18.10.1995

Das Realsymbol der Konstellation von Gemeinheit (der Veranderung des Andern), Grauen (des Zum-Andern-Werdens für Andere) und der (in der gegenständlich gewordenen Welt) gegenstandslos gewordenen Barmherzigkeit ist der Raum.
Ihr seid das Licht der Welt (ICH bilde das Licht und schaffe die Finsternis): Das Gewaltmonopol des Staates ist der Grund des Nominalismus (der Finsternis), der Zerstörung der erkennenden Kraft der Sprache (des Lichts), für die die Gewalt eintritt, die die Realität zusammenhält: das Grauen, das immer neu (und nie ein für allemal) bewußtseinsfähig zu machen ist.
Der Faschismus ist das „wahre Antlitz“ des Staates, weil die Gemeinheit in seinen Wurzeln (der Dünger, der ihn nährt, der Naturgrund der Gewalt) nicht zu tilgen ist.
Apriorisches Objekt der Gemeinheit ist der Feind: Mit der Gemeinheit breitet sich auch die Feindschaft aus.
Wer in der Feindschaft das Moment der Trauer tilgt – und genau das tut die Bekenntnislogik -, macht sie erst vollends böse.
Der Objektivationsprozeß produziert die Finsternis.
Der Begriff der Empfindung, der die Wahrnehmung blind und taub gemacht hat, ist ein Reflex der Mechanik. Empfindungen sind das sinnliche Äquivalent des Stoßprozesses; Grundlage ist die Vorstellung einer Berührung, eines Stoßes, eines Schlages; jede andere Beziehung zur „Außenwelt“, insbesondere die der gegenständlichen Erkenntnis, ist getilgt und muß ästhetisch, mit Hilfe der Vorstellungskraft des „Erkennenden“, rekonstruiert werden. Das Problem dieser „Rekonstruktion“ aber besteht darin, daß es das Original nicht mehr gibt. Es gibt Welt-, Gottes- und Menschenbilder, aber nichts, was durch diese Bilder abgebildet wird. War das Bilderverbot nicht eine Hilfe gegen die Hybris: Die Bilder, die an die Stelle des Originals treten, sind in Wahrheit Repräsentanten des Subjekts, das auch Bild eines Originals ist, an dessen Stelle es sich setzt.
Die Ich-bildende Kraft der Bekenntnislogik.
Wer davon ausgeht, daß in den Menschen der Trieb gut zu sein, drinsteckt, daß die Menschen nichts lieber möchten als gut sein, muß erklären, weshalb sie anders sind.
Das Grauen des Faschismus lag nicht darin, daß es die brutalen und gemeinen Schläger- und Mörderbanden gab, sondern daß er real und unter Einsatz von Gewalt und Terror den Menschen den Trieb gut zu sein ausgetrieben hat, daß er eine Welt hervorgebracht hat, in der es zur Gewalt und zum Terror keine Alternative mehr zu geben scheint. Und dieses Grauen ist zur Grunderfahrung der Nachwelt des Faschismus geworden.
Mein ist die Rache, spricht der HERR. Wer den Gott Israels als Rachegott denunziert, möchte sein eigenes Recht auf Rache nicht aus der Hand geben. Er verhält sich zur Theologie wie der Staat zum Mörder (der ihm das Recht zu töten streitig macht): Er verurteilt sie zur lebenslänglichen Haft.


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