Zur Verweigerung der Haftverschonung für Frau Isabel Jacob:
Ich meine, es wird Zeit, endlich auch einmal darauf hinzuweisen, daß der „Terrorismus“ nicht nur als Angriff auf den Staat, sondern ebenso auch als Produkt der Verzweiflung an den moralischen Problemen dieses Zeitalters, als Ausdruck einer Sensibilität sich begreifen läßt, die keinen anderen Ausweg mehr sieht.
Die paranoide Reaktion auf den Terrorismus gehört mit zu den Ursachen seines Weiterbestehens, seiner Reproduktion.
Nicht Wut, sondern Trauer (die die Kraft der Identifizierung auch mit dem Täter mit einschließt) wäre angemessen und notwendig; das allgemeine Bekenntnis gegen den Terrorismus wird nur von denen gefordert, die ihres eigenen Urteils nicht ganz sicher sind und deshalb der kollektiven Absicherung durch das Bekenntnis der anderen bedürfen. Moralische Souveränität hat zur Voraussetzung, daß das Urteil über die Tat die Empathie mit der Person und seiner Intention und den Bedingungen seines Handelns nicht ausschließt.
Nicht zufällig erinnert die Wut, mit der der Terrorismus verfolgt wird, an die Wut des Antisemiten (Sympathisanten hießen damals Judenfreunde); die Ursachen sind in der Tat vergleichbar: verfolgt werden nicht die Taten, sondern mit ihnen das, woran sie erinnern: beim Antisemitismus das Gewissen, und beim Terrorismus die verdrängte Schuld der Vergangenheit, der rechtfertigungsbedürftige Wiederholungszwang in der Gegenwart (die zweite Schuld).
Die Zerstörung des Gewissens ist gelungen. Indiz ist der praktische Atheismus auch der Religionen heute; die verwirrte conscientia derer, die den Umgang mit dem Gewissen nicht mehr gelernt haben. Recht als Gewissensersatz ratifiziert nur die Zerstörung der Gewissen, ist die Ursache und die Folge der Verwirrtheit; es macht die Dinge noch schlimmer. Heute hat das Recht im Terrorismus sein von ihm nicht mehr zu trennendes Objekt, in dessen Verfolgung es weniger den Terrorismus als vielmehr sich selber zerstört. (Der Terrorismus ist das apriorische Objekt des richtenden Urteils, das durch Kompetenzverteilung des Gewissens sich entledigt hat und deshalb paranoid geworden ist.)
Die Dinge aus dem Teufelskreis herausholen, die Probleme wieder diskussionsfähig zu machen, anstatt sie als „anschlagsrelevante Themen“ im vorhinein zu kriminalisieren.
Kein Zufall, daß schließlich auch die Verteidiger Über das Konstrukt „Organ der Rechtspflege“ in Hilfs-„Staatsanwälte“ umfunktioniert wurden.
Es gibt eine Hysterie, die glaubt, nur die Gesetze anzuwenden, und nicht merkt, wie parteiisch sie ist.
Isabel Jacob möchte nicht auf den psychosomatiche Aspekt der Sache sich beziehen, da sie fürchtet, dann u.U. psychiatrisiert zu werden (Alternative Knast/Anstalt).
Die Gemeinheit hat kein Bewußtsein über sich selbst (hätte sie es, wäre sie’s nicht): deshalb ist sie vor der Vernunft wie vor dem Strafrecht unfaßbar.
Würden die Regelungen im Zusammenhang des 129 a auf die größte terroristische Vereinigung, die es je in Deutschland gegeben hat, angewandt worden, die Mehrheit der Bevölkerung säße in Isolationshaft.