Die islamisch-christliche Differenz im Schöpfungsbegriff: in jedem Augenblick neu und Erhaltung der Welt, reflektiert die Differenz der Beziehung des Islams und des Christentums zur Philosophie, zur Verinnerlichung des Schicksals.
Im zweiten Schöpfungsbericht werden die Tiere von Gott aus dem Acker gebildet (und dem Menschen zur Benennung vorgeführt), nur im ersten bringt sie die Erde hervor.
Was ist der Unterschied zwischen der Erde (E. und Himmel), dem Acker (Acker und Adam) und dem Garten Eden (dem Garten der Bäume, die Gott „aus dem Acker … schießen“ ließ)? Und welche Bedeutung haben die vier Flüsse im Garten Eden (Beziehung zu den Wassern oberhalb und unterhalb der Feste)?
Das Christentum ist eine apokalyptische Religion, sein Grundwort ist das „Maranatha“, das dann freilich im Prozeß der Dogmatisierung (Parusieverzögerung) verdrängt wurde.
Nicht das Denken, sondern die Mathematik (in der das Denken sich nur auf sich selbst bezieht) ist das Narkotikum.
Jesus hat das Feuer auf die Erde gebracht, und er wollte, es brennte schon. Nur ist dieses Feuer dann nach innen geschlagen und zum Schwelbrand geworden: so ist das Christentum ausgebrannt.
Ist nicht heute die Kirche der Lazarus, der tot ist und schon riecht?
Wer in der Sprache sehen gelernt hat, für den gibt es keine Theorie mehr, sondern nur noch die Wahrheit.
Zum Genitiv: Hängt der Begriff des Genitivs nicht mit dem genus, mit der Zeugung, mit den toledot zusammen? Aber so, daß dieses Verhältnis (wie in der Trinitätslehre) in die casus mit hereingezogen: in ein Eigentums- und Herrschaftsverhältnis umgewandelt worden ist. Gilt nicht auch hier das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren?
Im Genitiv sind die Zeugungen idealistisch geworden (werden Begriffe zeugungsfähig und gezeugt): das ist der blasphemische Sinn des Zeugungsbegriffs, Erbe des hieros gamos und dessen, was die Propheten Hurerei nannten. Die Hegelsche Logik: die Totalität der Anti-toledot, und die Onanie der synthetischen Urteile a priori (die das namenlose Objekt erzeugen). Zusammenhang von Er- und Bezeugen (im Kontext des Beweises)?
Die Idee des Ewigen hat zwei Konnotationen, die zusammenzubringen sind: Die eine ist, daß sich das Ewige in keinerlei Hinsicht als vergangen denken läßt; die andere aber ist, daß das unabgegoltene Vergangene, die Toten, in die Idee des Ewigen mit hereingehören. Das aber heißt, daß die Idee des Ewigen ohne Erinnerungsarbeit, ohne das Eingedenken: ohne den Gedanken, daß die Toten, die wir nur noch ausbeuten, unsere Richter sein werden (ohne Umkehr des Historismus), nicht zu denken ist.
Mit jedem Menschen stirbt eine Welt, aber nicht das Zeugen, sondern Gerechtigkeit begründet eine Welt.
Dezember 1991
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08.12.91
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06.12.91
Ist die analogia entis, dieses Kernstück der thomistischen Theologie (ein Begriff übrigens, der heute sein fundamentum in re verloren zu haben scheint), der katholische Ersatzbegriff für die Umkehr?
Wenn der Ursprung der Philosophie sich aus der Verinnerlichung des Schicksalsbegriffs begreifen läßt, repräsentieren dann nicht Islam und Christentum die beiden verschiedenen Seiten des Schicksals (das Christentum die Subjektseite, der Islam die Objektseite)? Lassen sich daraus nicht sogar die Differenzen in der Theologie ableiten (z.B. die islamische Vorstellung, daß Gott in jedem Augenblick die Welt neu erschafft, auch daß es neben dem Koran weder eine besondere Philosophie noch einen kritischen Wissenschaftsbegriff geben kann)? Bedeutet das aber nicht umgekehrt, daß das Problem Islam sich nur mit der Selbstaufklärung des Christentums (mit der Selbstaufklärung der Philosophie) lösen läßt, weil anders der Islam als Projektionsfolie für das unbekehrte Christentum ebenso notwendig bleibt wie der Terrorismus für den Staat?
Wenn Franz Rosenzweig Mohammed den großen Plagiator nennt, so erinnert das daran, daß auch der Muslim unmittelbar bei Allah sein möchte, aber beim Schicksal sich wiederfindet. Der Islam repräsentiert die mythische Gestalt der Monotheismus-Rezeption.
Im Begriff des Ewigen ist auch das Vergangene gegenwärtig: als das noch unversühnte Gericht. -
05.12.91
Zu Ferdinand Ebners Bemerkung, das „Ich bin“ sei der erste Satz, das Urwort der Sprache (S. 141), ist berichtigend auf den Namen Adams (abgeleitet von adama – Acker: Zusammenhang von Acker und Erde: ist der Acker Erde als Eigentum, steckt das Moment des Eigentums in adama und Adam?) hinzuweisen. Die Sprache konstituiert sich nicht in der idealistischen Selbstbeziehung des Ich, sondern in der Fähigkeit zur Selbstreflexion der irdisch-gegenständlichen Schuld- und Eigentumsbeziehung: im Bewußtsein, Staub zu sein und wieder zu Staub zu werden. – Hängt der Name des Mannes isch (und der andere Name des Menschen Enosch/Henoch) mit dem des Feuers zusammen (wie der Name des Himmels)? Und steckt in Enosch das ani (Ich/nicht) und das isch (Feuer)?
Und verweist der Name Adams nicht auch auf die hervorbringende Kraft der Erde (am dritten und am Anfang des sechsten Schöpfungstages), aber als eine vergangene und so vom Menschen angeeignete, daß er deshalb die Tiere benennen, aber auch die Erde (den Acker) als Natur in den Schuldzusammenhang der durch ihn (durchs Eigentum und durchs Selbsterhaltungprinzip) konstituierten Welt mit hereinziehen kann? Mit der Erkenntnis des Guten und Bösen (die das Zu-Staub-Werden des Adam und das Staubfressen der Schlange zur Folge hat) ist der Keim gelegt für den Ursprung des Staates (den Prozeß der Verweltlichung und die Trennung von Welt und Natur).
Das kantische Objekt ist Staub. (Noch einmal Nelly Sachs lesen!)
Wann wurde die Erde zum Acker? – Der zweite Schöpfungsbericht unterscheidet sich vom ersten dadurch, daß hier in der Idee des Paradieses die Erde zum Garten des Menschen gemacht wird: So wird sie danach zum Acker. – Wie verhält sich der „Blutacker“ (Hakeldama, darin ist adama enthalten) zum adamitischen Acker, oder zu dem Acker, von dem das Blut des Abel zu Gott schreit?
Heißt es beim Verbot zu schwören: Eure Rede sei ja, ja, nein, nein; oder heißt es: Eure Rede sei ja oder nein? Man wird ausschließen dürfen, daß Jesus hier die Grundsätze der Informatik und das herrschende Identitätsprinzip lehren wollte.
Zum Weltbegriff: Die Welt spricht sich durch die Exkulpationsmechanismen, die in ihren Begriff eingebaut sind, selber schuldig, ihr Begriff ist ein realer Inbegriff der Projektion.
NB: Es genügt nicht, der Weltgeschichte eine Naturgeschichte entgegenzusetzen, sondern es kommt darauf an zu begreifen, daß das eine ohne das andere nicht zu denken ist und beide unter einem Bann stehen. Wie die Planeten um die Sonne, so kreist unser Natur- und Geschichtsverständnis um das (ebenso leere wie – nicht leuchtende, sondern – scheinerzeugende) Zentrum der transzendentalen Logik und Ästhetik: um das Prinzip und den Inbegriff der Subjektivität.
Wird das adamitische Wesen des Menschen in den Bekenntnisreligionen verdrängt (durch die persona: die Maske, den Charakter), oder kommt es hier auf seinen Begriff? – Ist der Charakter das Animalische, von Adam Benannte im Menschen? Ist Adam das Grundwort der Sprache?
Ist die Erinnerung der Natur im Subjekt adamitisch? -
04.12.91
– Das Lesen: ein „telepathischer Vorgang“ (Hinweis auf den Ursprung der Schrift?),
– das Denken: ein „eminentes Narkotikum“ (Hinweis auf den Ursprung der Idolatrie, der Mathematik und der Astronomie?), und
– die „fürchterlichste Droge“ nehmen wir in der Einsamkeit zu uns (Ursprung des Begriffs der Materie?).
(W. Benjamin, zitiert in G. Scholem: Walter Benjamin und sein Engel, S. 61f)
Der jüdische Begriff der Wahrheit unterscheidet sich vom griechischen wie die Lehre von der Theorie (oder wie das Hören vom Sehen und die Sprache von der Mathematik). Die eine hat ihren Ort in der Sprache, die andere in der Anschauung, die diese Bedeutung nur gewinnt, wenn man von der Inkommunikabilität der Anschauung absieht und das Moment der Gemeinheit in der Gestalt des Allgemeinen, die an die Anschauung sich bindet, in Kauf nimmt (und zugleich verdrängt). -
01.12.91
Bemerkung zu Ferdinand Ebner: Indem das Ich vor dem Du sich verschließt, öffnet sich der Raum ins Unendliche, verschwindet die sinnliche Welt (Beziehung der sinnlichen Wahrnehmung zur Sprache; Sprache, Wahrnehmung und Selbsterhaltung).
Franz Rosenzweig: Gott hat die Welt und nicht die Religion erschaffen. Gershom Scholem: Die Religion, der man angehört, ist ohnehin die falsche (in einer Vorlesung über die Dönme-Sekte). -Und warum kann man dann nur einer Religion oder Konfession angehören (genauso: warum gibt es in Deutschland nur die Möglichkeit einer Einzelstaatsangehörigkeit)? Die Kritik des Bekenntnisses trifft nicht nur die Konfessionen, sondern auch den Staat. Die Entkonfessionalisierung der Kirchen entzieht der Staatsmetaphysik (dem Prinzip Staatsanwalt) den Boden.
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