Der Protestantismus hat die Erlösung als „Rechtfertigung“ an das Bekenntnis des Trinitätsdogmas gebunden: Produkt der Feigenblatt-Logik.
Ist die Berufung (die zur Logik der Verwaltungstheologie gehört, zur priesterlichen Verwaltung der Tradition) nicht das Gegenstück zur Bekehrung (zu der sie sich ähnlich verhält wie der Ruf zur Umkehr, das Hören zum Tun)?
Ist nicht Heidegger ein Produkt der Trinitätslehre (Rückverwandlung des Priestertums ins Schamanentum)?
Das Substantiv ist der Staub, zu dem das Männliche wird (und den die auf dem Bauche kriechende Schlange frißt).
Erst im Deutschen ist der Gehorsam endgültig vom Hören getrennt worden.
Die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren vom Gegenblick, vom Angeblicktwerden. Ist dieser Gegenblick nicht die Sprache, deren Wurzel der Gottesname ist, und ist die Abstraktion, die die Formen der Anschauung verkörpern, nicht diese Abstraktion von der Sprache? Das Leuchten Seines Angesichts ist ein sprachlicher Sachverhalt: die in der Sensibilisierung der Wahrnehmung und Erfahrung sich selbst ganz durchsichtig gewordene Sprache. Daß Gott den Menschen „nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes“ erschaffen hat, verweist auf zwei unterschiedene Aspekte der menschlichen Sprache.
Indem Kopernikus den Raum ins Unendliche öffnet, verschließt er ihn gegen die Sprache.
Perfekt: Kontrafaktische Urteile gibt es nicht nur in der Geschichte, sondern ebenso in der Theologie; sie sind in beiden Fällen der Schatten des Indikativs: Liegt hier nicht der Ursprung des Problems der kontrafaktischen Urteile, ist nicht die Vergegenständlichung Gottes die Voraussetzung der Geschichtsschreibung (und die Geschichte, Inbegriff der vollendeten Vergangenheit, das genaue Korrelat sowohl der vergegenständlichten Natur, die wie die Vergangenheit dem Eingriff des Menschen entzogen ist, als auch der Theologie hinter dem Rücken Gottes)?
Der Folie, vor der kontrafaktische Urteile als solche sich erweisen, sind in der Geschichte die erwiesenen Tatsachen, während es in der Theologie die dieser Wissenschaft eigentümliche Logik ist. Diese Logik hat eine dem Begriff der Tatsache (an dem kontrafaktische Urteile sich müssen messen lassen) vergleichbare Struktur und Gegenständlichkeit.
Haben nicht die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie, hat nicht eigentlich das Dogma insgesamt die gleiche Funktion innerhalb des Christentums, die der Historismus für das Weltbewußtsein hat (wodurch unterscheidet die moderne Geschichtsschreibung von der antiken)?
Die Trinitätslehre ist ein erstes Produkt der Säkularisation, sie folgt aus dem logischen Gebrauch des Satzes, aus dem die ganze Hegelsche Philosophie sich herleiten läßt: Das Eine ist das Andere des Anderen. Hegels Philosophie läßt sich als die Auflösung der Logik dieses Satzes zugunsten des Anderen begreifen. Deren Anfang liegt im spekulativen Trinitätsbegriff der patristischen Theologie (in der „asymmetrischen Spiegelung“ der Eigenschaften und Tätigkeiten der „göttlichen Personen“). Was bei Plato noch eine isolierte Bemerkung war, gewinnt mit der Trinitätslehre die systembildende Kraft, die dann bei Hegel sich vollendet. Die Trinitätslehre ist ein Produkt dessen, was Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ des Denkens genannt hat.
Die Trinitätslehre steht (wie die Tiere) unterm Bann des Weltbegriffs, dessen Apriori in dem System der sich wechselseitig bedingenden und reflektierenden Instrumentalisierungen sich manifestiert). Sie macht das Christentum zur Religion für andere (und damit im strengen Sinne zur Religion): So ist sie zur Grundlage der Priesterreligion geworden (die Luther durchs allgemeine Priestertum zur allgemeinen Religion: zur alles durchdringenden Logik des Bewußtseins gemacht hat).
Die Trinitätslehre steht in einer gleichsam magnetischen Beziehung zum Nationalismus: Beide sind wie die ungleichnamigen Pole eines Magenten durch wechselseitige Anziehungskräfte verbunden. Das Magnetfeld wird durch die Bekenntnislogik erzeugt. In ihm ist sie zugleich ein Nationalismus-Generator.
Die Trinitätslehre ist der Kälteschock, der es der christlichen Tradition ermöglichte, im Gefrierhaus Welt zu überwintern (die Trinitätslehre heult mit den Wölfen). Nur so hat die Tradition zweitausend Jahre Christentum überleben können.
16.8.1995
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