Die Wüste vorn (im Angesicht), das Meer hinten (hinter dem Rücken): Hat das etwas mit dem tohu, dem Thalesschen Wasser, mit der Sintflut, dem Geist über den Wassern, der Trennung der Wasser, mit dem Wunder von Kana zu tun? Der Name gehört zum Angesicht, der Begriff ist hinter dem Rücken.
Adornos Satz „Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist“, findet seine konkrete Anwendung in einem Denken, dessen Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, sich selbst zu beweisen, daß die Welt nicht so ist, daß man sie lieben könnte. Der Durchbruch zu diesem Beweis war der Ursprung der Philosophie.
Die Rezeption des Weltbegriffs hatte die Konstituierung der Bekenntnislogik zur Folge, inhaltlich wurden beide abgesichert durch das Konzept der Opfertheologie: Darin lag die Notwendigkeit der christlichen Theologie begründet. Sie hat einen Prozeß ausgelöst, der am Ende auch die Theologie selber ergreift, sie gegen ihren eigenen Inhalt absperrt.
Haben sich nicht die beiden subjektiven Formen der Anschauung der kantischen Transzendentalphilosophie in den beiden Totalitätsbegriffen Natur und Welt kontrahiert? Darin ist es begründet, wenn die transzendentale Ästhetik Kants in der Folge immer als Rechtfertigung der subjektiven Anschauungsformen statt als Kritik verstanden wurden.
Zukünftige Vergangenheit und vergangene Zukunft: Aus dem Relativitätsprinzip (und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) den Beweis dafür entnehmen, daß das Vergangene nicht nur vergangen ist. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit drückt diesen logischen Sachverhalt (den Knoten, der zu lösen wäre) aufs genaueste aus.
Die Verwechslung des Absoluten mit Gott gründet in der Verwechslung des Überzeitlichen mit dem Ewigen. Im Licht der „überzeitlichen Wahrheiten“ ist das Vergangene nur vergangen, im Lichte des Ewigen ist es nicht endgültig vergangen, sind die Pforten der Hölle nicht schon verschlossen.
In der Idee des Gottsuchens hat die Theologie ihren empirischen Kern. Aber davor sitzt die Kirche wie der Igel im Märchen von dem Fischer und seiner Frau und wiederholt ihr „Ick bün all do“ (Trinitätslehre). Entschlüsselt nicht der Türhüter in Kafkas „Vor dem Gesetz“ (in den Evangelien ist es die Türhüterin: die Magd des Hohepriesters) das Geheimnis der Trinitätslehre?
Jede Opfertheologie ist Herrschaftstheologie: Rechtfertigung derer, die Macht über das Leben anderer haben. Die Opfertheologie stellt die Botschaft des Kreuzestodes auf den Kopf (durch Instrumentalisierung). War nicht auch Paulus ein „Sacred Executioner“ (so der Titel eines Buchs von Hyam Maccoby)?
18.4.1994
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