17.01.92

Bekenntnis und Eid: Schließt das Verbot zu schwören (Mt 533f, Jak 512) nicht auch gegen das Bekenntnis mit ein?
Zum Begriff der Gemeinheit: „Wehe der Welt mit ihrer Verführung! Es muß zwar Verführung geben; doch wehe dem Menschen, der sie verschuldet.“ (Mt 187) Verführung durch Akkusativierung, durch Anklage: Im Urteil der Welt wird die Liebe zum Opfer (zur demütigenden „Aufopferung“), gegen die das Selbstbewußtsein sich behaupten muß. Aber gelingt das nicht doch nur denen, die ohnehin oben sind; und sperrt es nicht die, die unten sind, in ihrer Angst ausweglos und unrettbar ein: verführt sie zum Selbstmitleid und zur selbstzerörerischen Wut? (Die enttäuschte Liebe und der „Schrecken um und um“ suchen ihre Opfer; Adorno: Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner mehr zu lieben fähig ist.)
Die Frage des Pilatus „Was ist Wahrheit“ spiegelt das Grundproblem jeglichen Rechts, die Beziehung von Schuld und Beweisbarkeit, wider. Im Rechtsstreit ist Schuld nur Schuld, wenn sie beweisbar ist; nicht beweisbare Schuld ist für das Recht nicht existent, nicht wahr. Das ist der systematische Grund dafür, daß Gemeinheit, die diese Lücke ausnützt, kein strafrechtlicher Tatbestand ist. War das Verfahren gegen Jesus nicht eigentlich ein Verfahren gegen das Recht? Und hat die Einbeziehung der Reflexion von Schuld in den Wahrheitsbegriff (die die Grundlage ist für die Kritik der Naturwissenschaften und des Weltbegriffs) nicht weiterreichende theologische Folgen (die Objektivierung stellt Schuld nur fest, reflektiert sie nicht, kennt keine Versöhnung: Wahrheit aber schließt die Idee der Versöhnung mit ein, die weiterreicht als der kommunikationstheoretische Konsens)?


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