Gegen die rabbinische Lehre vom bösen Trieb steht im NT das Gebot der Nachfolge, der Übernahme der Schuld der Welt; weiterhin: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; deshalb seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“; ebenso das Gebot der Feindesliebe; aber das ganze zusammen mit dem Verbot, das Unkraut vor der Zeit auszureißen.
Grund dieser Differenz ist der Umkehrpunkt, der in der Zeitenwende erreicht ist: das römische Imperium, die hierdurch im Ansatz realisierte Einheit der Welt, die zur Folge hat, daß es diese unmittelbare Beziehung nicht mehr gibt, daß alles vermittelt ist, daß in die Begriffe des Individuums, der Person, dann des Subjekts und des Objekts, die Geschichte der ganzen Welt mit eingeht. Die Beziehung zum Anderen, zum Objekt ist durch die ganze Weltgeschichte, durch die Struktur der Gesellschaft vermittelt (und diese Vermittlung heißt in der Schrift „Babel“?). Hier liegt der Grund für die leichte Veschiebung vom Konzept des bösen Triebs zu den utopischen, scheinbar unrealisierbaren moralischen Forderungen des Christentums, aber das mit der Folge, daß diese utopischen moralischen Forderungen dann wirklich zur Utopie verkommen sind, während in der Praxis und im Dogma die Rückkehr erfolgte zu jener Pseudo-Unmittelbarkeit, die den Inhalt vernichtet hat und durch den Schein einer Erlösung ohne Umkehr absolut böse geworden ist.
Horkheimers Bemerkung, daß es keine menschenfreundlichere Religion gibt, als das Christentum, aber auch keine, in deren Namen so schlimme Untaten begangen worden sind, hat genau hier ihren Grund.
Aber was ist dann im Islam passiert?
Der Begriff der Umkehr hat einen moralischen und einen zeitlichen Sinn. Umkehr leitet ihre Notwendigkeit daraus ab, daß im historischen Prozeß die vergangene Zukunft und die zukünftige Vergangenheit korrelativ immer weiter anwachsen. Wenn die Vergangenheit die Zukunft endgültig überformt: das wäre die Hölle. Die Gemeinheit ist genau die prophylaktische und präzise Anpassung an diese Hölle (deshalb ist sie leichter begründbar als das Gutsein): das Herrendenken.
Zum Zeitsinn der Umkehr: Das verinnerlichte Opfer ist das Opfer der Erinnerung. Und das ist der Preis für das Bewußtsein, wie weit wir es doch gebracht haben, der Preis für die installierte und kaum noch wegzuarbeitende generelle Empörung, die die westliche Zivilisation insgesamt mittlerweile kennzeichnet.
Der Objektbegriff ist der Korken auf der Flasche, in die wir den Geist eingesperrt haben.
Ist Hiob ein Araber; wer sind dann die drei Freunde des Hiob?
Die gesamte Physik ist eine Veranstaltung zur Erhaltung des Inertialsystems.
Ungeklärt ist eigentlich immer noch das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit zur Gravitation.
Den ruhenden Raum, der die Dinge nicht affiziert, in dem sie unberührt sich aufhalten, gibt es nicht. Genau das ist die Gewalt die den Dingen angetan wird, wenn wir sie „hinter ihrem Rücken“, im Verhältnis der „reinen Äußerlichkeit“, unter „Laborbedingungen“ erforschen.
Zur speziellen Relativitätstheorie Einsteins: die Zeitdilatation und die mit ihr systematisch verbundene Längenkontraktion sind richtungsbezogen, nicht objektbezogen.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit macht das Moment der Gewalt kenntlich, das im Inertialsystem steckt. Dagegen hat Einstein Zeit seines Lebens aufbegehrt, während die, die aus der Quantenphysik glaubten, philosphischen Honig schlecken zu können, in Wirklichkeit nur die Ideologie zur Anpassung an die Gewalt geliefert haben (und zum Teil aus diesem Grund fromm geworden sind: religiös, ohne die Last der Umkehr auf sich nehmen zu müssen).
Strukturalismus und Dekonstruktivismus haben ihr Vorbild in der protestantischen Bibelkritik und Exegese. Das, was diese mit biblischen Texten anstellt, haben die Franzosen dann generell auf Literaturkritik, Schriftkritik, Sprachkritik ausgedehnt.
Wichtiger als die Suchen nach Autor, Quellenschriften, Sinn scheint mir die Untersuchung des Sprachgestus, z.B. der Wendung „Spruch des Herrn“ oder dessen, was die Exegeten den poetischen Teil im Jeremias nennen: eine Sprachgestalt, in der der Autor sich gleichsam kleinmacht, in der er fast nicht mehr vorkommt, während in den Prosatexten bereits moderne Subjektivität sich ankündigt, der Autor sozusagen als transzendentales Subjekt zu diesem Text dazugehört.
Die heutige Neigung, Prophetie als „gefährlichen Text“ zu begreifen, müßte um ein geringes korrigiert werden, um der Wahrheit näher zu kommen. Gefährlich ist nicht die Prophetie, sondern ihre Nichtwahrnehmung, die dann zu Folgen wie Auschwitz führt.
Bileams Esel: Welche Bewandnis hat es überhaupt mit dem Esel in der Schrift, z.B. damit, daß der Messias auf einem Esel nach Jerusalem hereinreitet?
Die historisch-kritische Untersuchung der Bibel ist als deren Neutralisierung tendentiell antisemitisch. Der Gegenstand der Bibelkritik, das was durch Bibelkritik freigelegt werden soll, sollte nicht das Unvermögen, sondern die Kraft des biblischen Autors sein.
Das Gebot der Feindesliebe wird durch zugrundegelegtes Harmoniebedürfnis nicht erfüllt, sondern unterwandert. Die Aufhebung der Feindschaft gibt es nicht, wer sie anstrebt, intendiert die Vernichtung des Feindes.
Welche Aggressionen in der Exkulpierungssucht schlummern, läßt sich an manchen neudeutschen Bewegungen studieren.
Am Beispiel des Kruzifixes ließe sich leicht die Bedeutung des Bilderverbots (und die Folgen seiner Übertretung) nachweisen.
Die christliche Tradition dringt noch durch in der Politik unserer Bekenntnis-Parteien, die die Bekenntnislogik (z.B. das Personalisierungssyndrom) nutzen, um dahinter ihre dann nicht mehr kritisierbare Politik zu treiben.
Der transzendentale Idealismus ist die babylonische Gefangenschaft der Theologie (und die negative Dialektik ist ein Äquivalent des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit; sie verhält sich zur Hegelschen Dialektik wie das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindkeit zum begrifflichen Kontinuum der Physik).
Die Sonne beherrscht den Tag, der Mond die Nacht, aber die Erde bewegt sich (mit den Planeten) um die Sonne, der Mond um die Erde. Stellenwert von Wachen, Schlaf und Traum?
Der Logos und die Vergöttlichung des Opfers (oder das Opfer und die Sprache): Die benennde Kraft der Sprache ist allein wiederzugewinnen im Rahmen der Nachfolge; jeder Versuch, das im Rahmen einer Opfertheologie zu instrumentalisieren, führt in die Dialektik des Richten und Gerichtet-Werdens. Das instrumentalisierte Opfer verhext die Sprache, das reflektierte Opfer erneuert sie: Das „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ war der Systemgrund der Prophetie.
Was ist der Unterschied zwischen den Pluralformen Elohim, Haschamajim und Sefirot, Sabaot?
Die sogenannten Anthropomorphismen in der Schrift, die im Übrigen dazu ja erst vor dem Hintergrund des „naturwissenschaftlichen Weltbildes“ geworden sind, sind die eigentliche Erfahrungsquelle der Theologie. Wer diese Erfahrungsquelle verschüttet, läßt die Theologie verdorren, schickt sie in die Wüste, zu der die Welt geworden ist.
Hat Velikovskys Venus-Katastrophen-Theorie einen ähnlichen Stellenwert und eine ähnliche Bedeutung wie Freuds psychoanalytischer Mythos von der Brüderhorde und der Tötung des Urvaters?
Das Problem der Gemeinheit in der Justiz ist aus beweislogischen Gründen nicht aufhebbar.
Stammheim und Velikovskys Venus-Katastrophen-Theorie: Die Selbstmorde in Stammheim waren vielleicht tatsächlich Selbstmorde; aber gleichwohl waren sie auch Morde: induziert (und auch zu verantworten) durch das Verhalten des Staates, durch die Art, wie die Verfolgung, die Ermittlungen und die Verfahren durchgeführt worden sind. Die Katastrophen-Theorie erinnert an die Mord-Theorie insofern, als beide nicht nur Tatsachen-Fragen, sondern auch Schuldfragen beantworten sollen; beide dienen auch der Entlastung, der Exkulpation (und es gibt kein beweglicheres Element als die Schuld).
Kommt nicht bei Velikovsky und bei Heinsohn (in Abhängigkeit von der Geschichte der Ökonomie) die Rechtsgeschichte zu kurz? Hängt das zusammen mit der Unfähigkeit, das Katastrophische, die Einbrüche in der Gesellschaftsgeschichte zu begreifen. Kriege und andere Katastrophen sind oft nur Folgen von gesellschaftlichen Gewichts- und Gesteinsverschiebungen, von Umschichtungen, Verspannungen, die in normalen, „friedlichen“ Zeiten eingetreten sind, aber mit den damals zur Verfügung stehenden rationalen Methoden nicht zu bewältigen waren.
Gilt das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“ auch für die gesamte nachfolgende Täter-Gemeinde: die Kirche?
Zu den grammatischen Strukturen der alten Sprachen: Gab es im Griechischen auch einen Vokativ? Und im Hebräischen?
Der „Aufsatz“, diese Einübung in Heuchelei, ist etwas für Pfarrer, Richter und Lehrer. Themen wie „Der Wald im Spätherbst“ oder „Mein schönstes Ferienerlebnis“ waren Aufgaben, in denen der Schüler zeigen sollte, ob er gelernt hatte „sich auszudrücken“. Er mußte fähig sein, sich selbst ohne reale Objektvorgabe auszuquetschen. Und es waren die gleichen Lehrer, die dann am Ende mit der Frage „Was wollte der Dichter damit sagen“ jede Beziehung zur Literatur im Ansatz zerstörten. Richter, die die Anwendung der Gemeinheit narrensicher machen, Pfarrer, die den Atheismus unter dem Vorwand der Religion lehren, und Lehrer, die die Bildung so substituieren, daß sie danach nicht mehr vorkommt: das sind wohl im Augenblick die perversesten Berufe.
Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“, das die Sachverhalte sehr präzise beschrieben hat, ist möglicherweise deshalb bei den Lesern nicht angekommen, weil der Systempunkt, daß nämlich Gemeinheit kein strafrechtlicher, sondern nur ein theologischer Tatbestand ist, nicht deutlich genug angesprochen wurde.
Sonnemanns Aufforderung, mit den Ohren zu denken, wäre dahin zu ergänzen: und mit den Augen zu hören (in den Dingen zu lesen). Das würde etwas wie ein mimetisches Sehen voraussetzen und mit einschließen, etwas, das bisher nur einmal in der Geschichte aufgetreten ist, in der Frühphase der Entwicklung der Schrift. Wie verhält sich die Geschichte der Schrift zu den kulturellen und politischen Entwicklungen der Völker: Welcher Phase gehört die arabische Schrift an; was drückt sich in der chinesischen, in der indischen, in der ägyptischen Schrift aus; wie verhalten sich Keilschrift und Buchstabenschrift, welche Schrift hatten die Babylonier? Gibt es Objektschriften (China, Ägypten: Vorrang der Substantive), Prädikatschriften (Indien, Arabien: Vorrang der Verben)? Hängt die Entwicklung der Buchstabenschrift mit dem Bilderverbot zusammen, welche Auswirkung hatte die Einführung der Majuskel in der deutschen Schrift?
Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann kann sie nicht nur auf Vergangenheit sich beziehen, dann muß sie eine Gegenwartsbedeutung haben. Konsequenz: das typologische Schriftverständnis?
Drückt in der Unterscheidung zwischen starker und schwacher Deklination sich der Unterschied zwischen dem Subjekt und seiner Vergegenständlichung, und im Verfall der schwachen Deklination (in Verbindung mit dem Verfall des Konjunktivs) eine Auswirkung des Objektivationsprozesses aus, ein Verfall des Humanen, eine Folge des „Hinter-dem-Rücken-Redens“, des Geschwätzes?
Was ist an Spenglers Hinweis, daß die Wikinger, die Normannen das Rechnungswesen und die Buchhaltung eingeführt haben? (etwa S. 1010/20?)
Mai 1991
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30.05.91
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23.05.91
Zu Siegfried Herrmann, Jeremias, Darmstadt 1990: Schwer erträglich der Objektivitätsanspruch, der soweit geht, das der Autor sich selbst in der dritten Person zitiert. Damit scheint es zusammenzuhängen, daß
– die „Quellen“-Suche einfach nach dem Eindruck aussortiert (und der deuteronomi(sti)schen Redaktion zuordnet), was dem eigenen Prophetieverständnis nicht entspricht;
– das Prophetie-Verständnis selber sich (positivistisch) an den Klischees „Heils-“ und „Unheilsprophetie“ orientiert, hierbei tendentiell die „Heilsprophetie“ den „falschen Propheten“ zuweist, ohne die zentrale Bedeutung der Umkehr zu sehen, die wörtlich zu verstehen ist: durch Umkehr wird Unheilsprophetie zu Heilsprophetie, beide sind zwei Seiten der gleichen Sache; und falsche Propheten sind jene, die „Heil“ ohne Umkehr versprechen.
– Deutlicher als „Heil“ und „Unheil“, die christlichem (und dann faschistischem) Sprach- und Denkgebrauch entsprechen, wären ohnehin die biblischen Begriffe Gericht und Barmherzigkeit: Das Gericht ist das Gericht der Barmherzigkeit über die unbarmherzige Welt (über das Weltgericht).
– Unerträglich auch die unvermittelte (an preußisch-deutsche Traditionen der Geschichtsschreibung erinnernde) Zuordnung des Prophetenworts zu frühgeschichtlichen Kriegsereignissen mit der Tendenz, Unheil mit Niederlage und Heil mit Sieg gleichzusetzen: so als hätte das Hören aufs Prophetenwort die Niederlage, Unterwerfung und Vertreibung, das Exil, verhindern können. Prophetie ist Herrschaftskritik, nicht Kritik der Herrschaft des Feindes. (Die hämische Reaktion dessen, der den Besiegten nachträglich an seine – vom Propheten vorhergesagten – Fehler erinnert, entstammt der Tradition dieses Prophetieverständnisses).
– Geschichtsschreibung als Einfühlung in die, die seit je gesiegt haben, verfehlt die historische Wasserscheide der Prophetie von vornherein.
Unterirdisch scheint hiermit auch Bubers Schrift- und Prophetieverständnis zusammenzuhängen, wie es u.a. in seiner archaisierenden Sprache sich zeigt. Verwaltungssprache wird nicht dadurch „echter“, daß sie auf frühfeudale Verhältnisse rekurriert, gleichsam durch heroische Patina sich zu legitimieren sucht, Geistesgegenwart durch hierarchisches, entmündigendes Realitätsverständnis (Künden, Weisen, Walten), zu dem dann das existentialistische „Geschehen“ paßt: durch den Rückgriff auf vorzivilisatorische Verhältnisse ersetzt (durch die man glaubt, dem antisemitischen Gesetzesverständnis sich entziehen zu können, während man zugleich gesetzlose Zustände, die dem Antisemitismus zugute kommen, befördert).
Zu Jeremia „der Nacken und nicht das Gesicht“ (vgl. S. Herrmann, S. 95): Präzisierung des „hinter dem Rücken“; der Nacken beugt sich vor den Herren; er trägt die Last, das Joch (beugt sich unter der Last der Schuld). Vgl. u.a. Jer 1719ff: die Sabbatheiligung, 271ff: Zeichenhandlung vom Joch u.ö.
Kann es sein, daß man die – aus Deuterojesaias Gottesknecht-Liedern stammende – Vorstellung vom Sühneleiden des Gerechten (Jes 53) auf ihren Realgehalt zurückführen, daß man die christliche Form ihrer Adaptation gleichsam umkehren muß, um ihre Wahrheit zu begreifen; man darf sie nicht aus der Sicht des Volkes, sondern aus der des Gottesknechts: nicht teleologisch, sondern kausal interpretieren: als erstes Zeugnis jenes Mechanismus, der dazu führt, daß in der Tat der Gerechte das erste Opfer der Gemeinheit ist, die im realen historischen Prozeß sich durchsetzt, wenn die Gottesfurcht verschwindet und die Lehre keinen Platz mehr findet. Falsch (dem Nachfolgegebot widersprechend) ist auf jeden Fall ihre Umformung zur Opfertheologie, die durch Instrumentalisierung das progressive Verschwinden der Gottesfurcht und der Lehre verursacht und am Ende beschleunigt hat. (Vgl. aber dagegen Hebr 1010 u.a.)
Die Bemerkung aus der DdA, wonach die Distanz zum Objekt vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, sowie die Konsequenz, die sich aus der mittelalterlichen Interpretation der biblischen Dornen und Disteln durch die Wormser Chassidim ergibt, ist ohne eine kritische Naturphilosophie nicht zu halten. -
21.05.91
Zur Systemlogik des Bekenntnisses gehört die Heuchelei: daß die, die das Bekenntnis fordern, selber nicht bereit sind, sich daran zu halten. Bekenntnisse sind Bekenntnisse für andere. Der Bekenntniszwang nimmt zu mit der Ohnmacht: deshalb ist er innerhalb der Linken stärker als bei den Rechten. Die CDU ist eine Bekenntnis-Partei, weil sie eigentlich kein Bekenntnis mehr braucht. Die Verflechtung von politischer und wirtschaftlicher Macht enthebt jene, die diese Macht in Händen halten, von jeder Verpflichtung (vgl. die Papstgeschichte des frühen Mittelalters). Der Bekenntniszwang wird nur in Gefahrensituationen aktuell (in Situationen, in denen der instrumentelle Gebrauch geboten ist): hier wird das Bekenntnis wieder zur Waffe, zum Mittel der Diskriminierung, der taktischen oder strategischen Nutzung des Feindbildes.
Gott gründete die Erde und spannte den Himmel auf: hat er den Himmel mit den Sternen am Firmament befestigt? Und Paulus war ein Zeltmacher. – Gegründet werden Städte, Staaten, Unternehmungen, Firmen, Institutionen; Grund sind teleologische Vorstellungen, Zwecke, Ziele, Ideen als Ursachen. Gründen ist eine technische Organisation von Mitteln zu bestimmten, vorgegebenen Zwecken: Zusammenhang mit der Selbsterhaltung, dem Realitätsprinzip.
Prophetisches Bilder-Lexikon: die Erde gründen, den Himmel aufspannen, Dornen und Disteln, den Geist ausgießen, Tiere, Völker, Bäume etc.
Bezieht sich das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf den ganzen Raum oder (als Maß einer Bewegung im Raum) jeweils nur auf eine bestimmte Richtung des Raumes: sind die Längenkontraktion und die Zeitdilatation richtungsabhängig (auf den Bewegungssinn bezogen)? Bedeutet das, daß die Beziehung der Zeit zum Raum nicht mehr diesen Totalitätscharakter hat, sondern gleichsam individualisierend vorgestellt werden muß? Was ist hiernach noch gleichzeitig? Ist nur noch der „Lichtstrahl von innen“ das Moment der Gegenwart im Raum, und die Gleichzeitigkeit (als subjektiver, mit dem Inertialsystem als objektiv gesetzter Schein) hiervon zu unterscheiden? Die Lichtgeschwindigkeit gehört zu einem Vorstellungssystem, in dem der Lichtstrahl gleichsam von außen gesehen, vergegenständlicht wird, und erst in diesem Zusammenhang als eine zeitlich bestimmte Bewegung erscheint. (Falsche Interpretation der Zeitdilatation: sie kann nie auf ein ganzes Objekt bezogen werden. Man altert nicht langsamer, wenn man mit einer Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit durchs Weltall fliegt.)
Die Lichtgeschwindigkeit ist nicht das Maß einer Objektbewegung im Raum, sondern das einer Raumbewegung im Objekt.
Verletzen die „Schwarzen Löcher“ nicht das Gesetz der Energie-Erhaltung?
Schlaf: das Untertauchen ins Gegenständliche, Subjektlose; deshalb: Wachet und betet. Die Physik ist der Traum des Verstandes, die Theologie das Aufwachen.
Paulus heißt auch Saul; kam nicht David nach Saul?
Heinsohn weist auf den astronomischen Ursprung des Pentagramm hin: auf den Zusammenhang mit der Planetenbahn der Venus, die in genau acht Jahren fünfmal die Sonne umkreist, bezogen auf die Erde demnach ein Pentagramm beschreibt. Das Pentagramm ist der Drudenfuß: gibt es dazu eine keltische Erklärung?
Gemeinheit ist kein psychologischer, sondern ein objektiver Begriff; oder genauer: ein Begriff für einen objektivitätsbegründenden Sachverhalt. Die Erfahrung der Gemeinheit läßt drei Reaktionen zu:
– man wird selber gemein;
– man wird depressiv;
– man weigert sich, auch gemein zu werden.
In der dritten Verleugnung wird die Kirche selber zur Schule der Gemeinheit. Es ist die Phase der Selbstverfluchung.
Aufklärung beruht auf der Verinnerlichung des Opfers und der Vergeistigung der Idololatrie.
Abraham (seine Nachkommenschaft ist so groß wie die Zahl der Sterne am Firmament), Isaak und Jakob und die zwölf Stämme Israels: der „Schrecken Isaaks“ („Er lacht“), das Lachen Abrahams und Saras, Jakob: „Gott schützt“ und „Er betrügt“.
Zu Jakobs Kampf mit dem Engel: Gibt es eine andere Stelle, an der die Hüfte vorkommt? Hat die Hüfte etwas mit der Lende oder mit der Rippe zu tun?
In welcher Beziehung stehen die zwölf Apostel zu den zwölf Stämmen Israels, den zwölf Söhnen Jakobs (den zwölf Tierkreiszeichen)? An welcher Stelle stehen respektive Petrus, Johannes, Judas?
Die Sonne herrscht über den Tag, der Mond über die Nacht.
Zu den frühgeschichtlichen „Naturkatastrophen“ vgl. die Geschichte von den Urkönigen (Könige von Edom) in der Kabbalah?
Zu den Königen von Edom: Hatte jeder eine Stadt gegründet? Wieviel Städte waren es?
Woher stammen die Galiläer; gibt es einen Zusammenhang mit dem Stamme Dan?
Steiner, S. 262; Kunst als Gegenschöpfung, S. 265; S. 268
Das objektbezogene Lachen ist anders als das befreiende Lachen (ebenso das feindbildbezogene Zwangs-Bekenntnis anders als das befreiende Bekenntnis).
Zwischen dem An-sich und dem Für-uns ist ein Bruch, der sich dialektisch nicht auflösen läßt. Das An-sich wird in Dialektik hereingezogen durch das entfremdete Subjekt-Objekt: als ein Für-uns.
Durch das „es gibt“ wird die Frage „Gibt es Gott“ blasphemisch. Für dieses Es gibt es keinen Gott. Dieses Es ist Statthalter der Totalitätsbegriff Welt und Natur, die sich dem historischen Prozeß verdanken, die Subjektivität zum Ursprung haben, deshalb atheistisch sind.
Zur Genesis des Objektbegriffs: Die Billardkugel, die Erde, die Sterne, die Sonne, das Opfer, das Objekt des Lachens, das Schicksal, das Urteil, das Richten, der Begriff/das Urteil/der Schluß, der Säkularisationsprozeß, die Profangeschichte: Herrschaftsgeschichte und Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur, Subjekt und Empörung, Objekt und Instrumentalisierung, Mittel und Zweck, Grund und Begründetes.
Es ist der zugleich festgehaltene und geopferte Objektbegriff, der die Hegelsche Logik begründet. Die Verinnerlichung des Opfers hat ihr gegenständliches Korrelat im Opfer des Objekts: im Antisemitismus und in der Frauenfeindschaft. Geopfert wird die Klage (Rahel weint um ihre Kinder) und die Barmherzigkeit.
Jeder Mensch ist Ursprung eines Inertialsystems: Zusammmenhang mit den Fixsternen?
Spr 1519: Der Weg der Faulen (der Trägen?) ist wie ein Dornengestrüpp, …: Kritik des Inertialsystems.
Zur Mechanik, zur Realitätserfahrung am Widerstand des Objekts: der Boden ist der Widerstand gegen den Fall (Blut und Boden).
Zur Dialektik der Scham: Wer selber vor Scham sich verstecken (in den Boden versinken) möchte, respektiert nicht mehr die Scham der anderen (nimmt sie nicht mehr wahr?). Zusammenhang mit der Dialektik der Schuld. -
16.05.91
Habermas‘ Begriff eines gewaltfreien Diskurses verkennt, daß der gewaltfreie Diskurs gegen Gemeinheit unwirksam ist, daß Gemeinheit sich nicht rational auflösen, widerlegen läßt. Gleichwohl ist der Rückgriff auf Gewalt falsch, vielmehr ist in die Diskussion des Zusammenhangs von Gewalt und Vernunft die Erinnerung an Theologie, auch an die Idee einer Änderung der Natur, mit aufzunehmen. Es gibt einen Naturgrund der Gewalt (auch der gesellschaftlichen Gewalt), der nur im Kontext der Reflexion eines die Natur mit einschließenden Schuldzusammenhangs sich begreifen läßt. Nur so ist Adornos Idee eines Eingedenkens der Natur im Subjekt zu begründen, nur so läßt sie sich in Richtung Wahrheit entfalten.
Gemeinheit bleibt unangreifbar (gleichsam erkenntnistheoretisch abgesichert), solange die Geltung des naturwissenschaftlichen Erkenntnismodell unreflektiert hingenommen wird, solange es nicht gelingt, die Legitimation des Hinter-dem Rücken-Denkens durch die Naturwissenschaft durch Reflexion aufzulösen: Nur so ist der Bann zu brechen.
Das Studium der Zeitgeschichte (des Faschismus, aber auch des Stalinismus und seiner sozialistischen Varianten), insbesondere der Auschwitz-Zeugen, des Antisemitismus, der stalinistischen Schauprozesse und des „Archipel Gulag“, aber auch des „Terrorismus“-Problems, ist das Studium der Gemeinheit: des Schattens des vergesellschafteten Herrendenkens. -
14.05.91
„Die Astrophysik ist ihrem Wesen nach eine historische Wissenschaft und scheint doch allen anderen historischen Wissenschaften etwas voraus zu haben: Sie kann Vergangenheit im wörtlichen Sinne sichtbar machen. Denn je weiter das gesehene Objekt am Himmel von der Erde entfernt ist, desto älter ist auch die empfangene Lichtinformation.“ (Christian Blöss: Planeten Götter Katastrophen, Frankfurt 1991, S. 12) Der Satz enthält mehrere Ungereimtheiten:
– Ich sehe die Sterne ebenso wie die täglichen Dinge „an ihrem Ort“, d.h. in einer (räumlichen) Entfernung vom Auge, die ich dann auf andere Weise mehr oder weniger genau bestimmen kann. Die „Vergangenheit“ des gesehenen Objekts (des Sterns) ist ein physikalischer, kein historischer Sachverhalt. Auch die Sternenwelt ist, wenn ich sie sehe, mir „gegenwärtig“.
– Die Subjektivierung (und Entrealisierung) dieser „Gegenwart“, die Vorstellung, daß das gegenständliche Sehen (zusammen mit den sinnlichen Qualitäten der Dinge, den „sekundären Sinnesqualitäten“) ein genetisch sowie durch Lernen und Gewöhnung produzierter Schein sei, ist in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung begründet, in der kopernikanischen Wende, im mechanischen Objektbegriff und schließlich im Nachweis der endlichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts.
– „Objektiv“ ist die „empfangene Lichtinformation“, eine Konstellation und Abfolge physikalischer Prozesse im Auge. Aber diese Prozesse im Auge sind an sich chaotisch: punktuelle, nicht zusammenhängende Einwirkungen auf die Netzhaut, ohne jeden Informationsgehalt über Richtung und Entfernung ihres Ursprungs (die Photonen sind ohne Erinnerung an ihren Ursprung); auch das „Bild“ auf der Netzhaut ist physikalisch keines, sondern setzt eben jenes gegenständliche Sehen (und die daraus abgeleitete Einbildungs- und Vorstellungskraft) bereits voraus, das es erklären soll.
– Auf der Grundlage der physikalischen Begriffe, und d.h. im Rahmen des Inertialsystems, des Referenzsystems, auf das alle physikalischen Erscheinungen und Begriffe sich beziehen, ist das gegenständliche Sehen (die sinnliche Gegenwart der Dinge im Raume) nicht rekonstruierbar.
– Stichworte: Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, Änderung des Inertialsystems, Konstituierung des „Lichts“ zusammen mit Kritik des vergegenständlichten Raum-Zeit-Systems, Änderung des Zusammenhangs und des Stellenwerts der Physik, ihrer Beziehung zum Objekt, Freisetzung einer objektiven sinnlichen Welt und Grenze der Instrumentalisierung, „hinter dem Rücken“ (Objektivationsprozeß) Grund der Instrumentalisierung, Zusammenhang von Instrumentalisierung, Herrschafts-, Schuld-und Verblendungszusammenhang: Auflösung des Banns, der auf der Natur lastet: Naturbegriff bezeichnet diesen Bann (Natur- und Weltbegriff).
– Naturphilosophische Konsequenzen: Kritik des Raumbegriffs (subjektive Form der Anschauung, Gleichwertigkeit der Dimensionen nur im Inertialsystem und als subjektives Apriori), Gravitationsgesetz (macht Ungleichnamiges gleichnamig), Kosmologie. -
13.05.91
Die Logik des Bekenntnisses beherrscht auch den Erkenntnisfortschritt: Das Objekt ist der Feind, das Wissen das Denkmal des Sieges; gewonnen wird das Wissen in der Auseinandersetzung mit den Häresien: den veralteten, überwundenen Anschauungen (in jeder Häresie tritt der wahren Lehre erneut ein noch nicht überwundenes Stück Heidentum entgegen). Der Materialismus repräsentiert die ungetaufte, noch nicht überwundene rohe Natur: das, was unten ist und da auch hingehört. Universität ist ein Zielbegriff und ein Kampfruf, die Wissenschaft die Phalanx, die ruhig, gewaltig und unwiderstehlich fortschreitet. Die widerlegten, überwundenen Gedankenmassen haben ihre Begräbnisstätten in den Bibliotheken gefunden; an die Möglichkeit einer Auferstehung denkt niemand.
Hat der Satz: „Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“ auch erkenntniskritische Bedeutung? Und ist nicht der Sinn hierfür durch die Musik geschärft worden: durch die Überlagerung verschiedener Zeitstrukturen? Und ist hier nicht die Klassik ein -wie auch immer ambivalenter – Fortschritt gegenüber der Polyphonie Bachs? Werden hier nicht in die Musik Formstrukturen eingearbeitet, die sich dann in der Musik gegen die Musik (in Richtung Sprache?) abarbeiten? Eine Geschichte der Musik nach Bach (bis Schönberg) müßte diesen Prozeß darstellen. Bach hat gleichsam das Gravitationsgesetz in der Musik entdeckt und ausformuliert, Schönberg das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Das Movens in dieser Geschichte ist mit denm Hegelschen Absoluten verwandt: mit dem Gesetz der Profangeschichte: von der brutalen Form der Selbsterhaltung bis zu den sublimsten Formen des Glücksverlangens.
Das Gefühl, dessen Begriff das Äquivalent des mechanischen Stoßes, das Tastempfinden, wie auch die sublimsten Erfahrungen umfaßt, ist nicht nur der Gegensatz zur Vernunft, zur Logik, sondern es hat seine eigene Logik, die an der der Vernunft partizipiert. Das Gefühl ist die brennende (aber nicht verbrennende) Innenerfahrung der Profangeschichte; durch die Bindung an die Profangeschichte hat es seinen pathologischen Zug, der aber gleichzeitig der Widerstand ist, an dem es sich abarbeitet. Das Gefühl ist das Äquivalent des materiellen Trägheitsmoments im Subjekt. Und die Physik, vom Gravitationsgesetz über die Thermo- und Elektrodynamik bis zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, zum Planckschen Strahlungsgesetz und zur Quantenmechanik, beschreibt nicht nur die Schicksale des Trägheitsbegriffs, sondern ebensosehr die des Gefühls. Das Gefühl konstituiert sich in der Spannung zwischen Welt und Natur (als subjektiver Reflex der entfremdeten, vergegenständlichten Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur). Sein Ursprung licht (sic, B.H.) die Geschichte der politischen Physik (nicht Ökonomie).
Der Säkularisationsprozeß hat seine Grenze darin, daß in seinem blinden Fleck die christlichen Ursprünge versteckt sind (blind herrschen und zugleich unerkennbar geworden sind). Diese verdrängten christlichen Ursprünge aber sind nur erkenntnis- und bewußtseinsfähig im Rahmen einer politischen Physik. Sie sind aufklärungsfähig nur dann, wenn der Bann, der von der Physik auf die Politik ausstrahlt und übergreift, gelöst wird. (Titel-Vorschlag: Probleme des Säkularisationsprozesses oder Kritik der politischen Physik. – Kritik der politischen Physik ist Kritik der Ästhetik, Kritik des Weltbegriffs; in der Theologie: Kritik des Bekenntnisbegriffs. Hintergrund ist der Zusammenhang der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Logik)
Typos meiner Waldspaziergänge: das Brüten des Geistes über den Wassern (in Verbindung mit dem „abgestiegen zur Hölle“).
Über den Gegenstandsbegriff hat das Subjekt alle Objekte in den Strudel seines Falls mit hereingezogen.
Der verdinglichte Begriff des Unbewußten, der Zwang, das Unbewußte im Rahmen einer psychologischen Topographie im Subjekt zu lokalisieren, rührt her vom Telos der Psychoanalyse, von dem Ziel, das Subjekt lebenstüchtig zu machen, es ans herrschende Realitätsprinzip anzupassen, es arbeits- und genußfähig zu machen. Mit der Anerkennung des Realitätsprinzips lädt Freud dem Subjekt die ganze Last der Vergangenheit auf; die Hinnahme der Vergangenheit ist die Grundlage des Realitätsprinzips. Aber mit der Anamnese, mit der Erinnerungsarbeit, stellt Freud auch die Mittel bereit, diese Vergangenheit zu durchschauen; wenn die Anamnese entdomestiziert (nicht selber wieder dem Realitätsprinzip unterworfen) wird, vermag sie vielleicht auch diese Prämisse des Freudschen Konstrukts zu relativieren.
Das Subjekt-Objekt des Rechts ist die Gemeinheit: deshalb ist die Gemeinheit kein Tatbestand des Strafrechts.
Im Gravitationsgesetz und in der Geschichte der Optik und Elektrodynamik ist es der Physik gelungen, die Distanz zum Objekt ins System zu integrieren, so das System überhaupt erst zu konstituieren. Durch diese Einbindung aber ist das System zugleich gesprengt worden (Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).
Falsch wäre es, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf das Gravitationsgesetz bloß anwenden zu wollen, wichtig wäre es, die Identität zu begreifen.
Velikowsky und seine Nachfolger, die Vertreter einer katastrophischen Geschichtstheorie, bleiben in dem gleichen Konkretismus stecken, der auch die gesamte Ökologiebewegung beherrscht. Ein nicht konkretistischer Objektivitätsbegriff würde allerdings auch eine Kritik der Physik (Kritik des Inertialsystems) voraussetzen, die es bis heute noch nicht gibt.
Steckt in der Masse-Energie-Äquivalenz (E = m.c2) der Schlüssel für die Kritik und Entzifferung der wichtigsten Leistung des Gravitationsgesetzes: der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen.
Enthalten die apokalyptischen Schriften Erinnerungen an die historischen Naturkatastrophen, oder enthalten sie Hinweise für eine Entschlüsselung dessen, was hier durch das Konzept der historischen Naturkatastrophen bewiesen werden soll? Die konkretistischen Weltuntergangsvorstellungen scheinen in den gleichen Zusammenhang hereinzugehören.
Wenn die Juden der Augenstern Gottes sind, wer ist dann der Finger Gottes? Ist es der Finger Gottes, der die Lippen öffnet? (Ein Titel wie „Der Heilige Geist als Person“ ist schlicht blasphemisch, eine Sünde wider den Heiligen Geist.)
Hat der Hahnenschrei etwas mit dem Morgenstern zu tun?
Die installierte Heuchelei des kirchlichen Lebens heute, der Existenz in der Kirche, beruht darauf, daß der Block des Bekenntnisses, wie es scheint, nicht aufzulösen ist. Erst die Verbindung von Gottesfurcht und Herrschaftskritik löst den mythischen Bann.
Das Subjekt in der Natur ist das alte logische Subjekt, das Subjekt im Urteil, das durch die Mathematisierung der Natur sich aufgelöst hat. Geblieben ist die Idee des unbegriffenen Benennbaren. Die Auslöschung des benannten (benennbaren) Subjekts ist der systemlogische Grund des Antisemtismus.
Heute verfängt sich das Herrendenken in seinem selbstproduzierten System. Der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ benennt das Prinzip davon.
Der Begriff des Gerichts hängt mit dem der gerichteten Bewegung, mit der Gewalt des Raumes, zusammen; gerichtet wird außerdem das Haus („aber der Menschensohn, hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen soll“); und das Essen wird angerichtet. Gerichtet wird der Angeklagte, der Verbrecher.
Wie ist es mit dem Haus, dem Wohnen, im Alten Testament (das Zelt, der Tempel), mit dem Land, wo Milch und Honig fließt?
Die Erde erscheint von außen als „blauer Planet“. Warum eigentlich? Und warum nur die Erde?
Hegels List der Vernunft ist heute übergegangen in die Gewalt der Vernunft. Genauer: An die Stelle der List der Vernunft ist heute die nackte und brutale Gewalt getreten, die auch in der Vernunft ihr zerstörerisches Werk vollendet hat.
Die Differenz zwischen dem stalinistischen und dem faschistischen Antisemitismus läßt sich an dem Verhältnis der stalinistischen Schauprozesse und dem faschistischen Judenmord bestimmen: Die Funktion der Antisemitismen war unterschiedlich. Der stalinistische Schauprozeß ging über die Gehirnwäsche zur Auslöschung des Subjekts durch systemkonforme Selbstdenunziation; den Opfern wurde zugemutet, durch die doppelte Selbstdenunziation (als „Verräter“ der Bekenntnisgemeinschaft und des eigenen Gewissens) das von ihnen selbst vertretene System (ihre eigene Identität, wie es heute bei der raf heißt) zu retten. Die Angeklagten bekannten sich schuldig für Taten, die sie nicht begangen hatten. Um der Gemeinschaft, der sie sich verschrieben hatten (dem Bekenntnis, an das sie glaubten), zu dienen, ließen sie sich als Opfer (als Opfer ihrer eigenen Bekenntnislogik) vorführen. Die Nazis hingegen beteten die Gewalt an; und um diese Gewaltmetaphysik bei den eigenen Anhängern rein durchsetzen zu können, vernichteten sie die Angehörigen des Volkes, das an den einzigen Widerspruch gegen die Gewaltmetaphysik: an den Ursprung des Gewissens erinnerte. Die faschistische Gemeinschaft war die der Komplizenschaft, nicht die eines rationalen Bekenntnisses (der Form, nicht des Inhalts des Bekenntnisses).
Die Liquidierung ist ein stalinistischer Akt, die Endlösung ein faschistischer.
Intersubjektivität ist ein Bekenntnisbegriff.
Die Medien sind die Agenten des beschränkten Lesergeschmacks, den sie selber produzieren.
In den Problemen der Agrarpolitik und in den Dritte-Welt-Problemen drückt sich die Tendenz der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur aus, die darauf hinausläuft, die Natur (den Naturstoff und die Arbeit) zum Verschwinden zu bringen.
Legen die Hinweise von Gunnar Heinsohn die Erkenntnis nahe, daß die Schlachtopfer matriarchalischen, die Ganzopfer (Holocaust) hingegen patriarchalischen Ursprungs sind?
Urheber des Krieges ist der Staat, nicht das Volk (Franz Rosenzweig, Kleine Schriften). Das Volk ist Opfer des Krieges, und zwar unabhängig von nationaler Zugehörigkeit und unabhängig von Sieg oder Niederlage: so ist das Volk eine Schicksalsgemeinschaft.
Der Trick der Hegelschen Philosophie, die List der Hegelschen Vernunft, liegt darin, daß er das begriffslos gewordene Objekt zum Verschwinden bringt und auf diesem Wege den Begriff zum Inbegriff des Ganzen macht. Das Objekt, sofern es Deckbild des Anderen ist, dessen, was nicht in den Begriff aufgeht, ist nur noch Denkmal des vergessenen Namens, hat kein Existenzrecht. Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der Philosophie insgesamt antisemitisch, und das auch schon im frühchristlichen Dogmatisierungsprozeß, in der christlichen Theologie.
Heideggers Existenzbegriff ist Inbegriff der Gewalt, die dem Objekt angetan wird, während der Existenzbegriff bei Rosenzweig, wenn es denn so etwas überhaupt bei ihm gibt, Inbegriff des Leidens ist, das dem Objekt angetan wird. Philosophie ist der Prozeß der Verdrängung dieses Leidens.
Doppelte Beziehung zum Anderssein im Objekt: die Aggression, die Wut, ist antisemitisch, die Angst vor dem Chaos, vor der Selbstauflösung, ist frauenfeindlich. (Und die Oszillation von Angst und Wut ist die Elektrodynamik.)
Das Medium der Naturphilosophie ist die assoziative, auch aleatorische Aufschlüsselung des Bruchs zwischen der Sinnlichkeit und ihrer physikalischen Objektivierung. Die hierbei gewonnene Erkenntnis gleicht der, die Spengler die physiognomische Erkenntnis genannt hat, jedoch nach ihrer Befreiung von der Herrschaft, des Mythos, des Schicksals. Sie gehorcht dem Satz: Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; deshalb seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.
Der Werbeslogan „Die Polizei, den Freund und Helfer“ ist schlicht eine blasphemische Lüge. Die Polizei ist die Priesterschaft des neumythischen Staates, das Opfer, das sie ihrem endlichen Gott darbringt, liegt noch jenseits des Ganzopfers, es ist kein Opfer mehr zur Entsühnung des Volkes, sondern das Opfer des Volkes zur eigenen Entsühnung, zur Entsühnung des Tieres, in dessen Dienst die Polizei steht. -
12.05.91
Zur Genese des Idealismus: Das Verhältnis von Feind und Verräter (Juden und Häretiker) im Bekenntnissyndrom verführt zur Identifikation beider; im Faschismus waren die Juden Feind, im Stalinismus Verräter. Die Differenz gründet in der Beziehung zum Urteil: der Feind ist gleichsam das Subjekt, der Häretiker Prädikat, die Identität beider das transzendentale Subjekt, der absolute Begriff, die Ontologie. Die Identifikation, die Verwischung der Differenz, ist der Grund der synthetischen Urteile apriori bei Kant, der dialektischen Logik Hegels und der Fundamentalontologie Heideggers.
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11.05.91
Der Satz aus der DdA, wonach die Distanz zum Objekt vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, hat heute seine gegenständliche Entsprechung im Geld: Durchs Geld gewinne ich die Herrschaft über die Arbeit anderer, die dann die Gegenständlichkeit der Dinge (und der Vergangenheit) konstituiert (und den Ursprung des Konstitutionsprozesses selber zugleich ausblendet: pecunia non olet).
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11.05.91
Im Deutschen (und im Griechischen) ist das Gesicht ein Neutrum: So abgesperrt, so stumpf, so verzweifelt ist die deutsche Sprache (und die der Philosophie).
Die Philosophie als eine elliptische Konstruktion nicht mit zwei, sondern mit drei Brennpunkten: Theologie, Geschichtsphilosophie, Naturphilosophie (Bekenntnis, Geld, Inertialsystem). -
10.05.91
Der Objektivierungsprozeß, dessen eingreifende, verändernde Gewalt an der Lichtgeschwindigkeit unmittelbar sich nachweisen läßt, bringt wie das Licht so alle sinnlichen Qualitäten zum Verschwinden. Der „parvus error in principio“ wurde dann im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit präzise bestimmt.
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08.05.91
Yaak Karsunke, „Über Leichen gehen“ (FR 08.05.91): Die Instrumentalisierung der Toten von Stammheim, die Umkehrung der Trauer in Wut und Aggression, hängt nicht nur über die bewußt gehandhabte paranoide Logik der Verschwörungstheorie mit dem Faschismus zusammen, sondern erinnert auch an die antisemitischen Grabschändungen und an Kohls Vergangenheitsbeschwörung in Bitburg („Versöhnung über Gräbern“). Der Tod der Häftlinge in Stammheim war, obwohl vielleicht tatsächlich Selbstmord, in anderer Hinsicht schon Mord: Folge der aggresiven und wütenden Unfähigkeit des Staates und der Justiz, mit dieser Frage noch auf humane Weise umzugehen. (Vgl. auch die stalinistischen Schauprozesse – Notizen vom 12. und 13.05.91)
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06.05.91
Walter Benjamins Bemerkung zur Theologie, daß sie heute bekanntlich klein und häßlich sei und sich nicht dürfe blicken lassen, erinnert an die Geschichte vom Sündenfall: Adam versteckte sich auch unter den Bäumen, weil er sich nicht mehr durfte blicken blicken lassen. Oder genauer: Er hatte vom Baum der Erkenntnis gegessen, erkannte, daß er nackt war, und versteckte sich unter den Bäumen. Auch die Theologie hat vom Baum der Erkenntnis gegessen, aber noch nicht erkannt, daß sie nackt ist.
Die kantischen subjektiven Formen der Anschauung sind eine direkte Konsequenz aus dem Relativitätsprinzip: Jedes Subjekt ist ein bewegtes Inertialsystem, schleppt dieses System als apriorische Raum- und Zeitanschauung mit sich herum.
Exponentialfunktion, Zusammenhang mit den trigonometrischen Funktionen (imaginärer Exponent), Bedeutung für die Statistik (Plancksches Strahlungsgesetz).
Das feministische „Bekenntnis“ ist ein Produkt der Identifikation mit dem Aggressor (der dann auch aus Gründen der projektiven Selbstentlastung als Feind im Bekenntnis erscheint).
Der Arglosigkeit entspricht die Trauer, nicht die Empörung; zur Empörung werde ich gereizt, wenn ich die Trauerarbeit vermeiden will.
Woher stammt das Trinitätssymbol: das Auge im Dreieck?
Das Ohr ist ein passives Organ, dem als aktives Organ der sprechende Mund entspricht (aber das wirkliche Hören ist ein sehr aktiver Akt).
Das Auge ist ebenfalls ein passives Organ, es nimmt auf, was von außen ans Auge herankommt; das zugehörige aktive Organ ist Teil der Außenwelt: die Sonne. der Mond, jede Lichtquelle. Aber es gibt gleichwohl den aktiven Blick.
Geruch und Geschmack sind rein passive (dingbezogene) Sinnesorgane, während das Gefühl auf merkwürdige Weise aktiv und passiv zugleich ist.
Wie kommt es zu der Doppelbedeutung des Begriffs des Fühlens, des Gefühls: Das Gefühl ist das eigentlich ästhetische Organ (das Grundorgan des Empfindens, mit einer Tendenz ins Pathologische); es ist aber zugleich das Tastorgan, das mechanischste aller Organe.
Hat es im Paradies Insekten gegeben? Hängen Insekten als in besonderer Weise „weltliche“ Lebewesen (als besonders anpassungs- und überlebensfähige Lebewesen mit der Möglichkeit des Staatenbildung: des Kollektivsubjekts, des subsistierenden Gattungswesens) mit dem Sündenfall (mit der Weltentstehung und der Weltgeschichte als Entstehung und Geschichte der Welt) zusammen? Ähnlich die Farne und alle Pflanzen, die nicht über Blüten (und Insekten) sich fortpflanzen?
Lag Schellings (und Hegels) Fehler darin, daß er die Entstehung (und die Geltung) von Raum und Zeit sozusagen mit einem Schlage erledigt wissen wollte? Raum und Zeit sind (wie der Logos) „im Anfang“, aber sind sie deshalb auch in der Zeit am Anfang? Wenn die Unendlichkeit des Raumes nicht mehr zu halten ist, dann auch nicht die der Zeit: insoweit hängt die Kosmologie mit der Schöpfungslehre (oder auch mit der Evolutionsvorstellung) zusammen. – Hat insbesondere das newtonsche Gravitationsgesetz das Ungleichnamige gleichnamig gemacht? Ist die Übertragungsmöglichkeit der physikalischen Gesetze auf räumlich und zeitlich entfernte Vorgänge wirklich so gesichert? Ist es generell auszuschließen, daß hier – unter dem Systemzwang des Inertialsystems – projektiv ergänzt wird, was möglicherweise auch ganz anders sein könnte? (Ist es die gleiche Masse Licht, die am Tag den Raum bis zum azurnen Firmament erfüllt und in der Nacht nur punktuell die entfernte Sternenwelt erscheinen läßt?)
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