Januar 1988

  • 03.01.88

    Umschlag von Quantität in Qualität: Ist das eigentlich die gleiche Qualität, die am Anfang unterdrückt, verdrängt wurde? Wie verhalten sich die beiden Unmittelbarkeiten? Ist die neue Qualität „besser“?

    Ist Erinnerung die Schwerkraft des Geistes? Gibt es auch für die Erinnerung ein Gravitationszentrum, ein System von Schwerezentren? (Grundlage einer parakletischen Geschichtsphilosophie)

    Zusammenhang von Aufklärung, Licht und räumlicher Vorstellung: Entdeckung der räumlichen Perspektive und des Inertialsystems. Darin gründet sowohl der Erfolg als auch das Scheitern des Idealismus (Hegels Logik, insbesondere der Begriff der Reflexion, gewinnt ihr Zwingendes aus räumlichen, nicht aus sprachlichen Zusammenhängen; anders wäre sie nicht idealistisch, sondern theologisch gewesen).

  • 23.01.88

    Das fixierende „ist“ des Urteils verwandelt seinen Gegenstand in ein Ding mit Eigenschaften (Subjekt mit Prädikat: Der Verurteilte wird sistiert, sein Objektcharakter ist Folge und notwendiges Sinnesimplikat seiner Schuld, das Urteil konstitutives Moment des Schuldzusammenhangs; Prädikate, Begriffe sind Ausdifferenzierungen von Schuld: Zusammenhang mit der Ontologie). Ist jedes Urteil Schuldurteil, Freispruch kein Urteil? Bedeutung und Grenze der Transzendentalphilosophie (Zusammenhang von transzendentaler Ästhetik und Logik, Raum und Zeit und Urteilslehre). Urteile begrenzt auf Erscheinungen, Einheit der Konstituentien beider.

    Gefängnisse dienen der Aufrechterhaltung der Logik.

  • 29.01.88

    Eine Revolution, die Opfer fordert, ist eine contradictio in adjecto. Das Ziel der Revolution steht nicht an deren Ende, sondern ist in ihr selbst präsent. Es drückt sich eher in den Mitteln der Revolution als in dem, was man sich gemeinhin als ihr Ziel vorstellt, aus. Die Revolution ist zuallererst eine Revolution der Mittel, nicht der Ziele. Jegliche Instrumentalisierung verhindert die Revolution, verwandelt sie in ihr Gegenteil, macht sie zu einem Agenten der Gegenrevolution, die bis heute immer stärker gewesen ist.

  • 30.01.88

    Können Opfer „Revolution machen“, ohne aus der Opferrolle herauszutreten? Ist die Revolution überhaupt etwas anderes als dieses aus der Opferrolle Heraustreten?

    Dagegen scheint es eines der charakteristischen Merkmale der Studentenbewegung gewesen zu sein, wenn deren Mitglieder – und zwar wie es scheint bewußt – sich mit der Rolle der Opfer in dieser Gesellschaft (nicht mit den Opfern dieser Gesellschaft) identifizierten. Wenn sie der Gesellschaft im Bilde ihrer Opfer vor Augen hielt, was sie nach Faschismus und ohne Aufarbeitung der Vergangenheit immer noch repräsentierte, provozierte sie – voraussehbar und nicht zufällig – in steigendem Maße Verblendung und Wut, das Wiederaufleben des Faschismus. Die Identifikation mit der Opferrolle war ebenso Voraussetzung wie Haupthindernis einer wirklichen Änderung der Verhältnisse: Unverkennbar die Verführung zu Selbstmitleid und Paranoia sowie – in der Theorie, im Bewußtsein – zum Konkretismus (eine Gefahr, der insbesondere die ökologische Bewegung ausgesetzt zu sein scheint), schließlich die Unfähigkeit, die eigene Rolle in dieser Situation überhaupt noch zu reflektieren.

  • 22.01.88

    Urteile werden „gefällt“: Das Urteil, und sein Gegenstand nur insoweit, als er Gegenstand des Urteils („der Fall“) ist, ist Zentrum des Sündenfalls in dem gleichen Sinne, in dem jeder Punkt im Raum Zentrum eines Inertialsystems ist.

    Urteile werden (wie Bäume) „gefällt“.

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