? Wie verhält sich das Gleichnis zum Gesicht, gibt es in der hebräischen Bibel Gleichnisse?
Bei Gott ist kein Ding unmöglich: Der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ stehen, ist eine Anleitung zur Gotteserkenntnis. Das Gebot, das ich im Kontext der Gotteserkenntnis erkenne, wird durch die Frage, ob es erfüllbar ist oder nicht, nicht berührt. Ob die Erfüllung des Gebots möglich ist oder nicht, ist für seinen Anspruch unerheblich. Nicht unerheblich aber ist die Erkenntnis der Kluft, die das Gebot von seiner Erfüllung trennt; sie heißt Gottesfurcht und ist in der Tat der Anfang der Weisheit.
Ist nicht die Geschichtsschreibung die Finsternis über dem Abgrund (der Vergangenheit): die Austreibung der Gottesfurcht aus der Erkenntnis der Vergangenheit?
Alles Lebendige strebt nach dem Licht: Aber wenn das an den Blumen sich manifestiert, ist dann nicht unser Auge, das ihre Farben wahrnimmt, ein Teil dieses Lichts, schließt dann nicht das Streben nach dem Licht auch das Streben, von einem Auge gesehen zu werden, mit ein? Die Blume: der Beweis, daß das Aufdecken der Blöße auch mit dem Schein der Unschuld zusammengehen kann. Und verweist nicht das gleichzeitige Auftreten der Blüten und der Säugetiere in der Evolutionsgeschichte auf einen hochsymbolischen Zusammenhang (ähnlich wie das gleichzeitige Auftreten der Bäume und der Primaten)?
Die darwinsche Evolutionstheorie war sowohl eine Bestätigung als auch eine Widerlegung der Hegelschen Philosophie: die Bestätigung des „organischen“ (am Prinzip der Selbsterhaltung sich orientierenden) Geschichtsverständnisses und die Widerlegung des Satzes, daß die Natur den Begriff nicht halten kann (nach Hegel dürfte es eigentlich keine verschiedenen Arten geben).
Haben nicht Horkheimer und Adorno durch ihr Wirken in Frankfurt der Nachkriegsgeschichte in Deutschland nur eine Atempause verschafft?
15.4.1995
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie
Schreibe einen Kommentar