Zur Beziehung von Scham und Blut sh. Vermes, Anm. 31, S. 260: Rabbi Nachman ben Isaak: „Wer seinen Nächsten in der Öffentlichkeit beschämt (erröten läßt), der ist, als hätte er Blut vergossen.“
Anwendung von Mt 634: „Darum sorgt nicht für den anderen Morgen, denn der morgige Tag wird wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage hat“, auf die Schöpfungsgeschichte, das Sechstagewerk, und auf den „Tag des Herrn“. Geza Vermes rührt, ohne es zu bemerken, an den Grund der Prophetie, wenn er dazu darauf hinweist, daß Jesus „ein Mensch (war), für den die Gegenwart, das Hier und Jetzt, von einmaliger und unendlicher Wichtigkeit war“ (S. 264).
Zur Bestimmung des Staubs (zu dem Adam wird, und den die Schlange frißt): Das Heideggersche „Man“ ist eine Emanation der Welt: die präziseste Bestimmung dessen, was die Propheten Unzucht nannten. Bezeichnend, daß das unpersönliche Man dann doch als männlich (und als Verkörperung des Universalen) erfahren wird.
Das Geschwätz ist eine Erfahrungsverhinderungsmaschine (es gehorcht der dem Rechtfertigungszwang unterworfenen Bekenntnislogik).
Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, ist dann nicht der Antisemitismus (wie vor ihm der kirchliche Antijduaismus) ein Versuch, Gott blind zu machen: daß er’s nicht mehr sieht?
Wenn der Antisemitismus Gott erblinden macht, hat dann das Christentum Ihn gelähmt? Drückt sich das darin aus, daß der erhöhte Jesus „zur Rechten des Vaters“ sitzt?
Die Botschaft Jesu an den Täufer im Gefängnis („Blinde werden sehend und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden auferweckt und und Armen wird die frohe Botschaft verkündet, und selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“, Mt 115) ist apokalyptisch (Zusammenfassung der Lösung der sieben Siegel und e contrario eine spiegelbildliche Beschreibung des apokalyptischen Weltzustandes).
Als Zedekia, der letzte (vom König von Babel eingesetzte) König der Juden, nach Babel verbracht wurde, „schlachtete man (die Söhne Zedekias) vor seinen Augen; den Zedekia aber ließ er blenden und in Ketten legen. So brachte man ihn nach Babel“ (2 Kön 257). Hat diese Geschichte etwas mit Auschwitz zu tun: Ist „der König der Juden“ seitdem geblendet und in Fesseln, blind und lahm? Vgl. auch die „Blinden und Lahmen“ bei der Eroberung Jerusalems (2 Sam 56ff) und in der Botschaft Jesu an den Täufer („Die Blinden werden sehend, die Lahmen gehen, …“ Mt 115). -Ist hier die Richtung bezeichnet, in der das mit dem Lösen Gemeinte gesucht werden muß?
Es gibt keine Erkenntnis, die nicht auch in Beziehung zur Gotteserkenntnis steht, und hier gilt der Satz: Der liebe Gott (und nicht der Teufel) steckt im Detail.
Zu Geza Vermes: Der Nachweis, daß die Lehre der Kirche mit der Lehre Jesu nicht übereinstimmt, reicht nicht mehr. Zu ermitteln und herauszuarbeiten wäre die reale historische Beziehung beider zueinander; eine hierher passende Bemerkung zu den Elefanten: Ist nicht das Langzeitgedächtnis, soweit es von der Erinnerungsfähigkeit zu unterscheiden ist, und d.h. das Langzeitgedächtnis, dessen Objekt man nur ist, Ausdruck einer sehr tiefen Verletzung?
Zur Unterscheidung von Mythos und Aufklärung: Wenn das Schicksal, nach der Benjaminschen Definition, der Schuldzusammenhang des Lebendigen ist, ist dann die Welt (und das wäre ebenfalls eine Definition) der Schuldzusammenhang des Toten (aber dieser Schuldzusammenhang ist einer, der in dem des Lebendigen gründet, und dessen realsymbolische Widerspiegelung das apokalyptische Tier ist)? Für uns sind nicht mehr die Götter unsterblich, sondern unsterblich ist nur noch die Sterblichkeit der Sterblichen: der Tod. Darin gründet der Naturbegriff.
Vornehm und anständig, oder der Kern des Verblendungszusammenhangs: Der Vornehme spiegelt sich im Blick von unten, der Anständige im Blick von oben. Gemeinsam verstellen sie der Erkenntnis den Weg. Wenn die Vornehmen mit den Anständigen sich verbünden, siegt die Natur, wird die Welt gemein.
Zur Raumvorstellung: Oben und unten bezeichnen das Verhältnis von Schöpfung und Auferstehung, rechts und links das von Gericht und Barmherzigkeit, und vorne und hinten das von Im Angesicht und Hinter dem Rücken.
16.01.94
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