18.1.96

Die psychotisierende Wirkung der Empörung genauer bestimmen. Die Verhaltenssicherheit, die man glaubt, durch Empörung (und Verurteilung) zu gewinnen, ist zu teuer erkauft (oder: die Adaptation der Bekenntnislogik ist zu teuer erkauft). Der Antisemitismus gehorcht paradigmatisch der Logik der Empörung: er ist die Verkörperung seiner Umformung und Perfektionierung zur transzendentalen Empörungs-Logik.
Die Bekenntnislogik ist das Ferment der Komplizenschaft. Durchs Dogma hat die Kirche sich auf die Seite derer gestellt, die den Kreuzestod zu verantworten haben: auf die Seite der Täter. Die Bekenntnislogik ersetzt die Umkehr durch die Logik der Verurteilung; die Verurteilung aber ist das Alibi für die Komplizenschaft, die sie zwischen dem Urteil und der Tat, die sie verurteilt, herstellt. So ist das Christentum herrschaftsfähig geworden.
Die logische Struktur der Verurteilung gründet in der Bekenntnislogik, in der gleichen Konstellation, zu der auch das Feindbild und die Frauenfeindschaft gehört, sie gehört zugleich zu den teleologischen Grundlagen des Urteils: sie schirmt den Begriff gegen die Empörung des Objekts ab, das in dieser Konstellation zum verdinglichten Objekt wird. Das Objekt (das Ding) ist das Produkt einer reaktiven Empörung: der ohnmächtigen prophylaktischen Abwehr der Empörung, durch die der Begriff über das Objekt sich erhebt, es unter sich subsumiert. Der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, ist darin begründet. Die Verurteilung ist die Verurteilung des Objekts zum Objekt.
Die Bekenntnislogik hat die Religion von ihrem politisch-ökonomischen Grund abgespalten und zu einem Herrschaftsinstrument gemacht.
Wodurch unterscheidet sich der jüdische vom griechischen Tempel? Und in welcher Beziehung steht der nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft wieder aufgebaute Tempel zum Tempel Salomos? Ist der salomonische Tempel historisch oder prophetisch (vgl. den ezechielischen mit dem salomonischen Tempel)?
Geschichte: Wie verhält sich die Frage: Wie es denn wirklich gewesen ist, zu den Fragen nach dem Was und dem Wer? Die kontrafaktischen Urteile beziehen sich nur aufs Wie (auf den durch die Logik des vergleichenden, moralischen Urteils definierten Erfahrungsbereich). Hängen nicht das Wer und das Was mit den Namen des Wassers und des Feuers im Namen des Himmel zusammen?
Wie hängen die Fragepronomina Wer, Wie und Was mit den bestimmten Artikeln, mit der, die und das (und insbesondere das Wie, das eigentlich ein Vergleichspartikel ist, mit dem femininen Artikel die) zusammen? Was hat das kontrafaktische Urteil (die kontrafaktische Vergleichbarkeit des Einmaligen) mit dem Weiblichen zu tun?
Beim Ding zielt das Wie auf die Eigenschaften, auf das, was es mit anderen Dingen gemeinsam hat.


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