16.12.90

Der Personbegriff konstituiert sich durch Neutralisierung der „persönlichen Fürwörter“, durch Verdrängung der Differenzen zwischen Ich, Du und Er; das aber heißt: in der Neutralisierung und Verdrängung des besonderen Schuldverhältnisses (der Grundlage dessen, worauf sich das Nachfolgegebot bezieht, und des Verständnisgrundes des parakletischen Denkens) und durch Konstitutierung des allgemeinen Schuldzusammenhangs (abgesichert durch den Weltbegriff). Person ist das Selbst als Objekt: jemand, über den hinter seinem Rücken gedacht und geredet wird. Der Begriff der Person gehört zu der durchs Tauschprinzip definierten Gesellschaft wie der Pass zum Staat (vgl. Brecht: Flüchtlingsgespräche). Person ist das Objekt der Identifikation (durch den Namen, durchs Bild und durch die individuellen Merkmale). Zusammen mit der Einführung des Personbegriffs in die Theologie (in der lateinischen Variante der Dogmenentwicklung) wurde Christus zum Eigennamen (schon im 2. Petrusbrief werden die Begriffe Soter und Christus zusammen verwendet, der des caesarischen Retters, der den hebräischen go’el verdrängt, mit dem des jüdischen Messias, den er dann neutralisiert, überdeckt und verdrängt: Grund der getrennten christlichen Kaiser- und Königstradition). Physei ist thesei: Seit wann gibt es „die Natur“ als Totalitätsbegriff? In der philosophischen und theologischen Tradition wurde Natur als die von Einzeldingen (bis hin zu den zwei Naturen in Jesus) verstanden, in enger Beziehung zum Wesensbegriff. In der griechischen Philosophie (bei Aristoteles) hatten Bedeutung und Funktion dieses Begriffes die Idee einer ungeschaffenen, mit Gott gleich ewigen Welt zur Voraussetzung. Vorausgesetzt war die klare Trennung von physei und thesei: von Natürlichem (als nicht Geschaffenem) und gesellschaftlich Bedingtem. Der logische Zwang dieser Trennung war über den Ursprung des Weltbegriffs politisch vermittelt (in der Geschichte der orientalischen, ägyptischen, hellenistischen und römischen Staatsidee). Der moderne Naturbegriff dagegen hat das entwickelte Bürgertum zur Voraussetzung. (Das biblische Herrschaftsgebot: Macht euch die Erde untertan, bezieht sich nicht auf die Natur – es ist nicht imperialistisch -, sondern auf die Erde: Es schließt den/die Himmel nicht mit ein; erst das kirchliche Christentum hat versucht, auch den Himmel sich untertan zu machen, und damit die Voraussetzungen für den totalitären Naturbegriff und eine grenzenlose Naturbeherrschung geschaffen.)


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