Es ist die Orthogonalität als Norm, die die Größen in kontinuierliche und diskrete Größen aufspaltet.
Verhält sich nicht die Wiedergeburt zur individuellen Unsterblichkeit wie die kontinuierliche zur diskreten Größe? Wahr ist allein die Lehre von der Auferstehung der Toten.
Die indikativische Seelenunsterblichkeit ist als Imperativ das Selbsterhaltungsprinzip.
Die Idee der Ewigkeit manifestiert sich nicht im mathematischen Reich der Zahlen, sondern allein im Namen. Das verhärtete Herz ist das gegen seinen Namen verhärtete Herz (das nicht hörende, unbelehrbare Herz), das Korrelat des Begriffs, dessen Objekt der Reue und der Umkehr unfähig ist.
Ist nicht das Attribut der Größe der Knoten der zu lösen ist (es ist nicht zufällig dem als ersten zuerkannt worden, der den Knoten, anstatt ihn zu lösen, nur durchschlagen hat)? Die Größe ist das Attribut des gefallenen Morgensterns. Der Begriff der Größe enthält ein eindeutiges Richtungselement, das nach oben weist. Schlechthin groß ist, zu wem es kein Größeres gibt. Dem Begriff der Größe korrespondiert allein der der Tiefe (die „Tiefen des Satans“), die beide durch Richtungsumkehr auf einander bezogen sind, sich nur durch ihren Objektbezug unterscheiden: Nur die Größe ist ein Objektattribut, während die Tiefe ein reiner Richtungsbegriff ist; damit hängt es zusammen, daß, während die Größe über den Raum sich erhebt, die Tiefe im Raum verbleibt, den Raum, dem sie nicht zu entfliehen vermag, gleichsam in ihrem Rücken hat. Zur Lösung dieser Beziehung dürfte es dienlich sein, wenn man den Raum als Inbegriff des Instrumentellen begreift. Groß wäre dann das über jede Instrumentalisierung Erhabene (der Herr aller Hierarchien), während die Tiefe (deren Begriff den entscheidenden Hinweis zur Lokalisierung der Hölle gegeben hat) den Ort der absoluten, ausweglosen Verstrickung bezeichnet.
War es nicht ein tiefer machtpolitischer Instinkt Kohls, der ihn geleitet hat, als er sich weigerte (und dann auch damit sich durchsetzte), im Zuge der Wiedervereinigung das Grundgesetz zu ändern, es neuzufassen? Die Wiedervereinigung durfte nur als Angliederung an einen bestehenden Bundesstaat (ein Staatenbund, der sich selbst als Staat versteht) erfolgen, der nur so, als fortbestehender, nicht aber als neuzugründender, das machtlogische Erbe des Reiches zu verkörpern in der Lage war. Das hat Änderungen des Grundgesetzes (nämlich als Anpassung an veränderte Verhältnisse, deren übergeordnete Macht damit anerkannt war) nie ausgeschlossen, nur daß diese Änderungen von den Erfordernissen der übergeordneten Instanz, niemals jedoch von den angegliederten Staaten auszugehen hatten. Das Grundgesetz erwies seine Unberührbarkeit gleichsam dadurch, daß es gegen alle Änderungswünsche, die von unten kamen, ausgesessen wurde. Damit war auch der Zugang, durch den die „Angliederung“, die eine Einverleibung war, zu erfolgen hatte, definiert.
Ist nicht der, dem man „in den Arsch kriecht“, einer, an den man über die Ohren nicht herankommt? Und ist nicht das das Problem der Öffentlichkeit heute?
Der Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland ist an dem Satz de Gaulles, den er im Hinblick auf Sartre einmal gesagt hat, zu erkennen: Einen Voltaire zieht man nicht vor Gericht. In Deutschland hingegen war es nur eine folgenlose (und dann auch sofort verdrängte) Einsicht der Philosophie, eigentlich nur der Philosophie Kants, daß die Vernunft größer ist als der Staat. Heute steht dagegen schon der Staatsanwalt (die einzige Institution, die noch ein philosophisches Erbe, nämlich das der hegelschen Philosophie, zu verkörpern scheint).
Was würde herauskommen, wenn man den habermasschen „Verfassungspatriotismus“ mit den Grundgesetzänderungen des letzten halben Jahrhundert konfrontiert? Wäre dieser Verfassungspatriotismus nicht als eine Form der Subreption erkennbar, die die Realität der Verfassung mit ihrer Idee verwechselt? Auch am Verfassungspatriotismus wäre zu demonstrieren, daß jeglicher Patriotismus ein Instrument der Blendung ist (einer Blendung, deren Quelle bei Habermas präzise sich bezeichnen ließe). Übriggeblieben ist eine Gestalt der Kritik, die das Bewußtsein ihrer Ohnmacht in sich mit aufgenommen hat: Kritik als Raisonnement.
Muß man nicht Erbsünde und Erbschuld unterscheiden, und wird nicht am Ende diese Unterscheiden darauf hinauslaufen zu begreifen, daß es nur eine Erbsünde, aber keine Erbschuld gibt? Erst als vergangene Tat wird die Sünde zur Schuld, worauf es ankommt ist aber das gegenwärtige Tun: die Vermeidung der Sünde, nicht die der Schuld. Nur daß das allein möglich ist durch Reflexion des Schuldzusammenhangs, die allein den Bann zu brechen vermag, der das Fortzeugen der Sünde determiniert. Der Schuldzusammenhang gründet in einer Logik, die alles Tun ins Licht der Vergangenheit rückt.
Die Idee der ewigen Anschauung Gottes trägt den Keim des Selbstdementis in sich. Das Angesicht Gottes ist kein Gegenstand der Anschauung.
Die Apokalypse, und nicht (wie etwa Hegel – und mit ihm die Mehrheit der christlichen Theologen – meinte) die Trinitätslehre, ist die Offenbarung Jesu, und ihr Grund ist das „Zeugnis“ Jesu, sein Martyrium.
Zur Confessio, der vergeistigten Gestalt des Martyriums, gehört das Confiteor, aber eines, das den „Bruder, der etwas gegen mich hat“ zum Adressaten hat, und nur insoweit auch Gott und alle Heiligen. Das Confiteor der Messe schließt die Verwechslung des Adressaten mit dem, in dessen Angesicht ich bekenne, nicht aus. Erst die Rücknahme dieser Verwechslung befreit das Credo vom Bann der Bekenntnislogik und die Religion vom Rechtfertigungszwang.
Öffentliche Kraft gewinnt der Glaube nicht durch Affirmation, sondern allein durch Kritik, durch Kritik auf dem Boden der Solidarität mit denen, die unten sind. Jeder Glaube, der es versäumt, sich zur Stimme derer, die unten sind, zu machen, ihnen seine Stimme zu leihen, ist Kleinglaube.
Die Pharisäer-Kritik, und zwar nicht als Geschichte, sondern als prophetisches Wort, ist ein zentrales Motiv der Evangelien, ein Indiz zugleich für meine These, daß die Evangelien von der Prophetie primär durch den Ursprung des Weltbegriffs, der alle Relationen verschiebt, sich unterscheidet: Der Pharisäismus, die Heuchelei, ist ein Systemelement des Weltbegriffs. Als Schuldverschubsystem begründet der Weltbegriff die Logik der Projektion, und damit der Heuchelei.
Ist es nicht die logische Gewalt der Institution des Eigentums, die den Naturwissenschaften gleichsam ontologische Qualität verleiht? Das Medium, über das die eigentumslogischen Strukturen in die Naturwissenschaften hereinkommen, sind die subjektiven Formen der Anschauung (sind Raum und Zeit, ist das Inertialsystem).
Zum Begriff der Größe: Aus welchen Gründe wurden dem Papst Gregor und dem Philosophen und Theologen Albertus Magnus (dem Lehrer des Thomas von Aquin) das Attribut beigelegt?
Josef (der Vater Jesu) kommt als Person nur bei Matthäus und Lukas vor; bei Markus und Johannes wird Jesus gelegentlich Sohn des Joseph genannt. Bei Matthäus nennt der Engel Joseph im Traum Sohn Davids, sonst wird nur Jesus so genannt.
Der Pharao, der Joseph nicht mehr kannte, kannte auch den Namen Gottes nicht. Hängt nicht beides mit einander zusammen, und findet darin nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens (dieses Pharaos) ihren Grund?
Sind nicht die zehn ägyptischen Plagen Manifestationen der Verdrängung des Schuldzusammenhangs, welche Verdrängungen dann als Plagen erscheinen?
Bezeichnet nicht der Genitiv eine Eigentums- und Herrschaftsverhältnis? Weshalb wird der Genitiv dann auch zur Bezeichnung der Vater-Sohn-Beziehung verwandt? Ist die Genitiv-Beziehung auch das Modell der Beziehung von Begriff und Objekt, Welt und Natur (woraus der griechische und der lateinische Name der Natur und die Differenz beider sich begründen ließe)? Ist nicht der griechische Begriff der Materie abgeleitet vom Holz, der lateinische hingegen vom Namen der Mutter?
Weshalb muß im Dogma die Mutter eine virgo sein? War die theotokos schon im Griechischen eine (dazu noch unbefleckt empfangene) Jungfrau? Gibt es zum Confessor und zur Virgo ein griechisches Äquivalent? Falls nicht, so wäre das der deutlichste Beleg dafür, daß das lateinische Kirchen- und Theologieverständnis nachdogmatisch ist.
Eine Begriffsgeschichte des Begriffs der Natur müßte den Wechsel von physis zu natura mit reflektieren: Fällt nicht in diese Reflexion die Geschichte des Dogmas, zu der auch die Titel Kirchenvater und Confessor gehören? War Tertullian noch ein Kirchenvater, und war er nicht der erste Confessor? Und war Augustinus, der sich nach Augustus nannte, selber auch Confessor und zugleich der letzte Kirchenvater? Augustinus war im übrigen wohl der einzige Kirchenvater, der auch einen Sohn (Adeodatus) hatte, dessen Mutter er freilich verstoßen hat.
Ist nicht das Confiteor ein Passivum, zu dem es kein Aktiv gibt? Und ist nicht dieser sprachliche Sachverhalt die Grundlage des Gnadenbegriffs? Und rührt nicht auch die Konstellation, daß Augustinus zugleich Kirchenvater und Confessor war, an den Grund seiner Gnadenlehre, zu der es – soweit ich sehe – in der griechischen Theologie keine Entsprechung gibt? Vgl. hierzu die Entwicklung der (an die Konfession gebundenen) Gnadenlehre von Augustinus über die Scholastik bis hin zu Luthers Rechtfertigungslehre.
War nicht die „Erzeugung“ der Trinitätslehre durch die Kirchenväter das genaue Modell der Vater-Sohn-Beziehung in der Trinitätslehre?
War nicht das „Um Gotteswillen“, das mir entfuhr, als ich nach vierzig Jahren meine Briefe an Martin Buber erstmals wieder las, wörtlich zu nehmen?
15.7.96
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