Februar 1988

  • 07.02.88

    Primo Levi beschreibt das Leben in Auschwitz: Erschreckend, wie leicht Strukturen und Lebensbedingungen von heute darin sich wiedererkennen lassen. – „… jene Scham, die die Deutschen nicht kannten, die der Gerechte empfindet vor einer Schuld, die ein anderer auf sich nimmt und die ihn quält, …“ (Primo Levi: Ist das ein Mensch. München, 1988, S. 182).

  • 22.02.88

    In der Talkshow am Freitag (19.02.) Diskussion u.a. mit Frau Noelle-Neumann über ihr neues Buch: Die verletzte Nation.

    Die wesentlichen Kritikpunkte wurden angesprochen:

    – Die „verletzte Nation“ ist in Wahrheit die verletzende: Selbst das Leiden der Deutschen ist sinnvoll nur zu begreifen als Folge ihrer (Un-)Taten;

    – insbesondere das Leiden in den vierziger Jahren hat (als Grund des Selbstmitleids) dazu beigetragen, das Grauen, das man selbst verursacht hatte und das in der täglichen Zeitung ebenso wie in jedermanns Nachbarschaft sichtbar war, auszublenden, unsichtbar zu machen, es in den blinden Fleck zu rücken; nur so ist es verständlich, wenn nach dem Kriege alle – subjektiv ehrlich – sich auf das Nicht-Gewußt-Haben herausreden konnten;

    – Stolz ist – soweit überhaupt – begründbar nur durch Leistungen; Stolz auf Goethe, Beethoven und das deutsche Land ist irrational, pathologisch;

    – zum „Autoritätsverlust“:

    . wer „untergräbt“ denn permanent die Autorität von Eltern, Kirche und Staat?

    . wie kann man nach den Studien über den autoritären Charakter noch so unreflektiert die Wiederherstellung von Autorität und Vertrauen in die Autorität als Ausweg aus der Krise anpreisen?

    . wie kann man – nachdem Instrumentarien zur Analyse von Meinungen entwickelt, erprobt und bekannt sind – so auf „Forschungsergebnisse“ sich berufen und dann noch Folgerungen daraus ableiten, die aller bisherigen Forschung Hohn sprechen?

  • 27.02.88

    Kann es sein, daß mit dem Verschwinden der Gottesidee (die im übrigen lange vor dem Verschwinden des manifesten Gottesglaubens einsetzt) etwas in der Struktur des Subjekts derart sich verändert, daß auch die Anwendung der Psychoanalyse davon berührt wird? Verschwindet nicht zugleich auch der Ödipuskomplex; und zwar in der Folge von Änderungen in der Ich-Struktur, die die Relation von Neurose und Psychose im Kern verändert haben? Sind diese Änderungen u.a. Grund dafür, daß in der Schizophrenie-Forschung heute Therapie-Möglichkeiten entdeckt werden können, die es vor achtzig Jahren einfach noch nicht gab? Ist m.a.W. die Normalität heute der Psychose näher als die Neurose? Ist der Faschismus historisch erkennbar geworden? (Vgl. hierzu nochmals Theweleits „Männerphantasien“).

    Die Narzißmus-Diskussion scheint den gleichen Sachverhalt als Anlaß gehabt zu haben: Eine Theorie der Gesellschaft, die aus dem Stand der Naturbeherrschung (dem Erkenntnisstand der Naturwissenschaften) zu entwickeln wäre, müßte das Problem auflösen können. Der Feminismus ist ein ebenso begründeter wie ohnmächtiger Protest gegen diesen gegenwärtigen Weltzustand.

  • 28.02.88

    W.Benjamin: Ursprung des deutschen Trauerspiels, in: Ges.Schr. Bd. I, S. 305, 306, 308, 333.

    „Notstand und Notwehr“: Dieser Arbeitstitel von Günther Anders geht davon aus, daß eine Einwirkung auf das Zentrum der Verhältnisse außer durch Gewalt nicht mehr möglich ist. Das bedeutet aber, daß eigentlich die Theorie bereits resigniert hat und es nur noch um der Selbsterhaltung willen darauf ankommt, überhaupt etwas zu tun. Der Kern des Ansatzes ist Verzweiflung (allerdings nicht unbegründete).

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