Hat das Mittelalter (nach der irischen/pseudodionysischen Revolution) den Satz des Kohelet „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ auf den Mond bezogen (und daraus seine Kosmologie entwickelt), und war dieser Paradigmenwechsel der Katalysator der kosmologischen Remythisierung der Theologie, ihrer Verschmelzung mit der Herrschaftslogik?
Die Gravitation, die seit Newton zum Zentrum der modernen Astronomie und Kosmologie geworden ist, ist (wie das Medium der elektromagnetischen Prozesse und wie die Objekte der Mikrophysik, eigentlich wie unsere Vorstellungen und Begriffe insgesamt) unsichtbar.
Gibt es nicht zwei getrennte und von einander zu unterscheidende natürliche Zyklen, des Tages- und den Jahreszyklus? Wodurch unterscheiden sich diese beiden Zyklen? Hat nicht die zyklische Folge von Tag und Nacht eine andere Qualität als die der vier Jahreszeiten? Gründet die zyklische Folge von Tag und Nacht in dem Wechsel von Oben und Unten, die der Jahreszeiten in der wiederkehrenden Folge der vier Himmelsrichtungen?
Sonne und Mond sind auf den Tag und die Nacht bezogen. Haben Jupiter, Mars, Venus und Merkur etwas mit den vier Jahreszeiten (und den Himmelsrichtungen) zu tun (sind die vier apokalyptischen Reiter Repräsentanten dieser vier Planeten)? Und ist der Saturn, der siebte Planet, der Planet des Sabbats?
Zur Venus: Hat nicht jede Lust Anteil an der Euphorie des Sterbens (und ist nicht die kantische Ästhetik als Theorie der Urteilslust, eine Theorie der Euphorie – nicht aber des Glücks, das das Erwachen voraussetzt)?
Dazu gibt es eine dritte Periodik: die der „Sothis-Periode“. Bezieht sich hierauf das Wort „Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“?
In der jüdischen Tradition sind nur gehörnte Tiere Opfertiere. Welche Opfertiere gibt es, und welche Tiere haben außerdem noch Hörner? Was hat den Bock zur Symbolfigur des Teufels gemacht?
Leben wir nicht in sadduzäischen Zeiten: Niemand glaubt mehr an die Auferstehung.
Zum Kelch von Getsemane gehört der Schlaf der Apostel.
Waren nicht die Evangelien die ersten Angehörigen-Infos? Auch sie waren in erster Linie getragen von den Müttern.
Als Jesus sagte: „Denn wer den Willen meines Vaters in den Himmeln tut, der ist mit Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 1250 parr), da nannte er nicht den Vater (bei Lk fehlt auch die Schwester).
Ist nicht die Gnadenlehre eine postdogmatische (und in dem Sinne lateinische) Lehre, setzt sie nicht das zur confessio geronnene Dogma voraus? Ist sie nicht der Reflex auf das, was man die Gravitationserfahrung nennen könnte (die Unaufhebbarkeit der Schwere, die Abgeschlossenheit und Unentrinnbarkeit der unteren, irdischen Welt)? Ist das Dogma die Schrift an dem sonst unerreichbaren Himmel?
In der Kabbala gibt es zu dem Psalmvers „Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr“ auch die Version „Aus der Tiefe rufe ich dich, o Herr“: Die Frage bleibt offen, wer in der Tiefe, wer unten ist.
„Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser“ (Buber-Übersetzung von Gen 12). Hat dieses „über“ etwas mit jener Tiefe zu tun? Ist es das gleich (unaufhebbare) „über“, das die Beziehung des Begriffs zum Objekt definiert (und ist die Oben-Unten-Beziehung eindeutig nur in dieser Beziehung)?
Die Gravitation bezieht sich auf das stumme Innere der Dinge, das Licht auf ihre farbige Außenseite (nur als Wärme dringt es auch in ihr Inneres).
Haben die Attribute des Tieres aus dem Wasser und des Tieres vom Lande etwas mit dem Satz „Der Himmel ist sein Thron und die Erde der Schemel seiner Füße“ zu tun?
Die Propheten in den Büchern Samuel und Könige sind Königspropheten, erst die Schrift-Propheten handeln im Angesicht der Großreiche, der drohenden, dann auch eintretenden Unterwerfung Israels unter äußere Mächte.
Ist nicht Walter Benjamins Bemerkung über die Beziehung des Profanen zum Messianischen der Schlüssel für den Satz, wonach am Ende, wenn Gott alles unterworfen sein wird, sich auch der Sohn Ihm unterwerfen wird, und Gott alles in allem sein wird (1 Kor 1528)?
Daß das Lesen öffentlicher und intimer zugleich ist als der unmittelbare Umgang, widerlegt die Bedeutung, die seit Buber dem Begriff der Begegnung beigelegt wird.
War nicht der habermassche „Verfassungspatriotismus“ (zusammen mit der Akzeptierung eines Rechts, das nur durchs formal geregelte Verfahren, nicht mehr inhaltlich sich legitimiert) nur die vornehmere Version der hitlerschen Abschaffung des Gewissens („dieser jüdischen Erfindung“)?
Vgl. Mt 548 („seid vollkommen, wie auch euer himmlischer Vater vollkommen ist“) und Lk 636 („seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“).
Liegt nicht das Problem der Vertriebenen-Verbände darin, daß insbesondere Schlesien seit dem siebenjährigen Krieg ein Legitimationsland war (Ursache des Übergangs der Reichsgewalt von Österreich an Preußen)? Liegen hier nicht auch die Gründe für einige Eigenheiten Schlesiens, insbesondere für die merkwürdige Gestalt des schlesischen Katholizismus (eine Mischung aus Anpassung, Hybris und Sentimentalität). Hat es nicht schon in Adenauers Zeiten, und jetzt erneut nach der „Wiedervereinigung“, eine zwar nicht offizielle, darum aber nicht weniger wirksame Politik gegeben, die (aus Gründen der Legitimität) auf die Revision der Ergebnisse des letzten Krieges hinausläuft?
Die schriftstellerischen Fähigkeiten Christinas von Braun profitieren offensichtlich von ihrer Arbeit als Filmemacherin, von ihrer Fähgikeit, Themen in Handlungen zu übersetzen. Aber ist das nicht eine Anforderung, die an jede „Theorie“ zu stellen ist, daß sie aufhört, bloß „objektiv“ über Sachen zu reden, diese Objektivität vielmehr aufbricht, sie aufschlüsselt mit Hilfe der Logik des Handelns anstelle der des Seins, mit Hilfe der Ethik anstelle der Ontologie (war das nicht der parvus error in principio von Habermas, daß er das Handlungskonzept durch ein Kommunikationskonzept <die Handlungsgemeinschaft durch die Kommunkationsgemeinschaft> ersetzt, damit gleichsam die Ontologie durch die Hintertür wieder eingeführt hat)?
Gilt dieses Projekt des Aufbrechens der Objektivität nicht auch für die Geschichte der Theologie (und hier vor allem für die Opfertheologie, die das Handeln ontologisiert hat)?
Den Bann des Mythos sprengen, heißt: den ihm einbeschriebenen Bann der Vergegenständlichung und damit den logischen Kern der Schicksalsidee sprengen. Ist nicht die transzendentale Ästhetik in jeder Gestalt die instrumentalisierte Schicksalsidee, und reproduziert sich nicht durch sie der Mythos in der Aufklärung? Deshalb ist der Titel der Adornoschen „Ästhetik“ falsch: Angemessen wäre der Titel Kunstkritik (ebenso wie Kapitalismuskritik, Kritik der Naturwissenschaften, Kritik der Geschichte: Kritik des Weltgerichts, des blinden Flecks, der Verblendung durch Objektivität).
17.7.96
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie
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