17.1.1995

Die Gottesfurcht ließe sich definieren als die Rücknahme des projektiven Denkens (als Produkt der Metanoia), so wie umgekehrt der projektive Erkenntnisbegriff aus der Strategie der Gottesfurcht-Vermeidung sich ableiten läßt (das Neutrum als Kern eines Schuldverschubsystems).
Der Weltbegriff ist der Inbegriff und der Versuch der Selbstlegitimation des projektiven Denkens.
Logik und Funktion des Substantivs wären anhand der Logik und Funktion des idealistischen Ich zu demonstrieren.
Zur Unterscheidung des Anderen vom Fremden: Das Andere ist das, was Fichte das Nicht-Ich genannt hat, eine systemimmanente, logisch aufs Ich bezogene und zugleich den Weltbegriff fundierende Bestimmung. Während der Andere ichfremd ist, bezeichnet der Name des Fremden ein der eigenen Welt Fremdes, etwas Gattungsfremdes: Hier liegt der Grund, weshalb Xenophobie nur rassistisch sich begründen läßt.
Sind Sodom, Jericho und Gibea nicht auch Decknamen des Hellenismus (und die Fremden in diesen Städten für deren Bewohner „Barbaren“)? Sodomitisch ist die Xenophobie, deren Beziehung zum biblischen Begriff der Unzucht aus den biblischen Texten sich entnehmen läßt.
Die Sexualmoral und das Tier: Indem die Sexualmoral der bloßen Tabuisierung zuarbeitet, die Reflexion verhindert, enthumanisiert sie die von ihr beherrschte Gesellschaft. Die Sexualmoral entzieht den Bereich der Gattung der Reflexion: Sie ist sie im Kern rassistisch.
Tiere sind Verkörperungen erstarrter, verdinglichter Projektionsmechanismen; deshalb sind sie erfahrungsunfähig.
Die Forderung, das projektive Denken zurückzunehmen, das betrifft insbesondere den Gebrauch, den die Theologie von der Schrift macht. Die „Unheilsprophetie“ und die Schreckensbilder der Apokalypsen sind nicht auf andere anwendbar: sie sind Konkretisierungen der Gottesfurcht. Man könnte auch sagen: Nur die göttlichen Verheißungen gelten für alle, die göttlichen Gebote gelten nur für mich.
Die Rücknahme der projektiven Verarbeitung der Apokalypse (die nur so als Quelle der Angst, als Herrschaftsmittel, sich ausbeuten läßt) hat insbesondere zur Folge, daß der Glaube in den apokalyptischen Bildern und Symbolen nicht in der Opferrolle, sondern in der des Täters sich reflektiert.
Ist nicht durch das Sabbath-Gebot für die jüdische Tradition die Astrologie ab ovo zeitlich, und nicht räumlich begriffen worden? Und gewinnt hier nicht die Begründung des Sabbath-Gebots durch ihre Beziehung sowohl auf das Sechs-Tage-Werk als auch auf den Exodus ihre enscheidende Bedeutung?
War Paulus nicht in der Tat der Völker-Apostel (und der Begleiter des Petrus, mit dessen Gedächtnis sein Gedächtnis zusammen gefeiert wird)? Und ist er dadurch nicht zum „Erfinder“ des Christentums geworden und zum Urheber der ersten der drei Leugnungen (das Modell des „falschen Propheten“, der „zwei Hörner hat wie das Lamm und redet wie der Drache“)? So wurde er zwar in den dritten Himmel entrückt, aber der Himmel stand ihm nicht offen (zuletzt dem Stephanus). Gehören die Dämonen-Geschichten der Evangelien (sowie die merkwürdige sachliche Affinität des Petrus zu den Dämonen) in diesen Kontext?
Ist nicht die Übersetzung der Schrift ins Erbauliche insgesamt das Produkt ihrer projektiven Verarbeitung? Alle negativen Bilder werden auf andere bezogen und so für die Gottesfurcht unschädlich gemacht, neutralisiert.
Die drei Versuchungen, das waren:
– die Versuchung, Steine zu Brot zu machen,
– die Versuchung, sich (von der Zinne des Tempels) hinabzustürzen, und
– die Herrschaftsversuchung.
Sind sie nicht alle auf die Kirche, die ihnen verfallen ist, zu beziehen? Was waren die Antworten Jesu auf die Versuchungen? Der Hinweis, daß
– „der Mensch … nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“, lebt;
– „du … den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen“ und
– ihn „anbeten und ihm allein dienen“ sollst.
Sind das nicht allesamt Mahnungen an die Kirche?


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