Oktober 1988

  • 23.10.88

    Es scheint eine von Heidegger-Adepten immer wieder gemachte Erfahrung zu sein, daß man beim Lesen glaubt etwas zu begreifen, das sich dann wieder verflüchtigt, eine Erfahrung, die zweifellos süchtig machen kann. Und Heidegger-Adepten erwecken nicht selten den Eindruck von Süchtigen.

    Das scheint zusammenzuhängen mit (offensichtlich von Heidegger selber) undurchschauten Tricks, zu denen H. gezwungen ist, und in die er seinen ganzen analytischen Scharfsinn legt, die nichts anderes bezwecken, als den Schein aufrechtzuerhalten, Reflexionsbegriffe seien fähig, ein An sich auszudrücken. Ein lernfähiger und lernbereiter Blick in Hegels Logik hätte genügt, diesen Schein aufzulösen.

  • 22.10.88

    Heideggers Philosophie ist ein Modellfall für die Mechanismen von Projektion und Verleugnung: Das Fascinosum, vom Begriff des Seins über Kategorien wie Eigentlichkeit, Entschlossenheit u.ä., ist der Duftstoff, der genau in die Bereiche herein(ver-)führt, die er dann diskriminiert. Die Bindung, die ihre Anhänger fesselt, besteht aus einer ebenso trüben wie wirksamen Mischung aus Selbsterhöhung und Selbstverachtung (verdrängter Schuld); es ist die gleiche Bindung, die den Zusammenhang des Mythos herstellt und definiert. Charakteristisch das Verhältnis zur Schuld: Es gibt keine Unschuld; soweit es Schuld gibt, ist sie infolge des projektiven Denkens nicht zurechenbar. Hier sind die gleichen Mechanismen wirksam, die nach dem Krieg geholfen haben, den Faschismus zu verdrängen.

    Die gleichen Konstellationen durchziehen die gesamte Geschichte der Philosophie: Heidegger macht gleichsam den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt. Es ist der gleiche Zusammenhang, aus dessen Kritik F.R. seine Philosophie gewinnt. Hier liegt die einzige Gemeinsamkeit beider.

  • 19.10.88

    Das Bilderverbot ist der Kern einer opferfreien Religionslehre. Das Opfer selber ist nämlich nur das Bild der Beziehung der Sprache zur Wahrheit: Wenn diese Beziehung rein hergestellt ist, bedarf es des Opfers nicht mehr. Diese Beziehung schließt aber „Barmherzigkeit“, parakletisches Denken, m.a.W. eine Beziehung zum Objekt mit ein, die sowohl die Anklage als auch das richtende Urteil unterläuft, die die Verteidigung des Schwachen, Unterdrückten, Bedrängten, Zu-kurz-Gekommenen zu ihrer eigenen Sache macht: den Heiligen Geist. Das Bilderverbot ist identisch mit dem Verbot der „Sünde wider den Heiligen Geist“. (Bekenntnis und Verinnerlichung des Opfers.)

  • 17.10.88

    Es ist ein Unterschied ums Ganze, ob Zukunftserwartungen aus der Sicht des Zuschauers oder der des moralisch Betroffenen, der Verantwortung erwachsen. Die Sicht des Zuschauers ist die mythische, die des Betroffenen eine unendlich belastete und die befreiende zugleich.

    Mythisch ist der Staat, zu dessen Existentialien das Schicksal, das Recht und das Wissen gehören.

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