18.5.1994

Zu Jeremias: Die Herrschaft Babylons, die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar und der – hiernach endgültige – Verlust der politischen Autonomie Judas, war nicht nur „Anlaß“ (in einer sonst unveränderten Welt) für die Prophetie des Jeremias, sie hat vielmehr die Welt selbst verändert, und nur die prophetische Reaktion darauf hat dann die Prophetie, ihren Inhalt, verändert. Das Urteil der Geschichte, das Kohl ständig im Munde führt, ist ein Abkömmling der Hitlerschen Vorsehung. Im Paradies, im Garten der Tiere, war die Weltgrenze noch eine Grenze zwischen Tier und Pflanze; erst mit dem Sündenfall, nach der Vertreibung aus dem Paradies, ist sie zu einer Grenze zwischen den Gattungen geworden. Liegen darin nicht die Ursprungsbedingungen der Astrologie? Und ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs nicht das Symbol dieser Weltgrenze? Gehört nicht zur Geschichte mit dem roten und weißen Nilpferd (Ebach, Leviathan und Behemoth, S. 24) die Josefs-Geschichte: Josef, der ein Sohn Jakobs ist, aber nicht zu den zwölf Stämmen Israels gehört, ist der Erbauer des Sklavenhauses Ägypten (als Vollstrecker der „ursprünglichen Akkumulation“ des ägyptischen Staatskapitalismus), das allerdings als Sklavenhaus sich etabliert, nachdem Josef vergessen wurde. Diese Geschichte ist vorgezeichnet in der vom Mundschenk und vom Bäcker: Der Mundschenk (der den Wein ausschenkt, das Symbol des Gerichts) kehrt in Amt und Würde zurück, während der Bäcker (der das Brot, Symbol der Gnade, bereitet) hingerichtet wird (gibt es eine Beziehung diesr Geschichte zu der der beiden Schächer am Kreuz?). Ist nicht, was für Ägypten eine Chaosmacht ist, für Israel der Grund seiner Existenz? Das Tier aus dem Meer: Die Geschichte der Philosophie beginnt mit dem Satz: Alles ist Wasser; sie endet mit dem Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist. Enthält das nicht einen Hinweis auf das „Zeichen des Jona“ (auf die Geschichte mit dem „Walfisch“)? Ein ungeheuerlicher Hinweis: Die Deutschen haben den Namen der Heiden zu ihrem eigenen gemacht. Der Vorteil des Weltbegriffs ist die entlastende Distanz zur Welt: die eingebaute Exkulpationsautomatik. Der Weltbegriff schließt den der Gottesfurcht, den er durch die säkularisierte Herrenfurcht (durchs autoritäre Syndrom) ersetzt, aus.


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