Hängt die Kausalverknüpfung von Sünde und Schuld (deren Entkoppelung das Werk der Keuschheit ist) mit der Einführung des Gleichheitszeichen in der Mathematik zusammen (Erfindung der Null und der negativen Zahlen, Ersetzung der Anschauungsgeometrie durch analytische Geometrie und Algebra)? Durchs Gleichheitszeichen werden die Beziehungen von Addition und Subtraktion, Multiplikation und Division, Potenzieren und Wurzelziehen, Logarithmus und Exponentialfunktion, Winkelfunktionen u.a. definiert, sie werden Teil eines geschlossenen Systems. Wie verhalten sich diese Beziehungen zu der von Subjekt und Prädikat im Urteil? Oder wie verhält sich das Gleichheitszeichen zur Kopula, zum „ist“: Entspringt nicht der Begriff in der gleichen Bewegung, wenn das Prädikat als Nomen auf „die andere Seite“ im Urteil gebracht wird?
Der Übergang von der Anschauungsgeometrie zur Algebra ist der Ursprung der transzendentalen Logik (Objektivation, Herrschaft und Instrumentalisierung).
Jede Instrumentalisierung (wie auch ihr gesellschaftliches Äquivalent: die Ghettoisierung) nutzt die Todesgrenze: Sie blendet das An-sich aus, sie definiert sich durchs Freund-Feind-Denken, durch die „Front“ (Zusammenhang mit dem Ursprung des Mythos, des Helden, der Schicksalsidee).
China und Indien: Unterschied zwischen Ahnenkult und Wiedergeburt? Entspringen die chinesische „Höflichkeit“ und der Ahnenkult, das indische Kastenwesen und die Lehre von der Wiedergeburt jeweils gemeinsam?
Drückt sich nicht in den imagines des Vaters und der Mutter ein unterschiedliches Verhältnis zur Zeit aus: Der Vater verkörpert die Macht der Vergangenheit, die Mutter opfert sich auf für die Zukunft. Bezieht sich darauf das auf Adam, den Mann, bezogene Bild vom Staub und der Schlange und das von der Feindschaft des Weibes zur Schlange?
Läßt sich nicht an Haffners Revolutionsbuch die Bedeutung des Satzes „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ demonstrieren? Auch Haffner kann sich die Ereignisse in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg nur mit Hilfe der Personalisierung objektiver Prozesse verständlich machen: Er braucht Schuldige („Männer machen Geschichte“). Das aber ist eine der Ursachen der „neuen Unübersichtlichkeit“ und verstellt den Weg zur Erkenntnis der Gegenwart. Haffners Vorstellung, eine Revolution, die die Monarchie und den Militarismus beseitigt, aber die Ökonomie nicht angetastet hätte, sei möglich gewesen, war ebenso naiv wie die andere, eine Änderung der Besitzverhältnisse hätte auch das politische Grundverhältnis verändert.
19.04.93
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie
Schreibe einen Kommentar