Alles war wüst und leer, Finsternis über dem Abgrund, der Geist Gottes über den Wassern: Ist das nicht der Zustand, in den das Inertialsystem das Geschaffene zurücktransformiert? Und war der Anfang eine angesichtslose Katastrophe, in der das Licht des ersten Schöpfungstages den Beginn und die Erweckung des Antlitzes bezeichnet?
Ist die Übersetzung „Sende aus deinen Geist, und du wirst das Antlitz der Erde erneuern“ korrekt; worauf bezieht sich dann das „Erneuern“?
Ist nicht der Ausdruck „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ deshalb unverständlich geworden (vgl. Goody, S. 81), weil die Christen nur die andere Seite dieses Satzes interessiert und verstehen: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“
Der Kulturfortschritt liegt in der Linie des Kain, allerdings mit dem Ergebnis, daß am Ende Lamech nicht mehr siebenfach, sondern siebenundsiebzigfach sich rächt (wogegen Jesus die siebenundsiebzigfache Vergebung setzt). In welcher Beziehung steht dann der Stammbaum Sets zu dem des Kain?
Kain 1 Set 0912 Jahre
Henoch 2 Enosch 0815 Jahre
Irad 3 Kenan 1905 Jahre
Mehujael 4 Mahalalel 4910 Jahre
Metuschael 5 Jered 3895 Jahre
Lamech 6 Henoch 2962 Jahre
Jubal/Tubal-Kajin 7 Metuschelach 5969 Jahre
Lamech 6 777 Jahre
Noach 7
Welche Verschiebung würde sich beim Vergleich mit dem Sechstagewerk ergeben (ein Tag wie tausend Jahre)?
Ist nicht Schelers Frage „Was ist der Mensch“ obszön? Vor allem aber: Warum hat das niemand bemerkt?
Drückt nicht im heute sogenannten Umweltbewußtsein, in den Umweltproblemen, eine konkretistische Variante der Wahrheit sich aus: der unbegriffene Weltbegriff? Ursprung des Weltbegriffs: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren, und sie schämten sich“. Das der Scham zugrundeliegende Bewußtsein, die Selbsterfahrung im Blick der anderen, ist der Kern des Weltbegriffs.
Mit der subjektiven Form der äußeren Anschauung ist die Identifikation mit dem Aggressor (mit dem Blick des anderen) mitgesetzt; deshalb ist die kantische Philosophie keine Schulphilosophie mehr, sondern eine Weltphilosophie (wie dann wieder die Hegelsche). Seitdem gibt es keine Alternative mehr zum intenionalen Akt, zum Objektbegriff und zum historischen Objektivationsprozeß, ist der Begriff der Umkehr gegenstandslos geworden. So ist die Welt alternativlos zu allem, was der Fall ist, geworden.
„Er ging hinaus und weinte bitterlich“: Das ist sehr viel ernster, eingreifender und erschüternder, als es klingt. Der Schutzpanzer, mit dem wir glauben, uns die Erfahrung vom Leibe halten zu können, ist so sehr mit Objektivität insgesamt verwachsen, daß es fast unmöglich geworden ist, ihn abzulegen; er ist zum Nessushemd zu geworden, in dem wir ersticken.
Ich glaube, soviel Sündenböcke, wie wir bald brauchen werden, gibt’s garnicht.
17.09.92
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