16.06.92

Verhält sich der Begriff der Materie zu dem des Staubs wie der Name der Barbaren zu dem der Hebräer (vgl. den Fluch über die Adam und die Schlange in der Geschichte vom Sündenfall und den etymologischen Hinweis bei Loretz)? Auf beide (auf den Begriff der Materie und den Namen der Barbaren) bezieht sich das Gebot der Feindesliebe.
Die Trennung der Sprachen nach dem Turmbau zu Babel: Ist das nicht die Trennung verschiedener Exkulpationsstrategien, deren Wirkung bis in die grammatische Struktur der Sprachen hineinreicht?
Sprache drückt heute nicht mehr die Ziele der Politik aus, die nach alter preußischer Maxime der beschränkte Untertanenverstand ohnehin nicht begreift, sondern Sprache scheint endgültig zu einem Exkulpationsritual zu regredieren. Dem Volke nach dem Maule schaun heißt eigentlich: dem Volke ein Maul verschaffen, nach dem sich dann gut reden läßt.
Zum Kelch in der Gethsemane-Geschichte: vgl. Jer 517 (zu Jer 519 vgl. die Stellen über die Sünde wider den Heiligen Geist, Mt 1231f und Joh 821). – Ist nicht Babel (auch im Petrus-Brief) der Inbegriff der Sünde wider den heiligen Geist? Und hängt das nicht mit dem Bild des Taumelkelchs zusammen (in dessen Folge heute noch Trunkenheit als exkulpierender Tatbestand gilt – Zusammenhang mit dem Herrendenken)?
Ist nicht die transzendentale Logik ein Faradayscher Käfig, mit dem sich die Vernunft gegen die Blitze der Einsicht abschirmt? -Kein Zufall, daß das Auto zum Realsymbol des Subjekts geworden ist.
Zur Differenz zwischen Katholizismus und Protestantismus (oder zum Verhältnis von Bekenntnis und Eigentum):
– Es gibt katholische Banken, während protestantische Banken undenkbar sind (für den Protestantismus ist es ein Säkularinstitut, das man aus Rechtfertigungsgründen andern überläßt). Es gibt kein protestantisches Pendant zur Banco di spiritu santo.
– Die katholische Kirche verwaltet Dogma und Sakramente (den kirchlichen Gnadenschatz) wie einen eigenen Besitz, während der Protestantismus die Lehre und die Gnaden wie ein kapitalistischer Unternehmer gleichsam auf Kreditbasis produktiv zu nutzen bestrebt ist (nur in diesen Kontext paßt die lutherische Rechtfertigungslehre).
Steckt in dem Paradigma, das die christliche Kreuzes- und Opfertheologie fast unangreifbar macht, nicht etwas von der Erinnerung an den nationalistischen Heldentod? Das Wort, daß „niemand eine größere Liebe“ zeige, „als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“, führt, durch den logischen Schein der subjektivierten Teleologie, mitten in die neue Idolatrie hinein.


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