„Ihnen ist jedes Mittel Recht?“ oder „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“: Die Tendenz, mit der in den sogenannten Terroristen-Prozessen Verteidiger zu „Organen der Strafrechtspflege“ gemacht wurden, gehorcht der gleichen Bekenntnislogik, mit der der Bundeswehr ein „Verteidigungsminister“ vorsteht: Sie zielt – ebenso wie die übrigen begleitenden Maßnahmen von der Isolationshaft bis zur Kronzeugenregelung, und von der Kollektivhaftung aller Mitglieder für die Taten einer „terroristischen Vereinigung“ bis zur schlichten Leugnung und Verdrängung des politischen Hintergrunds – darauf ab, Verteidigung abzuschaffen, weil hier der absolute Feind gesehen wird. Insoweit gleicht der gesamte Komplex der Tradition des Antisemitismus; nur daß hier geschickter, als es die Nazis konnten, die nicht mit einer Niederlage gerechnet hatten, die „Wahrheit“, die sich aus dem vermeintlichen Staatsinteresse definiert, das selber nur noch aus einer zugrunde liegenden Paranoia sich erklären läßt, durch rigorose Beherrschung der Beweismittel im ganzen Verfahrensbereich, insbesondere auch schon im Vorfeld, unwiderlegbar gemacht werden soll. Das Verfahren weckt Bedenken gegen Meldungen wie denen,
– daß nach den Aussagen von Susanne Albrecht (die ein begründetes Interesse daran hatte, der Bundesanwaltschaft genehme Aussagen zu machen) Zweifel an der Selbstmordthese hinsichtlich der Stammheimer Häftlinge endgültig ausgeräumt werden konnten, oder
– daß der Barschel-Brief an Stoltenberg sich jetzt als Stasi-Fälschung herausgestellt habe.
Diese Bedenken mögen unbegründet sein; aber was man hier (und bei Bakker-Schut) erfährt, untergräbt die Glaubwürdigkeit der politischen und staatlichen Institutionen in diesem Lande (den Begriff und die Idee des Rechtsstaats) und damit ihre Legitimation in den Köpfen der Bürger, die bereits soweit sind, anzunehmen, das sei halt so, und damit müsse man rechnen und sich abfinden, weit mehr als es die terroristischen Taten selber je vermochten (verhängnisvollstes Erbteil der Kirchen). Sind nicht die wahren Staatsfeinde jene, die den Staat und seine Institutionen so mißbrauchen?
Gemeinheit, Bekenntnis, Selbstgetthoisierung: Thesen sind dann keiner sachlichen Bestätigung oder Widerlegung mehr bedürftig, wenn sie entweder „offenkundig“ sind (d.h. dem eigenen Bekenntnis konform sind) oder vor jeder Prüfung sich einem Feindbekenntnis zuordnen lassen (dann ist die Wahrheit oder Unwahrheit nicht zu ermitteln, da davon auszugehen ist, daß sie nur der Selbstbestätigung des Fremdbekenntnisses dient, dieses aber aus übergeordneten Gründen als falsch, gefährlich o.ä. anzusehen ist). Grund ist – insbesondere im Rechtsstreit – eine im positivistischen Rechtsverständnis begründeter instrumentalisierter (und deshalb dezisionistischer) Wahrheitsbegriff (wie in der Physik ist der Objektivismus vom Instrumentalismus nicht zu trennen). Aus dem gleichen Grunde bedarf die rechtlich festgestellte Wahrheit schon aufgrund ihrer Urteilsform der Sanktion. Das Gewaltmonopol des Staates bezieht sich primär auf das Recht zu strafen, und d.h. auf das Recht, die Wahrheit von Urteilen mit Gewalt durchzusetzen. Die Logik des Rechts ist die Bekenntnislogik; ihr Ziel ist der Rechtsfrieden, der erst mit der allgemeinen Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates hergestellt ist; und die Vorstellung, daß die Rechtslogik (als Urteils- und Straflogik) auch auf die Handlungen derer angewandt werden könne, die selber Herren des Rechts sind, ist illusionär. Deshalb bedarf eine an der Idee der Gerechtigkeit orientierte Rechtspraxis vor allem
– der Sicherung der Verteidigerrechte,
– der Fähigkeit des Richters zur Identifikation mit dem Angeklagten,
– der Kritik der herrschenden Staatsmetaphysik (der Ankläger ist kein Staatsanwalt).
Gemeinheit und Staatsmetaphysik:
– Gewalt wird anders definiert je nachdem, ob es sich um Vergewaltigung oder um „Nötigung“ bei gewaltfreien Sitzblockaden handelt;
– Staatsanwalt (Staat als Prinzip der Anklage, als institutionalisierte List der Vernunft), computerlesbarer Personalausweise und Ausweitung der Fahndungs- und Ermittlungstechniken, die darauf basieren, daß jeder Bürger ein potentiell Verdächtiger ist, als Bürger aus dem Bann der Anklage nicht mehr herauskommt;
– Staatsmetaphysik als Technik-Metaphysik: Grund ist die Personalisierung (der Rechtsbegriff der Person), die im Weltbegriff in der Materialisierung sich ausdrückt (im Rahmen der Staatsmetaphysik vertritt die Natur den Bereich des Angeklagten, die Welt den des richtenden Urteil).
Gemeinheit ist eine Überzeugungstat. Sie ist eine zwangsläufige Konsequenz des Staatshandelns.
Gemeinheit und die Kohlsche Dementipraxis: Kohls Satz, daß dieser Staat nicht ausländerfeindlich ist, ist genau der Grund der Ausländerfeindlichkeit. Er verhindert nicht die Aktionen, auf die sie als Dementi sich bezieht, sondern er verhindert nur das Aussprechen der realen Erfahrung von Ausländerfeindlichkeit, stigmatisiert den, der nicht verdrängen kann, als pathologisch oder bösartig (staatsfeindlich). Und das ist genau der Zweck dieses und vergleichbarer Dementis, deren Technik Kohl am besten beherrscht; und alle fallen darauf seit Jahren herein.
Gemeinheit und die Struktur des Vorurteils, Gemeinheit und Mechanik (Funktion der Hegelschen List und der Reflexionsbegriffe: die Hegelsche Vernunft ist eine, die selber das Opfer der Vernunft fordert, es in sich enthält und aufgehoben hat; dieses Opfer der Vernunft – oder die Zerstörung des Antlitzes – ist der Grund für die Trunkenheit des Hegelschen Absoluten).
Wenn den Armen das Bewußtsein der Armut und sein öffentlicher Ausdruck genommen wird, weil heute die Herrschenden (nach dem Vorbild der Kirchen) ihrer Schuld nicht anders als durch Selbstmitleid (durch Leugnung) glauben Herr werden zu können, das ist gemein (Grund in der Konstruktion der Welt). Was heute nicht selten tragisch (ein Prädikat, das immer schon eine Selbsterfahrung der Herrschenden bezeichnete) genannt wird, ist imgrunde gemein.
Die Anwendung mythischer Begriffe auf gegenwärtige Erfahrungen scheitert daran, daß an die Stelle des unaufgeklärten Schicksal heute die imgrunde nur noch pathologische Gemeinheitsstruktur getreten ist, die sich gerne in mythische Gewänder kleidet. So glaubt sie, der Kritik sich entziehen zu können.
BKA (oder GBA?): die „objektivste Behörde der Welt“: das schließt Gemeinheit nicht nur nicht aus, sondern bezeichnet genau ihren Grund.
Staatsmetaphysik (und die ihr korrespondierende Idee des Rechtsstaats) ist der Grund für die Struktur und die Tendenz politischer Prozesse: Der Staat kann nur aufgrund einer abgrundtiefen Bosheit angegriffen werden, und er kann nur von links angegriffen werden (Angriffe von rechts beeinträchtigen nur „das Ansehen unseres Rechtsstaates im Ausland“). Der politische Charakter der Prozesse gegen Linke kann nur (reflektiert und) anerkannt werden, wenn man bereit ist, auf die Staatsmetaphysik zu verzichten, die aber erforderlich ist, um das „Weltbild“ (bis hinein in die Naturwissenschaften) zu begründen und zu stabilisieren. Die Totalitätsbegriffe Natur und Welt sind nur im Rahmen der Staatsmetaphysik zu halten; und wer sie akzeptiert, akzeptiert zugleich (wie links er sich auch verstehen mag) diese Staatsmetaphysik, die dann im Gewaltkonzept (und im stalinistischen Rechtsverständnis) sich ausdrückt (Ausdruck der Sünde wider den Heiligen Geist).
Gibt es einen Zusammenhang des erweiterten noachidischen Nahrungsgebot (das nicht mehr vegetarisch ist wie das paradiesische) mit den Kerubim und dem kreisenden Flammenschwert nach der Vertreibung aus dem Paradies und der Bedeutung des Regenbogens nach der Sintflut?
Oktober 1991
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13.10.91
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11.10.91
Kann es sein, daß in dem gleichen Prozeß, in dem die Natur für uns zur Rückseite ihrer selbst geworden ist, dahinter Gottes Angesicht sich bildet, Er sich mit sanftester, aber zunehmender Gewalt manifestiert und nur deshalb nicht wahrgenommen wird, weil die Umkehr, die uns sein Antlitz enthüllen würde, unerträglich scheint; „Du kannst mein Angesicht nicht sehen, denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben“ (Ex 3320).
Jakob/Israel hat „Elohim von Angesicht zu Angesicht gesehen“ (Gen 3231), während Moses die Herrlichkeit Jahwes nur von hinten sehen durfte (Ex 3218ff).
Ich habe einmal vor der Entscheidung gestanden, zum Judentum überzutreten, habe es dann aber nicht getan, weil ich den Versuch für unzulässig hielt, dem objektiven Schuldzusammenhang, unter dem ich als Deutscher und Christ stand, dadurch zu entgehen, daß ich von der Täter- auf die Opferseite wechselte. Aus diesem Grunde bin ich in der Kirche geblieben.
Das Gravitationsgesetz bezeichnet ein Gesetz im Inertialsystem. die Lichtgeschwindigkeit bezieht sich auf eine Erscheinung im Inertialsystem. Der leere Raum ist nicht nur der von Materie, sondern auch der gegen die Fallkraft und gegen das Licht leere Raum (weder dunkel noch hell).
Das Inertialsysatem ist das Bezugssystem, das Referenzsystem, in dem sich
– die physikalischen Begriffe definieren,
– die physikalischen Erscheinungen auskristallisieren und
– in dem die physikalischen Gesetze herrschen.
Wenn man es an irgendetwas merkt, daß wir die Täter von Auschwitz sind, dann an der verhängnisvollen, alles vergiftenden Gewalt der Exkulpierungssucht: Alle suchen eine Art natürliche Unschuld wiederzugewinnen, die es im Kontext von Staat, Welt und Natur nie gegeben hat.
Das pfingstliche Sprachwunder bezieht sich eindeutig auf die Verwirrung der Sprachen beim Turmbau zu Babel; und wenn diese mit der Trennung von Herren- und Sklavensprache zu tun hat, so müßte jenes eigentlich die reale Versöhnung beider vorwegnehmen.
Der parvus error in principio ist sowohl der Grund, aus dem die Häresien erwachsen sind, als auch der Grund der Selbstverblendung der Kirche.
Theologie ohne Ansehen der Person treiben, heißt die Trinitätslehre kritisieren.
Wenn Marx, Freud und Einstein die drei Patriarchen der neuen Theologie sind, wer sind dann die zwölf Söhne Israels?
Über das, was Hegel selber die List der Vernunft nennt, wird der Schein erzeugt, aus dem dann das Wesen und der Begriff hervorgehen. Diese List, dieser Schein, dieses Wesen sind die Grundlagen der Philosophie des Begriffs. Zentral sind die Reflexionsbegriffe; zu erläutern wäre deren Zusammenhang mit dem Inertialsystem (über die Kantischen Formen der Anschauung und die Antinomien der Vernunft). Nicht zufällig begreift Hegel diese List (und das darin versteckte Moment der Gewalt) als ein wesentliches Moment der Technik, der Maschine. Diese List ist eine objektive List (und die Gemeinheit eine objektive Gemeinheit); Kant hat sie, ohne es zu bemerken, mit den subjektiven Formen der Anschauung in die Philosophie eingeführt (oder aus ihrem begrifflichen Wesen, aus der Trennung von Begriff und Objekt, herausgelesen: ihre Folgen hat er in den Antinomien der Vernunft bezeichnet). Das Resultat war das Reich der Erscheinungen (des gesetzmäßigen Zusammenhangs des Scheins), durch das der Weg zu den Dingen an sich zugleich versperrt war. Grund dafür, daß dieser Zusammenhang bis heute nicht durchschaut werden konnte, war
– die theologische Besetzung des Bekenntnisbegriffs (deren gegenständlicher Ausdruck die Trinitätslehre und die Opfertheologie ist) und
– die bis heute unbegriffene Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
Die Sonne, die die Dinge bescheint, erzeugt sie nicht.
Auch der kirchliche Antijudaismus rührt an den Augapfel Gottes (deshalb benötigte die Kirche die trinitarische Maskerade, den Personbegriff in der Trinitätslehre).
Der Begriff des Scheins, substantiell geworden im kantischen Begriff der Erscheinung, läßt auch die kopernikanische Wende und die newtonsche Gravitationstheorie nicht unberührt. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Hier wird die Nachtansicht der Welt auf den Tag übertragen (kann es sein, daß sich Nacht und Tag unterscheiden wie Jahwe und Elohim, und wie die Hebräer und die Israeliten?).
Der Unterschied zwischen CDU- und SPD-Politikern ist der zwischen Profis und Laien-Darstellern, wobei man einfach sehen muß, daß ein Kohl das Instrumentarium der Gemeinheit besser beherrscht als ein Vogel, Lafontaine oder Engholm (Engholm hatte nur das zweifelhafte Glück, Opfer eines CDU-Laienschauspielers zu werden; aber das macht ihn noch nicht zum Profi).
Wodurch unterscheidet sich die Luft vom Wasser (das Gasförmige vom Flüssigen: Beziehung zum Raum: Volumen beim Flüssigen unabhängig, bei der Luft abhängig vom Druck)? Gibt es eine mikrophysikalische Theorie des Flüssigen (in Analogie zur thermodynamischen Gastheorie und zur Festkörperphysik)?
Wasser und Schuldzusammenhang: Wasser nicht geschaffen; Medium des Chaos (des Chaos-Drachens); Trennung durchs Firmament (Drachen oben und unten); Sintflut; Schöpfung des Himmels und der Erde/ Sch. d. H., d. E. und des Meeres; am Ende wird das Meer nicht mehr sein. – Thales: Ursprung von allem ist das Wasser; Schuldzusammenhang flüssig (Verschiebung, Projektion). -
09.10.91
– Welt und Natur als Totalitätsbegriffe (Produkte der verandernden Kraft des Seins),
– das Inertialsystem, das Geld und das Bekenntnis,
– oder die transzendentale Logik und ihr Objekt
sind (als Stabilisatoren des Ich) Grund und Folge der Vernichtung der Gegenwart (oder des Antisemitismus als Grund und Inbegriff jedes Vorurteils: der Antisemitismus ist keine Folge der Xenophobie, sondern die Xenophobie Folge des Antisemitismus; Antisemitismus ist die Furcht vor dem Antlitz Gottes, Xenophobie die vor dem eigenen Gesicht), die Schrift das einzige Medium ihrer Wiederherstellung (durch Erinnerungsarbeit). Das Inertialsystem durch die Schrift ersetzen!
Falsch ist die Vorstellung, daß die Richtungen im Raum einander äquivalent sind (Differenz von unten und oben, leuchtenden und beleuchteten Gegenständen).
Blochs „Dunkel des gelebten Augenblicks“: Das Ich (oder auch das Sein oder der Begriff) bringt die Gegenwart zum Verschwinden (es steht sich selbst im blinden Fleck). Das Absolute Hegels, in dem kein Glied nicht trunken ist, ist der Inbegriff des Verschwindens der Gegenwart (als Totalitätsbegriff: die Trunkenheit des Begriffs die präzise Beschreibung dieser Bewegung des Verschwindens).
Zur mathematischen Struktur der Bekenntnislogik: der Freund meines Feindes ist mein Feind, und der Feind meines Feindes ist mein Freund (das Ich gründet im Nein).
„… ist die Intentionalität genau diejenige Modalität des Denkens, die das Mögliche dem Sein unterordnet und somit als Mögliches aufopfert. Das Denken des Seins wird zum Sein des Denkens. Der Genitiv der Intentionalität kehrt sich um.“ (Levinas: Außer sich, München 1991, S. 50f) Erläuterung des Rosenzweigschen Hinweises auf die „verandernde Kraft des Seins“, Zusammenhang mit dem Gesetz der Umkehrung, dessen gegenständliches Korrelat das Inertialsystem und seine seine Reflexionsformen (Geld, Bekenntnis) sind.
Begriff und Ursprung der Gemeinheit: Gemeinheit ist strafrechtlich nicht zu fassen, weil sie beweislogisch nicht zu fassen ist. Gemeinheit verdankt sich der Verführungskraft der Reflexionsbegriffe: das Nicht-Beweisbare ist nicht; und das Eine ist das Andere des Anderen (also nicht das Eine). Sie unterdrückt und verdrängt Erfahrung, erfahrene Wahrheit, indem sie „nachweist“, daß das Andere der Erfahrung wahr, die reale Erfahrung dagegen (wie die Thesen und Antithesen der Kantischen Antinomien der reinen Vernunft) nicht nachweisbar und, da einem anderen vorrangigen Beweisinteresse (im Bereich des Staatsschutzes: dem des Staates) widersprechend, irreal ist. Das Gewaltmonopol des Staates ist der beste Schutz der Gemeinheit, seit die Gemeinheit im Rahmen des herrschenden Begriffs der Objektivität (in Naturwissenschaft und Kapitalismus, und in Verwaltung und Staat: letztlich in den Totalitätsbegriffen Natur und Welt) selber objektive Realität und Gewalt gewonnen hat. Gemein ist jede Instrumentalisierung; und gegen Instrumentalisierung ist keine Wahrheit (auch nicht der kritische Begriff der Instrumentalisierung selber) mehr gefeit.
Der Personbegriff trennt den Namen von seinem „Träger“, macht ihn zu einer Eigenschaft, einem Prädikat: Produkt der Anpassung ans begriffliche Denken. Die Person ist das apriorische Objekt des Rechts, gleichsam deren materia prima, sie bezeichnet das Rechtssubjekt, das sich in seiner Beziehung zum Eigentum konstituiert, in dieser Beziehung schuldfähig ist, deshalb die Zurechenbarkeit von Schuld begründet: Personen sind berechenbar. Durch den Personbegriff werden umgekehrt Prädikate zu Namen (wird, wer gemordet hat, zum Mörder), werden Namen zum Ausdruck von Schuld. Im Bannkreis des Personbegriffs wird Freiheit zur Wahlfreiheit, zum liberum arbitrium, während der der Idee des Glücks zugrunde liegende Freiheitsbegriff die Befreiung von Schuld, das Heraustreten aus dem Bannkreis der Herrschaft, die Erlösung bezeichnet: das Sich-geliebt-Wissen, das die Fähigkeit zu lieben zur Grundlage hat, das Ende des Selbstmitleids. -
8.10.91
Unterscheidet sich die neue Welt von der alten dadurch, daß wir uns (wie nach Newton der Kosmos insgesamt) dem Fallgesetz unterordnen, während die Alten ihm nur unterlegen sind (der Zerfall der Sprache hängt damit zusammen)? Die Abfolge der Reiche im Danielschen Bilde geht von oben nach unten, und nicht, wie wir unbewußt erwarten, von unten nach oben. Gibt es nicht einen Hinweis, daß auch die Musik anders erfahren wurde (Melodie in der tiefen Stimme, Begleitung in der Oberstimme)? Hängt hiermit die u.a. auch die (nach unserem Geschmack barbarische) Bemalung der Statuen zusammen, während wir auf die „Harmonie“ von Form und (nach Möglichkeit „edlem“) Material abstellen, auf das, was heute Echtheit und Authentizität heißt? Die moderne Welt hat im Kampf gegen die Idolatrie schlicht kapituliert. Deshalb erscheint sie wie in einen Sturz, in einen Strudel hereingerissen, in dem nur noch eine Niedertracht die andere zu übertrumpfen scheint und am Ende die Gemeinheit siegt. So bleibt als Alternative in der Tat nur noch die Umkehr.
In der alten Welt suchten die Menschen (auch die Herrschenden) in der Stadt, im Staat, Zuflucht; Entlastung, Exkulpation brachten die Götter, die Opfer, der Kult. Religion und säkulare Welt waren nicht zu trennen, Religion ein Stück Herrschaftstechnik. In der neuen Welt ist das alles, ist der gesamte Herrschaftsapparat verinnerlicht worden; Herrschaft liefert ihre eigene Exkulpation (jedenfalls nach außen) gleich mit, wird – nach Absicherung durch den transzendentalen Apparat, durch die „Gemeinheitsautomatik“ – unangreifbar: das ist das Wesen der westlichen Zivilisation. Katalysator dieses historischen Prozesses war das zur Herrschaftsreligion verkommene („Bekenntnis“-)Christentum.
Die Darstellung der Nacktheit in der Geschichte der Kunst (nach der Vergesellschaftung des Herrendenkens ist nur noch die Vermarktung der nackten Frau möglich) scheint damit zusammenzuhängen. Der nackte Mann in der griechischen Kunst (und bei den alten Olympischen Spielen): Welches Selbst- und Fremdverständnis (welches „Körpergefühl“) liegt dem zugrunde, wie hängt das mit dem Kosmosbegriff, mit dem Mythos, dem Begriff des Helden und der Schicksalsidee zusammen? (Grund des jüdischen Bilderverbots: Verbot der Selbst- und Fremdobjektivierung; sie verletzen das Recht des Angesichts.)
„Und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Nach der Erkenntnis des Guten und des Bösen sahen sie sich zum erstenmal „von außen“, gegenständlich (auch von vorn hinter dem Rücken). Die Scham und der Schutz durch die Kleidung (Schutz der Privatsphäre ist Schutz der Scham, die heute vom Tratsch, von den Medien bis hin zu den staatlichen Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten, die insgesamt obszön sind, so unwiderruflich verletzt wird; im Islam schützt die Frau auch ihr Antlitz): vor diesem Hintergrund wird der Zusammenhang von Zeugung und Erkennen (Kain und Set; Bedeutung der toledot: der Genealogien und des Sechstagewerks; Trinitätslehre) vielleicht ein wenig verständlicher. Obszön ist auch das Inertialsystem: es bringt das Antlitz zum Verschwinden (Zusammenhang von Porträt und Perspektive; Naturwissenschaft, Hexenverfolgung und Auschwitz).
Wie verhält sich das „Vom Kopf zu den Füßen“ zum „Von der Sohle bis zum Scheitel“ (vgl. Silvia Schroer, auch Marx, der Hegel vom Kopf auf die Füße stellen wollte, und Büchners Lenz, der auf dem Kopf gehen möchte).
Drei Voraussetzungen des Inertialsystems:
– das Relativitätsprinzip,
– die Neutralisierung der Schwerkraft,
– die Trennung des Raumes vom Licht und von der Materie, die Vorstellung des leeren Raumes, in den das Licht und die Materie „von außen“ hereinkommt (ambivalent: der Raum ist sich selbst äußerlich).
Ist das Firmament der Sternenhimmel (der Nachthimmel) oder der azurne Tageshimmel (der die Sterne verdeckt)? Am Tageshimmel gibt es außer der Sonne den zu- oder abnehmenden Mond und den Morgen- oder Abendstern.
Wieviel Könige gibt es von Saul bis zum Ende des Königtums in Israel: 3 + 17; Juda: 3 + 20? Und in welcher Beziehung stehen Saul, David, Salomon zu Abraham, Isaak, Jakob? Ist die Geschichte der Könige eine „Umkehrung“ der Genealogie?
Ist Stalin nicht der Hammer, und heißt er nicht Josef? -
07.10.91
Die aufgedeckte Scham bei Noe bezeichnet einen „Fortschritt“ gegenüber dem Ursprung der Scham in der Geschichte vom Sündenfall. Wie verhält sich die Scham zur Erkenntnis?
Ist das mit der Todesdrohung verbundene Sehen „von Angesicht zu Angesicht“ bei Jakob auf Elohim bezogen, mit der Folge der Benennung Jakobs als Israel; ist es bei Moses, der Gott nur von hinten sieht, auf Jahwe bezogen?
Gibt es entsprechend der aufgedeckten Scham auch ein aufgedecktes Antlitz?
Die Physik gehört in den zweiten Schöpfungsbericht (in die Geschichte vom Sündenfall), nicht in den ersten.
Das griechische Erbe, oder das Erbe des begrifflichen Denkens (der Hypostasierung des Prädikats, Konsequenz des Seinsbegriffs und der damit verknüpften Zeitformen des Verbs), hebt die Differenz zwischen Selbst- und Fremdbezeichnung auf: die Selbstbezeichnung des Fremden verschwindet im großen Sack der Barbaren (und der Materie).
Der Weltbegriff ist der Inbegriff der vollendeten Fremdbezeichnung (der Zerstörung des Namens). Er verwischt die Differenz zwischen dem Einen und dem Anderen, ist der Grund der Reflexionsbegriffe. Diese Differenz kehrt dann wieder als Differenz zwischen Welt und Natur (begrifflosem Objekt und objektlosem Begriff). Beide stehen unter dem Bann des Totalitätsbegriffs Welt.
Ins Verhältnis des Welt- zum Naturbegriff scheint auch das von Sonne und Mond (das sprachliche und das genealogische) mit hereinzuspielen.
Wenn der Stammbaum Kains stimmt, dann gehört der Brudermord zu den Fundamenten der Zivilisation.
Der Säkularisationsprozeß ist eins mit dem Prozeß der fortschreitenden Instrumentalisierung: In der Welt gibt es keinen Endzweck.
Das Verhältnis des Säkularisationsprozesses zur Genealogie bestimmen (Indikator: mein Verhältnis zu meiner Familie; sh. die Namen meiner Töchter und die Last, die ich ihnen damit aufgebürdet habe; ist es den Eltern eigentlich klar und bewußt, was sie ihren Kindern zumuten durch Institutionen wie Erstkommunion und Schulbesuch?).
Die Wünsche der Eltern sind Fallen für die Entwicklung der Kinder. Das Verhältnis zur Welt wird vorgeprägt durch das zu den Eltern (durch die Form der Ablösung von den Eltern).
In der entfremdeten Welt scheint es ein Ich-Gefühl nur noch über den Mechanismus der Empörung zu geben.
Der Vater Alexanders war Philippus, der Pferdefreund; sein Lehrer war Aristoteles, dessen Metaphysik schon Hegelsche Staatsphilosophie war.
Das Gravitationsgesetz korrespondiert der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip. D.h. das Subjekt der Physik steckt im Gravitationsgesetz (allerdings durch Gleichnamigmachung entstellt).
Es muß möglich sein, die Sprache der Musik (ebenso wie die der Bilder) genauso zu verstehen, wie der heilige Franziskus die Sprache der Tiere verstanden hat.
Kohls Dementi „Wir sind kein ausländerfeindliches Land“ klingt wie der in Gesprächen und Diskussionen immer wieder zu hörende Satz „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …“ Es ist ein Dementi, das der Begründung nicht mehr bedarf, weil es das Gesamtgewicht der Persönlichkeit (und in diesem Falle das des politischen Amtes, oder des blinden Flecks, den es repräsentiert) in die Waagschale wirft. Das Dementi erfüllt den taktischen Zweck, eine offen zutage liegende Erfahrung zu tabuisieren: diese darf nicht mehr laut werden. Genau dieses Dementi gießt Öl ins Feuer der Ausländerfeindschaft.
Der positive Bekenntnisbegriff, der dem heutigen Religionsbegriff zugrundeliegt und seinen Ausdruck findet im Glaubensbekenntnis, verdankt sich der Umkehrung (und Bewahrung) des Schuldbekenntnisses, das hier umschlägt in ein Instrument der Komplizenschaft. Genau darin liegt die gemeinschaftsbildende Kraft dieses Bekenntnisses begründet. So wirkt es als Bindemittel, mit dem die Kirche ihre Gläubigen, die Nation das Volk und der Fußballverein seine Hooligans, an sich bindet.
Der Satz „Richtet nicht …“ schließt Kritik nicht nur nicht aus, sondern liefert dazu das reflektive Moment, durch das Kritik vom richtenden Urteil sich unterscheidet. Ziel von Kritik ist nicht die Widerlegung einer These oder die Überwindung eines falschen Standpunkts.
Unser Denken ist ein Teil der Welt, und die Kritik der Welt schließt die Kritik des eigenen Denkens mit ein.
Theologie, die nicht dazu beiträgt, den gegenwärtigen Weltzustand zu begreifen, verdient diesen Namen nicht. Der gegenwärtige Weltzustand ist ein Zustand in dem Sinne, in dem die allgemeine Relativitätstheorie einen Weltzustand beschreibt, der das Gravitationsgesetz in sich enthält.
Nur durch die positive Rezeption des Weltbegriffs ist die Theologie in die verhängnisvolle Lage geraten, den Begriff einer creatio es nihilo aufzunehmen. In der Schrift heißt es „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“; es gibt kein Davor, insbesondere kein Davor, das mit Nichts auch nur halbwegs zureichend zu bezeichnen wäre. Heideggers Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ ist ohne Auschwitz nicht mehr zu denken; und das Nichts vor der Schöpfung hat sich als Quelle der vernichtenden Gewalt gegen die Schöpfung enthüllt. Das real existierende Nichts ist der Tod.
Der Fall ist die Bewegung, in der das Subjekt seinen Namen verliert und ins Prädikat hereinrutscht (Ableitung der babylonischen Sprachverwirrung).
Zur prädikativen Struktur der Mathematik: Die Griechen haben die Winkel entdeckt. Die Fähigkeit, damit mathematisch umzugehen, wurde erworben mit der Entdeckung der trigonometrische Funktionen. Wie verhalten sich diese zur Infinitesimalrechnung, zur Integration und Differentiation? Sind die trigonometrischen Funktionen rein räumliche Funktionen, während die Infinitesimalrechnung sich der Hereinnahme der Zeit verdankt (Begründung des Bewegungs-, Kraft- und Energiebegriffs: Inertialsystem). Wie verhalten sich dazu die Irrationalzahlen wie die Kreiszahl und die Basis des natürlichen Logarithmus?
Resultiert die Sprachverwirrung aus der Schuldknechtschafts-Katastrophe (Polarisierung in eine Herrensprache und eine Schuldner-/Sklavensprache)?
Hängt der Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ mit dem anderen zusammen, wonach Gott die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt hat?
Das Überzeugen, das Bekennen und das Rechtbehalten gehören zusammen. Das Rechtbehalten begründet die Beweislogik des Bekenntnisses: es muß unwiderlegbar sein. Unwiderlegbar aber ist nur die Apokalypse, die Katastrophe.
Wie hängt der Ödipuskomplex mit der Astronomie zusammen?
Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren: Dieser Satz beschreibt präzise die Gründe für den Untergang des Römischen Reiches.
Ist das Problem der Ableitung der Mikrophysik aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ebenso und aus vergleichbaren Gründen unlösbar wie das Dreikörper-Problem in der Astronomie?
Hat die aristotelische steresis, die privatio, die Beraubung, etwas mit der Geldwirtschaft und mit dem privaten Eigentumsbegriff zu tun?
Wo wurden die Christen zum erstenmal Christen genannt: in Antiochien? Diese Fremdbezeichnung haben sie dann für sich übernommen; eine davon abweichende Selbstbezeichnung scheint es nicht zu geben. Dieser Begriff des Christentums hat den dogmatischen Prozeß (mit dem Personbegriff als absoluter Fremdbezeichnung des Selbst im Zentrum) determiniert und bestimmt. -
06.10.91
Die physikalische Welt, das Weltbild, das uns die naturwissenschaftliche Aufklärung vor Augen gestellt hat, ist vom bürgerlichen Selbsterhaltungsprinzip nicht zu trennen. Die Gestalt des Subjekts, die ihm entspricht, ist mit jenen Verdrängungsinstallationen belastatet, deren Vorgeschichte die des Opfers, der Idolatrie, ist. Der psychische Apparat, den Freud zur Grundlage seines Konzepts gemacht hat, hat sein gegenständliches Korrelat in diesem Weltbegriff.
Die Sprache vor der babylonischen Sprachverwirrung (die Sprache als „Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung“) muß einen gegenständlich begründeten Zustand schuldfreier Seligkeit als ihren Ursprungspunkt haben. Die Idee des Glücks, der Versöhnung, wäre grundlos, würde sie nicht an diese Erinnerung anknüpfen können, diese Erinnerung nicht noch in sich tragen: An diese Erinnerung reicht jedoch nur heran, wer die benennende Kraft der Sprache nicht verdrängt, unterdrückt. Darin liegt das Wahrheitsmoment dessen, was in der religiösen Tradition Lüge heißt.
Buber, Gen 11,2:
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde;
die Erde aber war Irrsal und Wirrsal.
Finsternis über Urwirbels Antlitz.
Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.
Eissfeldt:
Im Anfang, als Elohim den Himmel und die Erde schuf
– die Erde aber war wüste und leer,
und Finsternis lag über dem Urmeer,
und der Geist Elohims schwebte über den Wassern -sprach Elohim: …
Anmerkungen:
– „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr …“ Die Erde, nicht der Himmel und nicht „alles“, „war wüst und wirr“!
– Gott schuf den Himmel und die Erde, nicht das Wasser, die Urflut: Entstand diese als unbeabsichtigte Nebenfolge der „Schöpfung“, die im Dunkel lag („Finsternis lag über der Urflut“); und der Geist Gottes „schwebte über den Wassern“ (der gleiche Geist, der erst am Ende die ganze Welt – wie das Wasser den Erdboden – bedecken wird). Repräsentiert hier das Wasser – wie dann das Meer – den Schuldzusammenhang? Und was bedeutet die „Trennung der Wasser über der Feste von den Wassern unter der Feste“ (das Werk des zweiten Schöpfungstages)?
– Ab wann taucht die Wendung auf, wonach Gott den Himmel, die Erde „und das Meer“ erschaffen hat (eine Wendung, die das NT vom Schöpfungsbericht und von den Propheten unterscheidet -vgl. auch die Meeresgeschichten im NT: das Wandeln über dem Wasser z.B.)? Das Meer (die Gewässer, an denen die Hure Babylon sitzt – Off 171,15) sind die Völker (Off ..). Und: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr“ (Off 211)
Ist das Dogma das Werk des zweiten Schöpfungstages: die „Feste mitten in den Wasser“, die „Scheidewand zwischen den Wassern“ (Eissfeldt, Gen 16)? (Und entspricht das Dogma der Christen dem Gesetz der Juden?)
Wodurch unterscheidet sich die Luft vom Wasser (das Gasförmige vom Flüssigen: Beziehung zum Raum: Volumen unabhängig/abhängig vom Druck)? Gibt es eine mikrophysikalische Theorie des Flüssigen (in Analogie zur thermodynamischen Gastheorie und zur Festkörperphysik)? -
04.10.91
Nicht auszuschließen, daß die alte Lehre, wonach die Erbsünde in der sexuellen Lust sich fortpflanzt, wahr ist, aber diese Wahrheit wird in jedem Falle in ihrer sexualmoralischen Anwendung geleugnet, während sie vielleicht einmal in ihrer naturphilosophischen Bedeutung (Zusammenhang von hieros gamos und Sternendienst: Turmbau von Babel) sich enthüllt.
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02.10.91
Zu Jahwe und Elohim: Elohim scheint der Gott zu sein, der versucht (und handelnde Person des Hexaemeron ist: Urheber der Schöpfung im ersten Schöpfungsbericht, während der zweite Schöpfungsbericht – mit Paradies und Sündenfall – von den Taten Jahwe Elohims handelt: nur die Schlange beruft sich auf Elohim; erst nachdem Adam Eva „erkannte“, mit der Geburt Kains und mit dem Brudermord, tritt Jahwe auf; der Same Sets kommt wieder von Elohim, dessen erster Sohn Enosch erstmals den „Namen Jahwes“ anruft, während Henoch mit ha-Elohim wandelte, der ihn dann auch „zu sich nimmt“); die Aufforderung an Abraham zur Opferung Isaaks kommt vom Engel Elohims, während die Aufforderung, Isaak nicht zu opfern, vom Engel Jahwes kommt. Hier scheint ein ähnliches, für die Selbstverständigung der Theologie zentrales Sprachstruktur-Problem vorzuliegen wie bei der Differenz zwischen Hebräern und Israeliten (Differenz zwischen Selbst- und Fremdbezeichnung sowohl bei den Israeliten als auch bei Gott? -Gibt es eine Entsprechung im Christentum? Ist der „Vater“ Jesu -und in seiner Folge die gesamte Trinitätslehre – nur ein Deckwort für den auch im Christentum – und hier verschärft -unaussprechbaren Gottesnamen? Sind die christliche Selbst- und Gottesbezeichnung nur Fremdbezeichnungen, denen keine Selbstbezeichnung mehr entspricht?).
Adam „erkannte“ Eva zweimal: vor der Geburt Kains und vor der Geburt Sets; Abel wurde nur als Bruder Kains geboren. Die erste Erkenntnis bezog sich auf Jahwe, die zweite auf Elohim. Hängt damit Identität und Differenz der Stammbäume Kains und Sets zusammen? -
01.10.91
Zum Zusammenhang von „Schicksal“ und „schneiden“ (W.v.Soden, S. 168): Nachklang im „scheiden“ im biblischen Schöpfungsbereicht (Licht von der Finsternis, Wasser oben vom Wasser unten etc.)?
Die Kurzfassung des biblischen Schöpfungsberichts, wonach Gott die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt hat, hat zweifellos sprachliche Wurzeln, ihr gegenständliches Korrelat ist sprachlicher Natur; ihr entspricht heute die Unterscheidung von
– Wissenschaft (Begründungs-Institution, Herrschaft des Kausalprinzips; Frühform: die „sumerischen“ Omina-Listen)
– und Kunst (vom langen Atem der ästhetischen Formbegriffs bis hin zur Technik der Erzeugung von Spannung, z.B. in Literatur und Musik <Lösung des Problems der U-Musik?>).
Der Unterschied zwischen Ästhetik und Kunstkritik (zwischen Adorno und Benjamin) hängt am Begriff der Autorität, die der Kunst beigemessen wird.
Vor dem Hintergrund des „aufgespannten“ Himmels gewinnt der Sternendienst, die Sternenreligion, im alten Orient seinen besonderen Stellenwert (die Sterne „bedeuten“, weil sie der Praxis nicht zugänglich sind, nur Gegenstand der Kontemplation; sie sind gleichsam Projektionen dessen, was der Himmel „bedeutet“: der absoluten Zukunft gegen das Vergangenheits- und Totenreich des Irdischen; Projektion nur möglich im Kontext der Ausbildung frühstaatlicher Herrschaftsstrukturen, die ebenfalls die <irdische> Zukunft beherrschbar machen sollen – Sternendienst und Sprache: ist die Sprache an der Astronomie zerbrochen <Turmbau zu Babel>? – Anwendung aufs Zeitalter der Raumfahrt?).
Jedes Opfer enthält ein Stück Magie: die Vorstellung, daß man (durchs Opfer) Einfluß nehmen könne auf das Handeln Gottes und auf das Schicksal der Natur; gegen diese Opfertheologie steht das paulinische: „Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. … Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ (Röm 817ff; vgl. hierzu Gen 316 sowie auch Ps 10430). Der Weltbegriff als Inbegriff von Herrschaft (das Tauschprinzip) ist die Grundlage des Naturbegriffs als Inbegriff aller Objekte von Herrschaft (des Inertialsystems): Erst vor diesem Hintergrund wird das messianische „die Schuld der Welt auf sich Nehmen“ sinnvoll und verständlich.
Natur und Welt sind die Totalitätsbegriffe, die den realen Verblendungszuammenhang begründen, unter dessen Bann wir heute alle stehen. Dieser Bann ist ist für den, der ihn nicht durchstoßen kann, zirkulär, und d.h. ausweglos. Der Marxsche Satz, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt und nicht das Bewußtsein das Sein, ist zu differenzieren (und zu berichtigen): das Sein, das das Bewußtsein bestimmt, ist ein auch durchs Bewußtsein bestimmtes Sein. Es ist – konkret – ein durch vergangenes Bewußtsein bestimmtes Sein, und die Gewalt dieser Vergangenheit ist die Last, die auf uns lastet. Der Stalinismus ist nichts anderes, als der Versuch, von dieser Differenzierung gleichsam den unerlaubten Gebrauch zu machen, nämlich mit Hilfe politischer Gewalt das Sein zu bestimmen, das dann das Bewußtsein der Menschen bestimmen soll. So wurde der Marxismus (durch Instrumentalisierung) zur Ideologie.
„Du hast unsere Sünden vor dich hingestellt; unsere geheime Schuld ist das Licht deines Angesichts“ (Ps 908): Erkennen wir sein Angesicht nur im Lichte unseres Schuldbekenntnisses? (Vgl. „Israel“ – Gen 3229ff)
Die Verwechslung von Virgo und Bekenner ist der Ursprung des pathologisch guten Gewissens (des Faschismus – Zusammenhang mit der weiblichen Sonne und dem männlichen Mond?). Die Ausländerfeindschaft ist eine direkte Folge der Veräußerung des Gewissens (ins Urteil des Auslandes, der Welt): sie glaubt durch den Mord an den Ausländern das eigene schlechte Gewissen beseitigen zu können.
Die Schöpfungsgeschichte zu Beginn der Bibel ist bereits prophetisch; sie steht nicht in Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen Weltentstehungslehren. Aber sie benennt an der Natur deren Korrespondenz zur Prophetie. Das Chaos im Anfang der Schöpfung und die sechs Nächte, die die Schöpfungstage von einander trennen, haben – wie mir scheint – mit den sieben unreinen Geistern zu tun, die an zwei Stellen des NT erwähnt werden (zu Johannes vom Kreuz: es gibt nicht eine mystische Nacht der Erkenntnis, sondern sieben Nächte der Erkenntnis; und deren Hypostasen sind die sieben unreinen Geister, die bisher nur bei Maria Magdalena ausgetrieben wurden (d.h. Maria Magdalena ist die einzige, die die Umkehr vollzogen hat; darauf weist es hin, wenn sie als einzige im Heiligenkalender als Büßerin geführt wird, während umgekehrt dem Petrus, als Typos der Kirche, die dreimalige Leugnung vorausgesagt ist).
Die Vorstellung, daß Sternkatastrophen in der von Heinsohn u.a. vorgestellten Weise die gesellschaftliche Entwicklung bestimmt hätten, gleicht der, die die Geschichte der Aufklärung aus dem Erdbeben von Lissabon herleitet. Beide werden sinnvoll, wenn man unterstellt, daß die Geschichte der gesellschaftlichen Realität und des Bewußtseins in beiden Fällen soweit vorgearbeitet hatte, daß es „nur noch“ dieses äußeren Anstoßes bedurfte, um die entsprechenden geschichtlichen Wirkungen dann auszulösen. Nur als sinnliche Korrespondenz einer vorausgehenden gesellschaftliche Naturkatastrophe konnte die reale ihre geschichtliche Wirkung entfalten. Frage an Heinsohn: Warum muß man den Ursprung des Monotheismus und nicht den der Idolatrie erklären?
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