Zur Unterscheidung der Idee des Ewigen vom Begriff des Überzeitlichen: Es ist der gleiche Unterschied, der die Prophetie (die Schrift) von der Philosophie, die Lehre vom Dogma trennt. Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; das Ewige läßt sich nicht als vergangen denken. Sie gründet darin, daß eine ursprüngliche Vergangenheit sich nicht denken läßt: Jede Vergangenheit ist die Vergangenheit von etwas, das einmal war. So muß jedes Vergangene einen Anfang haben, dessen Vergangenheit es ist, einen Ursprung. Ohne diese Beziehung des Vergangenen zu seinem Ursprung in einer vergangenen Gegenwart gäbe es keine Erinnerung. Das Gegenbild der Idee des Ewigen ist eine Vorstellung der Zeit, in der jede Zukunft einmal vergangen sein wird: Produkt der Subsumtion der Zeit insgesamt, die Zukunft eingeschlossen, unter die Vergangenheit. Während die Idee des Ewigen durch die Erinnerung der vergangenen Zukunft sich bestimmen läßt, steht der Begriff des Überzeitlichen unter dem Gesetz der Vergangenheit, ihrer Gewalt über alles Zeitliche, auch über die Zukunft. In dieser Konstellation gründet der Begriff des Wissens (und des Sehens), der der Philosophie (und dem historischen Objektivationsprozeß) zugrunde liegt, während die Idee des Ewigen die der Offenbarung (und des Hörens) begründet. Die Trinitätslehre ist das Produkt der Übersetzung der Theologie in eine Logik, die an den Begriff des Überzeitlichen sich anschließt: in die Sprache des Indikativs, die unter der Herrschaft der Vergangenheit steht. Die Trinitätslehre steht am Beginn der Geschichte einer Logik, an deren Ende das Inertialsystem steht (nur deshalb ist es möglich, gleichsam trinitarische Strukturen in der Mikrophysik zu entdecken). Der traditionelle theologische Topos der Unterscheidung des Ewigen vom Überzeitlichen ist die Unterscheidung von Barmherzigkeit und strengem Gericht. Bezieht sich hierauf nicht 1 Kor 1522-28?
Der Name des Logos ist ambivalent: Nur im Kontext der Vorstellung des Überzeitlichen wird er zum Begriff, im Kontext der Idee des Ewigen erweist er sich als Name (als erkennende Namenskraft der Sprache). Als Begriff führt er über die Trinitätslehre in den Säkularisationsprozeß. Wiederzugewinnen wäre die im Kontext dieser Logik verdrängte und verloren gegangene (zum Bekenntnis neutralisierte) Idee des Namens.
In der Kabbala gibt es das Motiv, daß die sechs Richtungen des Raumes auf den göttlichen Namen versiegelt sind. Hat nicht die Trinitätslehre eine ähnliche Bedeutung? Und wäre hieraus nicht die Bedeutung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens und dessen Beziehung zur Sprache insgesamt zu abzuleiten?
19.8.1995
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