18.02.94

Die Frage, was es mit der „Leberverfettung“, die er bei der Ultraschall-Untersuchung festgestellt hatte, auf sich habe, beantwortete der Arzt heute nur mit dem Hinweis, es sei eine allgemeine Wohlstandserscheinung. D.h. er ließ die Frage, die auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen sich bezog, unbeantwortet. Seine Antwort unterstellte, daß Normabweichungen Schuldgefühle hervorrufen, daß diese hier aber unerheblich seien, da es sich um eine allgemeine Erscheinung handle (die Leberverfettung ist nur medizinisch eine Normabweichung, nicht aber gesellschaftlich). – Welche Vorstellung haben diese Ärzte eigentlich von ihren Patienten, und welche Erfahrungen machen sie mit ihnen: kann es sein, daß es den Patienten heute vorrangig um den Abbau von Schuldgefühlen geht und nicht um das Menschenrecht, über ihre gesundheitlichen Probleme informiert, sachgemäß therapiert und am Therapieprozeß selber beteiligt zu werden? Und konvergiert das nicht mit der Absicherung des Interesses von Ärzten, den Patienten aus der Therapie herauszuhalten, ihn auf die reine Objektrolle zu fixieren, vom Therapiebedürfnis abzulenken, um dann umso ungestörter dem Eigeninteresse an einer möglichst umfassenden Nutzung aller abrechnungsrelevanten Untersuchungen, die sich aus der Symptomlage ableiten lassen, nachgehen zu können?
Die Unterscheidung von Ding und Sache (Grund der modernen europäischen Sprachen und Institutionen) ist durchs kirchliche Christentum (durch Dogma und Bekenntnislogik) vermittelt. Im Lateinischen waren beide noch ungeschieden in der res enthalten (wie im Griechischen im pragma). Liegt nicht das kantische Ding an sich in der Linie der Konsequenz der mittelalterlichen katholischen Eucharistie-Verehrung (und diese in der opfertheologischen Umformung der res publica)? Läßt nicht das Spezifische der Hegelschen Logik an der zentralen Stellung des Dingbegriffs in ihr (und seiner Beziehung zur Logik des Dogmas) sich entfalten? Zum Verhältnis von Ding und Eigenschaft (zum hypostasierenden, verdinglichenden Denken) gibt es weder in der griechischen Philosophie noch in der lateinischen Theologie eine Entsprechung. Die logische Ableitung dieses Verhältnisses, deren Voraussetzung die kantische Erkenntniskritik als Transzendentalphilosophie geschaffen hat, war erst im Kontext der Hegelschen Logik möglich, die durch den Dingbegriff den Rahmen einer bloßen Urteilstheorie gesprengt, zugleich aber den mit der Opfertheologie in der Theologie selber initiierten Säkularisationsprozeß zu Ende geführt hat.
Hat das „dritte Bewußtsein“ (Ph.d.G., S. 399) etwas mit der dritten Leugnung (dem Eindringen der Umstehenden, der Welt, auf Petrus) zu tun? Ist das Ziel der Aufklärung das Wissen fürs dritte Bewußtsein (Beweislogik und Zeugenschaft): ein Wissen, dessen Subjekt die Welt ist (Begriff der Wissenschaft)?


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