Der Objektivationsprozeß vollzieht am Objekt die Taufe des Allgemeinen, überzieht die Dinge mit dem Begriffsnetz, hinter dem sie am Ende (wie der Terrorist in der Isolationshaft) verschwinden. Der Knoten in diesem Netz ist das Inertialsystem, dessen Hauptleistung die Identifizierung der Zukunft mit der Vergangenheit ist (unter Ausschluß des jede Gegenwart konstituierenden realen Zukunftsmoments); Keimzelle und Modell ist der mechanische Stoßprozeß (der Widerstand der Außenwelt): er definiert die Äquivalenzbeziehungen, die das innere Formgesetz, gleichsam den Schlüssel bilden für jede mathematische Naturerkenntnis und für alle physikalischen Begriffe, vorab Raum, Zeit und Materie; eingefangen in diesem Netz wird das entfremdete Objekt, das hier wie auch in den anderen, vergleichbaren Objektivationsprozessen als „Masse“ erscheint (Objekt, Masse und Materie bezeichnen den gleichen Sachverhalt unter den getrennten, aber zusammengehörenden Aspekten des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs).
Die „Tatsache“ und ihre „Feststellung“ sind Produkt der Objektivation, der Vergegenständlichung durch Abstraktion: durch den Vollzug der Weihe des Allgemeinen, der Subsumtion unter die Vergangenheit, Konstituierung des Wissens (der transzendentallogischen Strukturen und Gesetze des Wissens).
Dem Islam ist es wegen der Identität von Gott- und Machtgläubigkeit nicht gelungen, den Stoßprozeß, das Grundmodell der Mechanik, zu objektivieren. Wenn Heideggers Fundamentalontologie diesen Objektivationsprozeß und sein Ergebnis nur diskriminiert anstatt ihn kritisch zu begreifen, fällt sie zurück ins islamische Erbe der europäischen Tradition; wie der Islam Weltreligion ist (die in der Welt untergeht, die Objektivation der Welt – durch das der europäischen Staatsidee zugrunde liegende säkularisierte Gewaltmonopol des Staates – nicht mitgemacht hat; Konsequenz aus der Vorstellung, daß Gott „die Welt“ erschaffen hat, vor Gott aber nur der „Islam“, die Ergebung erlaubt ist; Erkenntniskritik, d.h. die gesellschaftlich-historische Ableitung des Weltbegriffs, und die Emanzipation durch Aufklärung, die in der Konsequenz des mechanischen Erkenntnismodells liegen, sind damit blockiert), so ist die Fundamentalontologie Weltphilosophie (Philosophie mit der Welt als Subjekt, Konsequenz aus dem modernen Naturbegriff, der damit ebenfalls der Reflexion entzogen wird). Die Unfähigkeit zur Erkenntniskritik schlägt als Verdummung nach innen.
Der Staat, nicht Gott, hat die Welt erschaffen. Die Differenz zwischen den Buchreligionen läßt sich aus den unterschiedlichen Staatsideen (den historisch begründeten unterschiedlichen Stellungen des Bewußtseins zum Staat) ableiten.
Subjekt und Objekt, Staat und Welt, Gesellschaft und Natur sind aufeinander bezogene und miteinander verknüpfte Reflexionsbegriffe. Sie bedingen (konstituieren) sich wechselseitig. (Subjekt und Person nicht gleichbedeutend; Subjekt hieß einmal das Objekt: der Bezugspunkt des Prädikats im Urteil.)
Jede Religion enthält eine kosmologische Komponente (einen kosmologischen Hintergrund, der in ihre Definition und Struktur mit eingeht), steht in einer Beziehung zur Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur, in die die Geschichte des Weltbegriffs verflochten ist. Der Verzicht darauf, die Reflexion dieser Beziehung ins Selbstverständnis der Religion mit hereinzunehmen, ist der Grund der religiösen Barbarei. Theologie im Angesicht Gottes betreiben schließt eine Beziehung zur Welt mit ein, die im Christentum unter der Idee des heiligen Geistes zusammengefaßt wurde und mit der schärfsten Sanktionsdrohung belegt wurde. Diese Sanktionsdrohung ist heute – in Kenntnis der Dialektik der Aufklärung – erstmals rational begründbar geworden. Zugespitzt könnte man sagen, daß das Christentum durch diese Lehre vom Heiligen Geist von den anderen Religionen, auch von den anderen Buchreligionen, sich unterscheidet. Die Differenz läßt sich anhand der Weltbeziehung dieser Religionen (vorweltlich, weltlich, weltkritisch) entfalten.
Der mechanische Stoß, die wechselseitige Übertragung der Impulse beim Stoß (die Ansteckung durch die Außenwelt, in die das Subjekt mit hereingezogen wird), ist das Abbild, die analoge Nachbildung des Kaufakts und Modell der Vorstellung vom gerechten Preis. Diese hat die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip – logischer Quellpunkt des Kapitalismus und Äquivalent des Inertialsystems – zur Voraussetzung. Die Äquivalenzbeziehung zwischen Arbeit und Warenwert, auf die die Vorstellung vom gerechten Lohn sich bezieht, ist das Modell für die Objektivation der Beziehung von Inertialsystem und Gravitationsgesetz, der Identität von träger und schwerer Masse (das Inertialsystem konnte erst durch Ausgrenzung und Subsumtion der Schwerkraft sich konstituieren: Zusammenhang mit der Geschichte der Instrumentalisierung des Opfers, der Ausbildung der modernen theologischen Gnadenlehre).
18.1.91
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