16.10.93

Füllt das homousion nicht die Lücke aus, die die Umwandlung des homologein ins Bekenntnis hinterlassen hat, überbrückt es nicht falsch den Abgrund, den das Bekenntnis aufgerissen hat?
Durch das homousion ist die Theologie zur Magd der Philosophie geworden.
Das homousion ist der Kompromiß zwischen der Vergöttlichung des Kaisers und dem Christentum. Ein Kompromiß, der durch die Ohnmacht gegenüber der Gewalt des Weltbegriffs erzwungen wurde.
Ist das johanneische en arche dem mosaischen bereschit deckungsgleich, bezeichnen beide Worte den gleichen Sachverhalt, den gleichen „Anfang“?
Ist der johanneische logos nicht eine theologische und politische Kategorie zugleich, und worauf bezieht er sich: auf die Schöpfung der Welt oder auf die Erschaffung von Himmel und Erde (Joh 13: Alle Dinge sind durch dasselbe geworden, und ohne dasselbe ist auch nicht eines geworden, das geworden ist)? Wenn die Einfügung des homousion ins Credo (der dogmatische Sündenfall der Kirche) nicht zuletzt dem kaiserlichen Eingriff Konstantins sich verdankt, so spricht einiges dafür, daß zumindest Konstantin (und möglicherweise nur er) wußte, was er tat.
Liegt hier nicht der Grund der paulinischen Obrigkeits-Lehre und des paulinischen Satzes, wonach am Ende, wenn dem Sohn alles unterworfen sein wird, „auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen wird, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei“ (1 Kor 1528)?
Verschiebt sich das Problem der dogmatischen Theologie nicht immer deutlicher in die innertrinitarische Beziehung von Vater und Sohn: in den Begriff der Zeugung?
Die Logik, der der Naturbegriff seine ganze Gewalt (und seine verborgene christologische Struktur) verdankt, ist die Logik der Exkulpation; mit der gleichen Logik wälzen die Arbeitgeber ihre eigenen Fehler auf den Markt ab und lassen für die Folgen die Arbeitnehmer haften; und es ist die gleiche Logik, mit der wir IHM die ganze Last aufbürden, um dann schlicht und frech zu behaupten, er habe die Sünden der Welt hinweggenommen.


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