Ist die Religion Kanaans eine Händlerreligion, und die Sprache Kanaans eine Händlersprache? Und war die Hellenisierung des Christentums nicht eigentlich eine Baalisierung?
Die Dudensprache ist ein Sekretärinnen-Sprache: autoritär, nicht mehr verständlich zu machen, positivistisch, eine Sklavensprache. Sie schließt ein reflektiertes Verhältnis zur Sprache aus.
Die Theologie befindet sich heute in der Situation des Kafkaschen Schauspieldirektors. Aber das Wechseln der Windeln ist sicherlich nicht in jeder Hinsicht eine angenehme Tätigkeit.
Die Vorstellung einer creatio mundi ex nihilo scheitert eigentlich schon daran, daß dieses nihil als ein Absolutes vorgestellt wird: Vorher war nichts, und dann war die Welt. Aber das nihil absolutum gibt es nur unter der Voraussetzung der Raumvorstellung: als Vorstellung des leeren Raums, des Vakuums; im übrigen gibt es die Verneinung nur als bestimmte Verneinung. Aufgabe und der Zweck der Vorstellung einer absoluten Negation ist es, die Vergangenheit zu neutralisieren, die Last der Vergangenheit abzuwerfen. Ist dieses nihil nicht ein Deckbegriff der verdrängten Vergangenheit: der abgeworfenen Last, und diese Beziehung zur Vergangenheit eine logische Voraussetzung des Weltbegriffs? Wer ist dann der creator mundi?
Die Bemerkung von Oswald Loretz, daß zum Hosianna ein Vokativ gehört (Hilf, o Sohn Davids, nicht: Hosianna dem Sohne Davids; vgl. Mt 219 und den hier zitierten Ps 11825f), löst das Rätsel, auf das Geza Vermes hinweist. Aber was bedeutet es, wenn ein Hilfeschrei zum Lobgesang (der Gekreuzigte zum Gott) umgefälscht wird? Wie verändert sich dadurch die ganze Palmsonntags-Geschichte? Drückt in dieser Veränderung nicht ein zentrales Moment der christlichen Ursprünge sich aus? Ruft hier nicht der eine Ertrinkende dem andern zu „Rette uns“, beide gehen unter, und der Untergang des einen wird von allen andern als Erlösung verstanden?
Die Materie trägt den Namen der Mutter; sie ist Inbegriff der Reduzierung aller Dinge auf ihr Für-anderes-Sein. Das Goethesche „zu den Müttern“ ist eine Variation des Rousseauschen „Zurück zur Natur“. Und Natur trägt die Erinnerung an die Zweideutigkeit ihres Ursprungs an sich: sie ist als physis das Gezeugte und als natura das Geborene. Die Natur ist gleichsam das entfremdete Subjekt-Objekt der Materie. Lassen sich die prophetischen Gestalten der Unzucht: die Idolatrie und die Hurerei („unter jedem grünen Baum“ und „auf jedem hohen Berg“), auf die Ursprungsgeschichte des Natur- und Materiebegriffs beziehen, die selber wiederum einer projektiven Ableitung aus der objektivierenden Gewalt der Geldwirtschaft sich verdanken? Nicht zufällig ist Kanaan das Zentrum der Bibel (das Zentrum der biblischen Kritik und Verheißung).
Zu Jes 178, 279: Sind die kanaanäischen Ascheren und Sonnensäulen Vorbegriffe von Natur und Welt? – Vgl. Loretz, Ugarit und die Bibel, S. 85.
Der Weltbegriff organisiert die Erfahrung in einer Weise, durch die sie apriori gegen jede theologische Erkenntnis sich immunisiert. Ein anderer Ausdruck davon ist der Satz, daß das Christentum seit den Kirchenvätern Theologie hinter dem Rücken Gottes betreibt. Erst eine Theologie im Angesicht Gottes löst den Naturbegriff auf und sprengt den Weltbegriff.
Läßt sich die Geschichte der drei Leugnungen (und das Moment der Steigerung in der Abfolge der drei Leugnungen) nicht als die Geschichte der Verwechslung von vorn und hinten (Urschisma und Entwicklung des Dogmas, oder die Verletzung des Armutsgebots), rechts und links (Islam und Scholastik, oder die Verletzung des Gehorsamsgebots) und oben und unten (Aufklärung und Theologie, oder die Verletzung des Keuschheitsgebots), die dann in der Selbstverfluchung endet, und d.h. insgesamt als die Geschichte der Rückkehr der sieben unreinen Geister beschreiben?
– Die Austreibung der sieben unreinen Geister,
– die Umkehr, die den Baum der Erkenntnis in den des Lebens zurückverwandelt,
– die Verwandlung des steinernen in ein fleischernes Herz,
– der neue Geist, den Gott in das Innere senkt,
– die Gotteserkenntnis, die die Erde erfüllt wie die Wasser den Meeresboden bedecken,
beschreiben einen Vorgang, ein Ereignis.
Die Weigerung, barmherzig zu sein „wie euer Vater in den Himmeln barmherzig ist“, ist die Leugnung des Heiligen Geistes, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird.
Die Naturwissenschaft als Kloß im Hals der Theologie: Wird hier nicht die Theologie wie die Gans gemästet, die Christen Jahr für Jahr zu Weihnachten schlachten?
17.01.94
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