Krebsartiges Wachstum der Technik: das Neue, Bessere, Überlegene betrifft nicht mehr nur einzelne Verfahren in einem selber stabilen und von den Änderungen unberührten System; es verändert vielmehr ständig das System insgesamt, läßt überschaubare, ein für allemal definierte Gleichgewichtsverhältnisse nicht mehr zu, schließt katastrophische Änderungen (Einstürze, Zusammenbrüche) nicht mehr aus. Orientierungshilfen, die gestern noch wirksam waren, sind es heute nicht mehr; Durchblick ist nur noch möglich, sofern es gelingt, die Konstruktion des Ganzen als eine in sich selbst bewegte ständig nachzuvollziehen. Der Fortschritt verändert nicht mehr nur die Mittel, sondern ergreift auch die Zwecke, die immer deutlicher als Momente des allgemeinen Vermittlungszusammenhangs sich erweisen; oder genauer: er hat die Zwecke in die allgemeine und ständig sich beschleunigende apokalyptische Bewegung mit hereingezogen.
Oktober 1987
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08.10.87
Der Voyeurismus, der die Regenbogenpresse vor allem kennzeichnet, ist die Kehrseite der allgemeinen und substantiellen Zerstörung des Privaten, eigentlich des Lebens überhaupt. In dem gleichen Maße, in dem Öffentlichkeit strukturell das private Dasein durchsetzt, zerstört es dieses von innen, macht es zugleich die entprivatisierten Individuen süchtig nach Anteilnahme am Privatleben der anderen, möglichst der Prominenz. Darin gründet nicht zuletzt der Erfolg von BILD. (Begonnen hat diese Vermischung von Privatem und Öffentlichen im Absolutismus, im Barock, als Herrschaft ihrer magischen Qualitäten entkleidet, entzaubert und verbürgerlicht, privatisiert wurde. Auch der Absolutismus ist Teil der Aufklärung – sozusagen die feudale Vorstufe des Kapitalismus.)
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10.10.87
Theologischer Materialismus: Die Einsamkeit, die Levinas (und ähnlich F. Ebner) als „Grund“ und Konstituens der Materie bestimmt, ist in gleicher Weise (und mit vergleichbaren Folgen) Konstituens jenes Theologieverständnisses, das insbesondere die kirchliche Theologie, den kirchlichen Dogmatismus charakterisiert. Eine Erkenntnistheorie der Theologie, wenn es so etwas denn überhaupt geben kann, hätte diesen Sachverhalt zu reflektieren; historisch gibt es Hinweise hierfür in den mystischen Beschreibungen der Wege und Stufen zur Gotteserkenntnis. Frage, ob es eine Vorstellung oder Idee Gottes überhaupt gibt ohne das, was früher einmal „Gott suchen“ genannt wurde.
Die „mystische Nacht“ beim Johannes vom Kreuz (vgl. Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Studie über Johannes a Cruce. Druten/ Freiburg-Basel-Wien 19833) bezeichnet nicht nur einen innerlichen Vorgang oder Zustand, sondern etwas sehr Objektives: das Dunkel, in das die Natur im Kontext des Trägheitsgesetzes und die Welt insgesamt unter der Herrschaft des Tauschprinzips getaucht wird, steht in einer aufzuklärenden Beziehung dazu. Innen und Außen sind nicht nur getrennt, nicht nur in einem Korrespondenz- oder Analogieverhältnis, sondern Extreme in einem Kontinuum. Welche Konsequenzen hat das aber für den Wahrheitsgehalt der mystischen Erkenntnis? – (Überprüfen, genauer!)
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17.10.87
Theorie und Praxis stehen nicht in einer direkten Wechselbeziehung: Es gibt – außer im technischen Bereich im weitesten Sinne – keinen direkten Weg von der Theorie zur Praxis. Die Frage, ob man aus der Geschichte lernen kann, hängt (abgesehen davon, ob sie überhaupt sinnvoll sich stellen läßt) von der Beantwortung der anderen ab, die – in erkenntnistheoretischem Zusammenhang – einmal so formuliert wurde: If the future will be like the past. Franz von Baaders gelegentliche Bemerkung, daß ein schlechtes Gewissen Machen nicht bessert, drückt den gleichen Sachverhalt aus.
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